Unsere Adventskalendergeschichte 2022: 9. Dezember – Zu viel Punsch

Am nächsten Morgen geht alles seinen gewohnten Gang. Die Engel im Engeldorf sind gut mit den Vorbereitungen auf das Weihnachtsfest beschäftigt. Es herrscht hier ein Tun, dort ein Machen, aber alles in ruhiger Atmosphäre und in der notwendigen Zeit. Der Weihnachtsbaum inmitten des Engeldorfes strahlt in herrlichem und feierlichem Glanz. Beim Vorbeigehen bleiben die meisten Engel noch jedes Mal einen kurzen Augenblick stehen, um ihn zu bewundern. Sie schmücken jedes Jahr einen Baum. Doch in jedem Jahr sieht er anders aus. Und immer wunderschön.
Elise hat ihn schon kurz nach dem Aufstehen wieder angesehen. Für einige Minuten stand sie mit ihrer Kaffeetasse am Küchenfenster und hat einfach nur die Lichter und die warmen Farben bewundert. Und die Ruhe genossen.

Emil ist jedes Mal beim Vorbeigehen aufs Neue erleichtert, dass er gestern beim Schmücken nicht aus der Luft gefallen ist. Der Aufenthalt dort oben war doch spannender gewesen, als er ihn in Erinnerung hatte. Glücklicherweise kann er jetzt erst einmal wieder für ein Jahr verschnaufen.
Als Elise gerade vom Kaninchen- und Hühnerfüttern aus dem Stall kommt, kommt Emma ihr entgegengelaufen. Sie sieht beunruhigt aus. „Was ist los?“, fragt Elise. Emma scheint unsicher zu sein. „Ich weiß nicht so recht. Kannst du mal mitkommen? Da vorne ist was Komisches.“ Elise stutzt und entgegnet: „Ja natürlich.“
Sie stellt den Eimer mit den restlichen Karotten und Salatblättern auf den Boden und geht Emma hinterher. Emma läuft zum Waldrand. Beim Näherkommen hört Elise schon ein Geräusch. Ein Singen? Ein Winseln? Ein Jaulen?



Emma wird langsamer. Elise versucht, etwas zu erkennen. Singt da nicht jemand „Oh, Tannenbaum?“ Sie versucht, einen Blick von Emma zu erhaschen. Die konzentriert sich allerdings auf den Weg.
Und bleibt auf einmal abrupt stehen. „Da!“, flüstert sie leise, aber bestimmt und zeigt in ein Gebüsch. Elise traut ihren Augen nicht. Da sitzt ein Fuchs. Nein, da liegt ein Fuchs. Oder irgendwas dazwischen. Und der Fuchs singt Weihnachtslieder. Die Engel schauen sich an. „Was ist das?“, fragt Emma. „Ein Fuchs“, Elise grinst. Emma schaut sie ungläubig an. „Der hat wohl einen zu viel über den Durst getrunken.“ Elise muss sich zusammennehmen, um nicht laut loszulachen. „Was machen wir denn jetzt?“, Emma guckt immer noch so, als können sie das, was sie da sieht, nicht glauben. „Na, wir nehmen ihn mit.“, antwortet Elise wie selbstverständlich. „Waaas?“, entfährt es Emma, „Wohin?“
„Na mit nach Hause. Wir können ihn ja schlecht hierlassen.“ Als sie gerade weitersprechen möchte, entdeckt der Fuchs die beiden Engel. „Wer seid ihr beiden denn?“, fragt er ein bisschen undeutlich und torkelt ihnen entgegen. Emma macht einen Schritt nach hinten. Elise bleibt stehen. Nach ein paar Schritten bleibt der Fuchs auch stehen.
Er atmet einmal tief ein und aus. Und hält inne. Dann sagt er plötzlich „Boa, ist mir schlecht!“, streicht sich mit der Pfote über die Schnauze und setzt sich. Das Ganze sieht wahnsinnig unbeholfen aus. Elise grinst. „Was hast du denn gemacht, dass es dir so schlecht geht?“, fragt sie liebevoll. Der Fuchs atmet noch einmal tief ein und aus. „Das war wahrscheinlich ein Gläschen Punsch zu viel gestern Abend. Ich war beim Dachs zur Weihnachtsfeier eingeladen.“ Er schielt die beiden Engel an. „Ihr wart nicht da, oder?“ Dabei zieht er seine Stirn kraus.
Jetzt grinst auch Emma. „Nein“, lächelt sie, „wir hatten leider schon was vor.“ Der Fuchs nickt verstehend und fängt an “Stille Nacht” zu summen.

Nach der ersten Strophe hört er auf und guckt die Engel verblüfft an. „Wer seid ihr beiden denn?“, fragt er erneut. Elise kann nicht mehr an sich halten. Sie muss jetzt einfach lachen.
„Wir sind deine Nachbarn und wollten dich einladen, deinen Rausch bei uns auszuschlafen.“ Sie sieht ihn freundlich an und streckt ihm ihre rechte Hand entgegen. Der Fuchs neigt seinen Kopf leicht zur Seite. „Das war wahrscheinlich ein Gläschen Punsch zu viel gestern Abend. Ich war beim Dachs zur Weihnachtsfeier eingeladen.“ Jetzt muss auch Emma laut lachen.
Der Fuchs versteht nicht ganz, was die beiden so lustig finden. Er hält kurz inne und beginnt, die erste Strophe von “Ihr Kinderlein kommet” zu singen. Relativ textsicher muss man sagen. Beim Refrain hört er mittendrin auf: „Wer seid ihr beiden denn?“, und sagt weiter „Wisst ihr, ich hatte wahrscheinlich ein Gläschen Punsch zu viel gestern Abend. Ich war beim Dachs zur Weihnachtsfeier eingeladen” vervollständigt Elise und lächelt mitleidig.
Der Fuchs guckt sie verwundert an „Woher weißt du das?“
„Kommst du mit zu uns? Da können wir noch ein wenig weiter feiern. Ich trag dich auch, wenn du das möchtest.“ Elise lässt nicht locker. Sie hat kein gutes Gefühl dabei, den Fuchs über die Nacht allein hier zu lassen.
Der wiederum überlegt. Winkt dann aber ab: „Ach nein, lieber nicht. Ich hatte wahrscheinlich ein Gläschen Punsch zu viel gestern Abend …“ „Ja, du warst beim Dachs zur Weihnachtsfeier eingeladen“, ergänzt Elise erneut. Der Fuchs setzt sich wieder unbeholfen auf den Waldboden. Elise nutzt den Augenblick und nimmt ihn auf den Arm. Er guckt sie noch einmal verwundert an, legt dann aber schnell seinen Kopf auf ihren Unterarm. Nach einer Minute hat er die Augen geschlossen und schläft.
Vorsichtig trägt Elise den Fuchs in Richtung Engeldorf. Emma geht in aller Ruhe neben ihr her …

 

 

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Unsere Adventskalendergeschichte 2022: 1. Dezember – Die Vorbereitungen beginnen

Unsere Adventskalendergeschichte 2022: 2. Dezember – In der Backstube

Unsere Adventskalendergeschichte 2022: 3. Dezember – Das Wunder der Musik

Unsere Adventskalendergeschichte 2022: 4. Dezember – Zweiter Advent

Unsere Adventskalendergeschichte 2022: 5. Dezember – Holzsuche im Wald

Unsere Adventskalendergeschichte 2022: 6. Dezember – Der Nikolaus kommt zum Frühstück

Unsere Adventskalendergeschichte 2022: 7. Dezember – Die verschwundene Lichterkette

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Annika

© by Annika Schneider. Staatlich examinierte Ergotherapeutin, Chefredakteurin von Mal-alt-werden.de. Bücher von Annika Schneider finden Sie hier.

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