Unsere Adventskalendergeschichte 2022: 19. Dezember – Erinnerungen

Am nächsten Morgen liegt das Engeldorf hinter den Feldern und Wiesen, Bergen und Tälern, Bächen und Flüssen ganz verschlafen in der Morgensonne. Die Tische von gestern stehen noch im Dorfkern. An den Adventskränzen im Engeldorf sind gestern alle vier Kerzen angezündet worden. Heute stehen sie ganz in Ruhe und ohne Kerzenlicht auf den Tischen der 24 Engelhäuser.
Es ist ganz ruhig. Alle schlafen noch. Und träumen vielleicht von den zauberhaften Erinnerungsmomenten, die sie von gestern mitnehmen durften.
Es war ein wunderschöner Tag. Ein Christkindlmarkt, der wahrscheinlich festlicher und schöner nicht hätte sein können. Es gab ruhige Momente, bewegte Momente, lustige Momente, traurige Momente, leise Momente und laute Momente. Und alle gehörten sie zu diesem Tag dazu.

Nachdem die Engel mit den Vorbereitungen fertig waren, wurde es ganz ruhig. Und ein Zauber legte sich über das Engeldorf. Das Warten sollte ein Ende haben. Und so war es dann auch. Nur wenige Augenblicke später kamen die Gäste. Ganz in Ruhe kamen erst vereinzelte Rehe, Hasen und Kaninchen zum Christkindlmarkt. Ein Wildschwein suchte etwas Warmes für seine Ohren und wurde an Ernas Stand fündig. Die Kaninchen hatten Hunger und knabberten eine von Erich frisch gebackene Waffel nach der anderen weg. Ihre Tasthaare waren von vorne bis hinten mit Puderzucker bedeckt. Es sah goldig aus. Emily konnte sie nicht lange genug ansehen. „Als hätten sie Schnee auf ihren Tasthaaren …“, erzählte sie nachts noch, als die Kaninchen schon lange wieder in ihrem Bau lagen und schliefen.
Die Rehe schlürften genüsslich von der heißen Schokolade. Emil hatte noch nie ein Reh gesehen, das heiße Schokolade durch einen Strohhalm getrunken hat. Sie schienen das warme, süße Getränk zu genießen. Mit einem Vanillekipferl und einem Stück Stollen schmeckte es noch besser. Am späten Nachmittag kam noch ein Hirsch vorbei, der es lieber herzhaft mochte. Er schwärmte abends noch von dem Nussbrot und dem selbst gemachten Käse.



Den Hasenkindern, die zu Besuch waren, war kalt. Ede ging mit ihnen zusammen zu dem Stand mit den Wollsachen und schaute nach, was er dort für Hasenkinder finden konnte. Er sah die Sachen durch. Und er fand sowohl Schals als auch Ohren- und Pfotenwärmer für die kleinen Häschen. Bei der Größe der Pfotenwärmer ging ihm wieder einmal das Herz auf. Es schien für ihn doch unmöglich zu sein, Kleidung in derartiger Größe zu stricken. Wie machte sie das nur?

Die Hasenkinder freuten sich unglaublich über ihre Geschenke. Und gleich wurde ihnen viel wärmer. Mit einem warmen Schluck Tee im Bauch, dem Schal, den Ohren- und Pfotenwärmern ließ es sich wunderbar aushalten. Zusammengekuschelt saßen sie vor dem Stand mit den Glaskugeln und bewunderten, wie die Lichter des Tannenbaums, die Lichterbögen und das Feuer sich in ihnen spiegelten. Ede beobachtete diese anrührende Szene und blieb einen Augenblick bei ihnen. Dann nahm er zwei Tassen des wohlig duftenden Punschs und machte sich auf den Weg zu Erna. Er erzählte von der Freude, die ihre selbst gestrickten Sachen in den Wald gebracht haben. Beim Zuhören ging ihr das Herz auf. Sie fühlte eine unglaublich starke Dankbarkeit, wissen zu dürfen, wie viel Gutes sie damit tun durfte.
Plötzlich kehrte eine unerwartete Stille im Engeldorf ein. Die Tiere wurden mucksmäuschenstill. Man hörte nur noch die leisen Stimmen der Engel. Doch mit der aufkommenden Ruhe verschwanden auch ihre Stimmen. Fragend schauten sie sich an. Die Tiere waren fast alle weg. Von jetzt auf gleich. Spurlos verschwunden.

Emily war skeptisch. Sie ging los und sah sich um. Überall herrschte gähnende Leere. Das war ungewöhnlich. So spät war es doch noch gar nicht. Am Stand mit den Kugeln wurde sie fündig. Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht. Aus dem Lächeln wurde ein Grinsen. Einen Moment lang blieb sie stehen und sah zu. Es war immer noch mucksmäuschenstill. Sie hörte ihn Summen. “Am Weihnachtsbaume, die Lichter brennen …”, vermochte sie zu erkennen. Ein leichter Windhauch lies ihren rechten Flügel ein wenig auf und ab schwingen. Das schien er bemerkt zu haben.
Felix guckte sie überrascht an. In Gedanken schien er noch bei den Kugeln zu sein. Augenscheinlich hatte er Gefallen daran gefunden. „Emily!“, begrüßte er sie freudig überrascht, „Was machst du denn hier?“. Sie grinste und schaute ihn fragend an. Und ja, der Fuchs kam selbst darauf. „Ach ja, du wohnst hier. Entschuldige, ich bin ganz in Gedanken.“
„Das merke ich“, Emily lächelte immer noch, „Geht es dir gut? Wie ist es dir ergangen? Seit …“ Sie zögerte.
Felix fing an zu lachen und ergänzte sofort: „Seitdem ich hier bei euch meinen Rausch ausschlafen durfte?“ Jetzt musste sie laut lachen. „Ja!“, fast hätte es ihr die Stimme verschlagen. Sie freute sich, den Fuchs wieder zu sehen. Er war ihr ganz schnell ans Herz gewachsen. Aber die Erinnerungen, die jetzt in ihr aufkamen, wie er so voller Freude nach dem vielen Punsch vor sich hin sang und die Gehversuche, in voller Überzeugung, dass das noch klappen könnte, waren auch einfach unfassbar lustig.

Jetzt musste auch Felix mit lachen. „Mir geht es gut! Wirklich! Ich habe mich gut erholt!“
„Das freut mich! Sehr!“ Emily drehte sich um und gab Emil ein Zeichen, dass alles in Ordnung war. Die Engel kümmerten sich darum, dass die anderen Tiere wieder zurück zu ihnen kamen. Sie erklärten ihnen, dass Felix ein Freund war und ihnen nichts tun würde. Langsam und nach und nach wurde es wieder belebter auf dem großen Platz.
Emily und Felix drehten eine Runde über den Christkindlmarkt und plauderten über dies und über das und schauten sich die verschiedenen Stände an. Als sie vor dem Punsch standen, musste Emily lächeln. Sie wartete darauf, was Felix machen würde. Der Fuchs stand vor dem großen Kessel. Er schnüffelte in Richtung des Randes. Und zuckte mit einem Mal, rümpfte seine Nase und machte einen Satz zur Seite. Ein verzweifeltes „Nee!“, kam aus ihm heraus. Emily lenkte schnell ein „Wir haben auch heiße Schokolade. Soll ich dir eine Tasse holen?“, bot sie an. Felix überlegte kurz und nahm dann dankend an.
Es wurde noch ein langer, schöner Abend. Auch die drei Eichhörnchen kamen noch vorbei und erfreuten sich an den Lichtern und den Schokoladenfiguren. Sie liebten Schokolade. Und Dario, der Dachs, hatte sich schon immer einen Lichterbogen für seinen Bau gewünscht. Und war überglücklich, einen mit nach Hause nehmen zu dürfen.

In aller Ruhe ließen die Engel den Abend mit den Tieren zusammen ausklingen. Alle schienen sich sehr wohl gefühlt zu haben und die vielen Lichter haben eine unbeschreiblich besondere und angenehme Atmosphäre geschaffen. Sie räumten in aller Ruhe das nötigste auf und gingen dann zufrieden in ihre Betten.
Erfüllt von den Momenten, die sie an diesem Tag erleben durften …

 

 

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Diese Geschichten unseres Adventskalenders sind außerdem erschienen:

Unsere Adventskalendergeschichte 2022: 1. Dezember – Die Vorbereitungen beginnen

Unsere Adventskalendergeschichte 2022: 2. Dezember – In der Backstube

Unsere Adventskalendergeschichte 2022: 3. Dezember – Das Wunder der Musik

Unsere Adventskalendergeschichte 2022: 4. Dezember – Zweiter Advent

Unsere Adventskalendergeschichte 2022: 5. Dezember – Holzsuche im Wald

Unsere Adventskalendergeschichte 2022: 6. Dezember – Der Nikolaus kommt zum Frühstück

Unsere Adventskalendergeschichte 2022: 7. Dezember – Die verschwundene Lichterkette

Unsere Adventskalendergeschichte 2022: 8. Dezember – Der geschmückte Tannenbaum

Unsere Adventskalendergeschichte 2022: 9. Dezember – Zu viel Punsch

Unsere Adventskalendergeschichte 2022: 10. Dezember – Ein Zuhause für den Übergang

Unsere Adventskalendergeschichte 2022: 11. Dezember – Ein neuer Freund

Unsere Adventskalendergeschichte 2022: 12. Dezember – Die Reise der Weihnachtssterne

Unsere Adventskalendergeschichte 2022: 13. Dezember – Die ersten Schneeflocken

Unsere Adventskalendergeschichte 2022: 14. Dezember – Köstliche Schokolade

Unsere Adventskalendergeschichte 2022: 15. Dezember – Ganz besondere Lichterbögen

Unsere Adventskalendergeschichte 2022: 16. Dezember – Kugeln aus Glas

Unsere Adventskalendergeschichte 2022: 17. Dezember – Die Suche nach der Wolle

Unsere Adventskalendergeschichte 2022: 18. Dezember – Christkindlmarkt im Engeldorf

Annika

© by Annika Schneider. Staatlich examinierte Ergotherapeutin, Chefredakteurin von Mal-alt-werden.de. Bücher von Annika Schneider finden Sie hier.

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