Unsere Adventskalendergeschichte 2022: 23. Dezember – Besuch an der Krippe

Die Nacht war frisch. Felix, der Fuchs, hat das erste Mal in diesem Jahr kalte Pfoten gehabt. Schon früh am Morgen hat er den Versuch, wieder einzuschlafen, aufgegeben und ist aus seinem Bau gekrabbelt. Die Luft draußen war gar nicht so ungemütlich, wie er sie im Bau noch empfunden hatte. Kalt war es trotzdem. Nach einer kleinen Runde durch den Wald entschied er, sich auf den Weg ins Engeldorf zu machen. Er hatte die Hoffnung, dass er dort noch einen Rest Wärme von der Glut des gestrigen Abends erhaschen könnte.
Im Dorf angekommen lief er direkt auf die große Krippe zu. Er näherte sich ein wenig verunsichert. Das, was da in der Mitte des Engeldorfes stand, kannte er nicht. Es sah aus wie ein neuer Stall, war aber keiner. Jedenfalls nicht so einer, in dem Tiere wohnen konnten. Da stand ja schon allerhand drin rum.
Seine Neugier trieb ihn genau bis davor. Ohne zu wissen, was er sich dort gerade anschaute, spürte er, dass an diesem Ort eine ganz besondere Atmosphäre herrschte. Er setzte sich und hatte die für ihn unangenehme Kälte sofort vergessen.

Auch jetzt sitzt er fast immer noch genauso da wie vorhin. Elise hat ihn auf dem Weg zum Bäcker gar nicht gesehen. Erst jetzt, auf dem Rückweg, hat sie Felix bemerkt. Er fügt sich aber auch wunderbar in das Gesamtbild ein. Elise grinst. Sie legt die Brötchentüte auf dem Brunnenrand ab, geht zu ihm rüber und setzt sich. Sie zieht die Knie zu sich heran und verschränkt die Arme vor den Schienbeinen. Elise freut sich, ihn zu sehen. Sie lächelt.
Felix sieht zu ihr herüber und lächelt zurück. „Guten Morgen“, sagt er und räuspert sich, weil seine Stimme noch nicht das macht, was er möchte. „Guten Morgen“, grüßt er sie noch einmal.
„Guten Morgen“, antwortet Elise freundlich. „Hier ist ein schöner Platz. Genießt du die Wärme von gestern?“ Und erst jetzt bemerkt Felix, dass die Feuerstelle ja direkt hinter ihm liegt. Mit einem Mal durchströmt ihn eine umfassende Wärme, die anschließend seinen Körper umhüllt. Einen Moment lang bleiben sie ganz ruhig nebeneinandersitzen.
„Morgen ist Heiligabend“, Elises Stimme klingt wie immer sanft. Felix spürt eine große Vorfreude auf das, was sie morgen Abend erwartet. Er ist wahnsinnig gespannt auf das, was kommen wird. Sein Blick wendet sich noch einmal Elise zu und richtet sich dann wieder zurück auf die Krippe. „Was ist das?“



Elise lächelt: „Das ist eine Krippe.“ Von der Seite kann sie sehen, wie sich seine linke Augenbraue hebt. „Mmh …“, er nickt verständnisvoll. Elise muss grinsen. Natürlich weiß er nicht, was eine Krippe ist. Woher auch?
Vorsichtig legt sie ihre Hand auf seinen Rücken. „Soll ich dir erzählen, warum die Krippe zu Weihnachten gehört?“ Elise spürt seine Erleichterung. Seine Schultern entspannen sich und er atmet einmal ganz tief durch. Sie vernimmt ein zaghaftes Nicken.
„Also, pass auf …“ Und dann erzählt sie nach und nach von dem Stall, in dem Jesus geboren wurde. Davon, dass seine Eltern keine andere Unterkunft mehr bekommen haben und sie ihn deshalb in die Krippe haben legen müssen. Von dem Esel, auf dem Maria während der Reise sitzen durfte. Von dem Ochsen im Stall, von dem eine wohltuende Wärme ausging. Sie erzählt von dem Stern, der hell über dem Stall leuchtete. Von den Engeln, die auf den Feldern sangen.

Sie erzählt von den Hirten, die mit ihren Schafen auf den Feldern von der Geburt Jesu erfahren haben. Von der Hoffnung, die sich durch dieses Kind verbreitet hat. Von den Drei Weisen aus dem Morgenland, die dem hellen Stern folgten und das Jesuskind in der Futterkrippe fanden.
Felix hört ihr konzentriert zu. An seiner Mimik verändert sich während der ganzen Zeit nichts. Auch, nachdem Elise fertig mit dem Erzählen ist, sitzt er noch einige Minuten da und schaut sich die Krippe an, die die Engel gestern so liebevoll aufgebaut haben.

Elise ist beeindruckt. So interessiert hätte sie ihn bei ihrem ersten Treffen gar nicht eingeschätzt. Sie spürt, dass er sich tatsächlich Gedanken zu dem macht, was sie ihm erzählt hat. Und wahrscheinlich wird er das heute Gehörte mit dem in der Adventszeit im Engeldorf Erlebte gerade irgendwie versuchen, in Verbindung zu setzen. Sie fragt sich, wie sich das wohl gerade anfühlen könnte …
Nach einer Weile spürt sie, wie er aus seinen Gedanken heraus wieder im Engeldorf ankommt. Er schaut sich um. Dann guckt er noch einmal in den Stall. „War gar kein Fuchs dabei?“, fragend schaut er Elise an. Die wiederum hat mit dieser Frage überhaupt nicht gerechnet. Sie lächelt ihn mitfühlend an und muss sich dann für einen kurzen Moment lang konzentrieren.
„Doch, bestimmt“, antwortet sie ruhig und sicher. „Die anderen Tiere, die dort waren, wurden in der Geschichte ja auch nicht erwähnt. Es waren bestimmt Füchse da. Und auch Igel, Dachse, Kaninchen, Eichhörnchen und noch viele, viele andere. Sie alle werden sich das Wunder dieser Nacht angesehen haben. Sie alle werden den Stern gesehen haben, der die Nacht erleuchtet hat. Sie alle werden die Botschaft der Engel gehört haben. Und alle werden da gewesen sein.“

Sie zeigt einladend in Richtung des aufgebauten Stalls. „Möchtest du dich einmal umsehen?“
Ohne zu zögern, so, als hätte er darauf gewartet, nickt er und geht vorsichtig in Richtung Krippe. Elise bekommt eine Gänsehaut beim Anblick des Fuchses, der sich ganz langsam in dem Stall bewegt. Er scheint fast andächtig neben den Figuren her zu laufen und schaut sich Detail um Detail an. „Eigentlich passt er ganz gut dort hinein“, denkt Elise und schmunzelt. Der kleine Kerl hat sie von Anfang an fasziniert und sie entdeckt bei jedem Treffen eine neue Seite an ihm. Sie ist gespannt darauf, was wohl noch kommen mag …
Langsam sind auch die anderen Engel des Engeldorfes aufgewacht. Es kehrt Leben ein. Und alle beginnen mit den Vorbereitungen auf den so lang erwarteten Tag, der vor ihnen liegt. Noch einmal schlafen, dann ist der Heilige Abend da …

 

 

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Unsere Adventskalendergeschichte 2022: 1. Dezember – Die Vorbereitungen beginnen

Unsere Adventskalendergeschichte 2022: 2. Dezember – In der Backstube

Unsere Adventskalendergeschichte 2022: 3. Dezember – Das Wunder der Musik

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Annika

© by Annika Schneider. Staatlich examinierte Ergotherapeutin, Chefredakteurin von Mal-alt-werden.de. Bücher von Annika Schneider finden Sie hier.

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