Unsere Adventskalendergeschichte 2022: 20. Dezember – Der Glanz der Lichterbögen

Emma steht in ihrer Werkstatt und atmet erleichtert auf. Sie hat es geschafft. 24 Lichterbögen stehen vor ihr und leuchten im warmen Kerzenlicht. Einen Bogen für jeden Engel …
Und jeden einzelnen dieser Bögen hat sie mit viel Sorgfalt und Liebe gesägt, gebohrt, glatt geschliffen, gedrechselt und geölt. Sie spürt eine große Freude, die in ihr aufflammt. Es wird wunderbar aussehen, wenn die Lichter das Engeldorf erleuchten.

Draußen ist es noch ganz ruhig. Der Tag beginnt erst gerade. Emma war es wichtig, dass sie, bevor sie die Lichterbögen verteilt, einmal ausprobieren kann, ob wirklich alle Kerzen fest in den Halterungen stehen und gut nebeneinander abbrennen können. Das zauberhafte Lichtermeer, das dabei entstanden ist, berührt sie sehr. Lange steht sie so da und genießt das Kerzenlicht.
Erst, als sie die ersten kleinen Sonnenstrahlen am Himmel wahrnimmt, der plötzlich gar nicht mehr so dunkel ist wie zuvor, kommt sie zurück aus ihren Träumen.
Sie macht die Tür auf, die aus der Werkstatt herausführt. Des duftet nach Winter. Die Luft ist kalt. Aber angenehm kalt. Emma zieht ihre dicke weiße Wolljacke über. Ihre Flügel steckt sie gekonnt durch die beiden Schlitze am Rücken.

Sie freut sich, dass es nicht regnet. So kann sie die Lichterbögen mit brennenden Kerzen vor die Häuser im Engeldorf stellen. Einen nach dem anderen.
Stück für Stück wird es immer ein kleines bisschen heller. Bogen um Bogen erhellt sich die Fassade jedes einzelnen Hauses. Erst ein, dann zwei, dann drei Häuser und immer weiter. Emma stellt einen Bogen nach dem anderen vor die Fenster neben den Haustüren.

Neugierig, woher der warme Lichterglanz kommt, kommen ein paar Eichhörnchen angelaufen. Zaghaft klettern sie von einem Baum zum anderen. Bis sie am Engeldorf angekommen sind.
„Wow“, ein Raunen geht durch die kleine Gruppe. Ein Hörnchen erklimmt einen Ast, der es noch weiter nach vorne führt. Es ist Henry. Mit feuchten Augen schaut er sich das in warmes Kerzenlicht gehüllte Engeldorf an. Die Kerzen flackern ganz seicht in der Morgenluft. Trotzdem es nicht mehr ganz dunkel ist, schafft das Licht eine atemberaubende Atmosphäre inmitten der kleinen weißen Häuser.
Hans und Horst krabbeln langsam hinter ihm her. Ganz vorsichtig. Der Ast biegt sich leicht nach unten. Für drei Eichhörnchen ist er eigentlich nicht gemacht. Aber … Er hält.
Emma stellt gerade den vorletzten Lichterbogen vor eine Tür. Emils Tür. Auch in Emils Haus brennt noch kein Licht. Er scheint noch zu schlafen. Das Kerzenlicht erhellt die weiße Fassade.
Henry, Hans und Horst sitzen ganz ruhig auf ihrem Ast und schauen Emma zu. Der letzte Lichterbogen ist für sie selbst. Behutsam trägt sie ihn über den Platz. Am großen Weihnachtsbaum und am Brunnen vorbei, bis sie zu ihrer Haustür kommt. Vorsichtig geht sie die Stufen hoch und stellt den Bogen ab.

Sie tritt ein paar Schritte zurück. Zufrieden betrachtet sie die Kerzen an und hält einen Augenblick inne. Dann geht sie in die Mitte des Platzes und sieht sich um. Ganz langsam betrachtet sie noch einmal jede einzelne Tür mit dem davorstehenden Lichterbogen. Sie sieht erleichtert aus. Ein wunderbarer Glanz liegt in ihren Augen. Henry, Hans und Horst sind ganz verzaubert von dem kleinen Engel. Und den wunderschönen und filigranen Kunstwerken. So eine lange Zeit haben die beiden es noch nie geschafft, ruhig auf einem Ast zu sitzen.
Emma bleibt noch einen Augenblick stehen. Dann geht sie in die Werkstatt, macht das Licht aus und schließt die Tür. Mit einem zufriedenen Lächeln im Gesicht geht sie in ihr Haus. Sie ist müde. Erleichtert, dass alles geklappt hat und die Bögen rechtzeitig vor dem Fest fertig geworden sind, fällt sie in ihr Bett.
Henry, Hans und Horst sitzen derweil immer noch auf ihrem Ast und bestaunen das Lichtermeer. Lediglich Hans klettert einmal vom Baum runter, um ein dringendes Geschäft zu erledigen. Seiner Meinung nach käme das der Stimmung nicht zugegen, wenn er dieses vom Baum aus tätigen würde.

Mit einem großen Hops und ein paar leichten Sprüngen später ist er wieder oben auf dem Baum. Das letzte Stück auf dem Ast bewegt er sich wieder ganz langsam und vorsichtig. Sodass niemand gestört wird oder der Ast gar Gefahr läuft, abzubrechen.
Und dann, nach einer Weile, halten die drei Eichhörnchen den Atem an. Die Engel werden wach. Immer mehr Engelgesichter schauen durch die Vorhänge hindurch nach draußen. Einige öffnen die Fenster. Ein paar öffnen sogar die Türen. Elise und Emily bekommen den Mund vor lauter Staunen und Rührung nicht mehr zu.
Auch Emil und Egon sind sprachlos. Erich, der gerade aus seiner Backstube kommt, bleibt bei dem Anblick, der sich ihm bietet, wie angewurzelt stehen. Die Kerzen brennen immer noch. Die Flammen sind ganz ruhig.
„Was zum Himmel …“, flüstert er. Weiter kommt er nicht. Erna legt ihm ihre Hand auf die Schulter. „Von Emma“, sagt sie leise und räuspert sich. „Was?“, fragt er. Anscheinend ein wenig zu laut. Die anderen Engel drehen sich zu ihm um. Erich wirft ihnen einen entschuldigenden Blick zu. Er wendet sich zu Erna.

„Wie bitte?“, flüstert er ihr zu. „Die Lichterbögen sind ein Geschenk von Emma.“ Erna spricht ganz geheimnisvoll. „Sie hat für jeden von uns einen zum Weihnachtsfest gefertigt.“ Erich ist ganz gerührt. „Wirklich …?“, fragt er erstaunt noch einmal nach. Erna nickt ermutigend. „Ja …“, haucht sie immer noch mit geheimnisvoller Stimme. „Sie sind wunderschön, oder?“
„Ja, das sind sie.“ Erich ist immer noch tief berührt. Er beobachtet, wie die anderen Engel ihre Lichterbögen vorsichtig hochnehmen und in ihre Häuser tragen. So erscheinen die Lichterbögen nach und nach, und einer nach dem anderen, bald neben den Haustüren hinter den Fensterscheiben. Aus fast jedem Haus erstrahlt so ein Leuchten. Ein wunderschönes, warmes Licht. Und jeder Lichterbogen sieht anders aus. Alle sind sie verschieden. Einzigartig. So einzigartig, wie jeder unserer 24 Engel einzigartig ist.
Erna nimmt Emmas Lichterbogen, öffnet leise Emmas Haustür und stellt auch ihren Bogen hinter das Fenster. Nun erstrahlen tatsächlich alle 24 Häuser im Schein der leuchtenden Kerzen.
Ganz leise schließt sie die Tür. Soll Emma sich erst einmal richtig ausschlafen.
Die drei Eichhörnchen sitzen noch bis die Sonne aufgegangen ist ganz ruhig auf dem Baum und bewundern das so wunderschön erleuchtete Engeldorf …

 

 

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Diese Geschichten unseres Adventskalenders sind außerdem erschienen:

Unsere Adventskalendergeschichte 2022: 1. Dezember – Die Vorbereitungen beginnen

Unsere Adventskalendergeschichte 2022: 2. Dezember – In der Backstube

Unsere Adventskalendergeschichte 2022: 3. Dezember – Das Wunder der Musik

Unsere Adventskalendergeschichte 2022: 4. Dezember – Zweiter Advent

Unsere Adventskalendergeschichte 2022: 5. Dezember – Holzsuche im Wald

Unsere Adventskalendergeschichte 2022: 6. Dezember – Der Nikolaus kommt zum Frühstück

Unsere Adventskalendergeschichte 2022: 7. Dezember – Die verschwundene Lichterkette

Unsere Adventskalendergeschichte 2022: 8. Dezember – Der geschmückte Tannenbaum

Unsere Adventskalendergeschichte 2022: 9. Dezember – Zu viel Punsch

Unsere Adventskalendergeschichte 2022: 10. Dezember – Ein Zuhause für den Übergang

Unsere Adventskalendergeschichte 2022: 11. Dezember – Ein neuer Freund

Unsere Adventskalendergeschichte 2022: 12. Dezember – Die Reise der Weihnachtssterne

Unsere Adventskalendergeschichte 2022: 13. Dezember – Die ersten Schneeflocken

Unsere Adventskalendergeschichte 2022: 14. Dezember – Köstliche Schokolade

Unsere Adventskalendergeschichte 2022: 15. Dezember – Ganz besondere Lichterbögen

Unsere Adventskalendergeschichte 2022: 16. Dezember – Kugeln aus Glas

Unsere Adventskalendergeschichte 2022: 17. Dezember – Die Suche nach der Wolle

Unsere Adventskalendergeschichte 2022: 18. Dezember – Christkindlmarkt im Engeldorf

Unsere Adventskalendergeschichte 2022: 19. Dezember – Erinnerungen

Annika

© by Annika Schneider. Staatlich examinierte Ergotherapeutin, Chefredakteurin von Mal-alt-werden.de. Bücher von Annika Schneider finden Sie hier.

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