Basale Stimulation®. Grundlagen, jede Menge Praxistipps und kostenlose Übungen

Das Konzept der Basalen Stimulation® wurde zur frühen Förderung von Kindern mit schwersten Behinderungen und mit Mehrfachbehinderungen entwickelt. Es stammt von dem Sonderpädagogen und Psychologen Andreas Fröhlich und wurde in den 80er Jahren von ihm und Christel Bienstein an die Bedingungen der Pflege angepasst. Die Basale Stimualtion® ist keine “Technik” und setzt sich nicht aus einzelnen “Übungen” zusammen. Die Basale Stimulation® ist ein Förderkonzept der Pflegepädagogik. Im Mittelpunkt der Basalen Stimulation® steht die Förderung und die Aktivierung von Menschen, die Störungen der Kommunikation, Störungen der Wahrnehmung und Störungen der Bewegung haben. Da Störungen in den drei Bereichen Wahrnehmung, Kommunikation und Bewegung auch Bestandteil von demenziellen Erkrankungen sind, kommt Basale Stimulation® auch bei Menschen mit Demenz zum Einsatz.

Das Konzept der Basalen Stimulation®

Menschen sind darauf angewiesen, dass ihr Bewusstsein klar ist und dass sie ihren Körper und ihre Umwelt mit ihrem Bewusstsein erfassen können. Wenn die Menschen (krankheitsbedingt) nicht oder nicht mehr dazu in der Lage sind sich ihrer selbst bzw. sich ihres Körpers und ihrer Umwelt bewusst zu werden, dann wird bei dem Konzept der “Basalen Stimulation” mit einfachen Angeboten die Wahrnehmung unterstützt. Durch die Wahrnehmungsförderung soll bei der Basalen Stimulation® das Bewusstsein für den eigenen Körper wieder geschärft werden. Gleichzeitig wird die Förderung des Kontaktes zu anderen Menschen und der Umgebung angestrebt. Im zwischenmenschlichen Kontakt wird bei der Basalen Stimulation® Nähe und Sicherheit vermittelt.



Basale Stimulation® für Menschen mit Demenz

Es gibt verschiedene Maßnahmen, die bei der Basalen Stimulation® von Menschen mit Demenz zum Einsatz kommen. Zu diesen Maßnahmen gehören neben der Körperstimulation auch die haptische, die orale, die visuelle, die olfaktorische und die auditive Stimulation. Die verschiedenen Maßnahmen sollen eine eventuelle Isolation der Menschen mit Demenz verhindern oder aufheben. Um Basale Stimulation® in der Pflege umzusetzen, braucht man (neben einer entsprechenden Ausbildung) eine gute Pflegeanamnese und eine Biografie. Sie bilden die Grundlage, um den Menschen zu verstehen und ihn entspechend seiner Bedürfnisse zu pflegen und zu betreuen.

Die Basale Stimulation® in der Praxis

Das Konzept der Basalen Stimulation® lässt sich nahezu aussnahmelos in den Pflege- und Betreuungsalltag mit Menschen mit Demenz integrieren. Um Ihnen den Überblick über die verschiedenen Mittel und Maßnahmen der Basalen Stimulation® zu erleichtern, stellen wir Ihnen hier einige Beispiele aus der Paxis vor:

  1. Körperstimulation
    Besonders im letzten Stadium der Demenz, wenn die Betroffenen immobiler und auch bettlägerig werden, fällt es den Menschen immer schwerer, den eigenen Körper zu spüren. Durch verschiedene Berührungen wird es ihnen ermöglicht, die eigenen Körpergrenzen wieder wahrzunehmen und sich zu spüren. Das kann beispielsweise durch Ausstreichen der Arme und Beine erfolgen oder durch regelmäßige und bequeme Lagerung. Bei der Körperpflege kann mit weichen und harten Schwämmen gearbeitet werden und mit wechselnden Wassertemperaturen. Durch deutlich spürbaren Druck beim Waschen, Abtrocknen und Eincremen wird die Körperwahrnehmung ebenfalls angeregt. Gut sitzende, (nicht zu) eng anliegende Kleidung macht die Grenzen des eigenen Körpers deutlich.
  2. Haptische Stimulation
    Die Haptische Stimulation umfasst das Tasten und Greifen. Hier kann man sehr gut mit verschiedenen Materialien arbeiten, die sich aus der persönlichen Biografie des demenziell erkrankten Menschen als angenehm erwiesen haben oder die eine besondere Bedeutung für ihn hatten. Das kann zum Beispiel Wolle sein, verschiedene Arten von Stoffen, Tücher, Holz, Naturmaterialien wie Steine, Gras, Blumen oder getrocknete Blätter, Kochbesteck, Handwerksmaterialien, Stofftiere, und, und, und…
    Hier kann man den Betroffenen auch angenehm temperiertes Wasser über die Hände und Unterarme laufen lassen und sie dabei unterstützen, sich selbst mit einer wohlig duftenden (Biografie beachten) Creme oder Lotion einzucremen. Für Bettlägerige bieten sich zudem auch besondere Nesteldecken und Fühlkissen an. Was Sie beim Selber-Nähen einer Nesteldecke beachten sollten, können Sie sich hier ansehen
  3. Orale Stimulation
    Besonders dann, wenn Menschen künstlich ernärt werden, ist die orale Stimulation besonders wichtig. Auf eine regelmäßige Mundpflege sollte unbedingt geachtet werden. Zusätzlich können die Nerven im Mund und rund um die Mundpartie durch Bestreichen mit dem Finger, einem kleinen Schwamm oder einem Tupfer stimuliert werden. Bei Schluckstörungen können die Lutsch- und Schluckbewegungen durch spezielle Lebensmittel angeregt werden. Dies sollte man jedoch grundsätzlich den Fachkräften überlassen, da das Risiko, sich zu verschlucken, bei den Betroffenen hier besonders hoch ist. In sogenannten Kausäckchen kann man ihnen aber kleine Geschmacksanregungen anbieten. Dafür wird das Kausäckchen mit einem beliebten Lebensmittel, wie einem Stück Apfel oder Schokolade, gefüllt und den Betroffenen vorsichtig in die Wangentasche gelegt (das Ende schaut dabei aus dem Mund heraus). Auch diese Form der oralen Stimulation sollte man aber nicht ungeschult durchführen.
  4. Visuelle Stimulation
    Unser Auge gewöhnt sich sehr schnell an das, was es sieht. Besonders bei Bettlägerigen kann man mit kräftigen, kontrastreichen Bildern, Mobiles, Fotos oder Postern Akzente schaffen, die den Sehsinn stimulieren. Hier kann eine kleine, regelmäßige Abwechslung meist eine große Wirkung haben. Auch verschiedenfarbige Lampen können punktuell gut eingesetzt werden. Tipps für die Wohnraumgestaltung finden Sie in dem Buch “Lebens- und Wohnraumgestaltung in Pflegeeinrichtungen” vom Verlag an der Ruhr .
  5. Olfaktorische Stimulation
    Bei der olfaktorischen Stimulation bieten sich im Alltag zahlreiche Möglichkeiten, den Geruchssinn zu stimulieren. Das beginnt schon morgens mit dem Duft frisch gebackener Brötchen und aufgebrühtem Kaffee. Auch Blumen werden oft als sehr angenehm empfunden. Das Eincremen mit einem besonderen Duft (Creme oder Lotion) oder das Auftragen von Deodorant oder Rasierwasser können das eigene Körperempfinden enorm verbessern und regen Erinnerungen an früher an. Auch Essendüfte, wie gebratene Zwiebeln, gebackene Waffeln, Eintöpfe, gebratener Fisch oder frisch gebackener Kuchen fordern den Geruchssinn heraus und lassen Erlebnisse aus der Vergangenheit plötzlich wieder aufleben. Bei den Gerüchen sollte man allerdings auch wieder unbedingt auf die persönlichen Vorlieben und Abneigungen der Betroffenen Rücksicht nehmen.
  6. Auditive Stimulation
    Ob klassische Musik, Schlager, Volkslieder oder Marschmusik – unser Musikgeschmack ist vielfältig und zum Teil sehr verschieden. Die Lieblingsmusik von früher weckt auch hier wieder Erinnerungen an alte Zeiten und kann eine belebende Wirkung haben. Dabei kann man gemeinsam in der Gruppe singen, Bettlägerigen etwas vorsingen oder auch das Lieblingslied auf einem CD-Spieler abspielen. Von der sogenannten Dauerberieselung sollte allerdings bitte Abstand genommen werden. Das ist für die Menschen sehr anstrengend und hat, auf eine Stimulation bezogen, überhaupt keine Wirkung mehr. Die CD “Hörzeit. Radio wie früher” ist beispielsweise ein Radiomagazin speziell für Menschen mit Demenz, die man sich gut gemeinsam mit den Betroffenen anhören kann. Die CD haben wir auf Mal-alt-werden.de schon vorgestellt.
  7. Vibratorische Stimulation
    Auch vibratorische Angebote aktivieren die Sinne und erzeugen Aufmerksamkeit. Die Impulse können zum Beispiel mit einer elektrischen Zahnbürste oder einem Rasierer (ohne Klinge) auf die Haut übertragen werden, oder die Geräte werden von den Betroffenen selbst in die Hand genommen. Auch Massagen werden gerne angenommen, hier sollte man aber auch wieder besonders auf die Reaktionen des Gegenübers achten.
  8. Anregung des Gleichgewichtssinnes
    Wenn das Gefühl für den eigenen Körper durch Immobilität oder Bettlägerigkeit zunehmend sinkt, verschlechtert sich auch der Gleichgewichtssinn. Das Raum-Lage-Empfinden des Gehirns schwindet ebenfalls. Um dem vorzubeugen, sind leichte, schunkelnde Bewegungen eine Möglichkeit, den Gleichgewichtssinn zu trainieren. Das kann man durch gemeinsames Schunkeln erreichen, rhythmische Bewegungen, wie z.B. Tanzen, oder das leichte Wiegen der Erkrankten im Arm von Angehörigen, Pflege- oder Betreuungskräften.

Die Basale Stimulation® als Lernprozess

Basale Stimulation® ist immer ein Lernprozess – nicht nur auf der Seite des Gepflegten, sondern auch auf der Seite des Pflegenden. Der Pflegende lernt von und durch den Gepflegten. Die Reaktion des Gepflegten beeinflusst die nächste Handlung des Pflegenden. Eine hohe Fachkompetenz, Empathie und Flexibilität ermöglichen eine kommunikative Pflegepraxis, die dem Gepflegten bei der Basalen Stimulation® Vertrauen und Respekt vermittelt.

Kostenlose Wahrnehmungsübungen. Aus der Praxis, für die Praxis

Das Konzept der Basalen Stimulation® kann im Bereich der Demenzerkrankungen in jedem Stadium angewandt werden. Neben speziellen Wahrnehmungsübungen sind auch biografiebezogene Wahrnehmungsspiele bei Menschen mit und ohne Demenz oft beliebt und haben zum Teil eine ganz besondere Wirkung. Unsere 10 beliebtesten Beiträge mit Wahrnehmungsspielen und -übungen für Senioren und Menschen mit Demenz haben wir hier in einer Liste für Sie zusammengestellt:

  1. So schmeckt Europa: Ein Wahrnehmungsspiel
  2. Ein Eimer mit Schnee- Ein Wahrnehmungsspiel für Demenzkranke
  3. Tastsäckchen zum Thema Erntedank – Ein Wahrnehmungsspiel
  4. Aktivierung bei Demenz. 2 kreative Sortierspiele zum Thema Handarbeiten
  5. Gewürze erschnuppern – Ein Wahrnehmungsspiel
  6. Das Bonbon im Sandhaufen finden…. Ein Wahrnehmungsspiel für Senioren
  7. Tastsäckchen zum Thema Berufe – Ein Wahrnehmungsspiel
  8. Wahrnehmungsübungen zu dem Thema Süßigkeiten. Sehen, Schmecken, Tasten
  9. Wie viele Nüsse? Eine Wahrnehmungs- und Konzentrationsspiel in unterschiedlichen Schwierigkeitsstufen…
  10. 3 Wahrnehmungsübungen für den Frühling

Literatur und Grundlagenwissen

Zur Basalen Stimulation® ist bereits ein Interview bei uns erschienen. Das komplette Gespräch mit Frau Mattelé – Krankenschwester, Diplom-Pflegewissenschaftlerin und seit 1999 auch Praxisbegleiterin für Basale Stimulation® in der Pflege, finden Sie hier.
Außerdem ist im Elsevier-Verlag das Fachbuch “Basale Stimulation. Wege in der Pflege Schwerstkranker” erschienen. Die Buchvorstellung dazu können Sie sich hier ansehen!

Brauchen Sie noch weitere Anregungen?

Das wir das Konzept der Basalen Stimulation® als sehr sinnvoll erachten, erscheinen bei uns regelmäßig Beiträge mit Übungen zur Wahrnehmungsanregung und auch Wahrnehmungsspielen. Wenn Sie regelmäßig über diese neuen Beiträge, kostenlose Aktivierungsmaterialien und Neuigkeiten aus den Bereichen Pflege und Betreuung informiert werden möchten, dann bestellen Sie gerne unseren kostenlosen Newsletter oder folgen Sie uns auf Facebook .

Quellen:
MDS (2009b): Grundsatzstellungnahme. Pflege und Betreuung von Menschen mit Demenz in stationären Einrichtungen. MDS: Köln.
AlzheimerForum, Die Sinne erwecken. Basale Stimulation bei Demenz, Dr. Dr. Herbert Mück, Köln

Natali

© by Natali Mallek. Dipl. Sozialpädagogin/ Sozialarbeiterin, Gedächtnistraininerin, Master of Arts "Alternde Gesellschaften", Gründerin von Mal-alt-werden.de. Bücher von Natali Mallek finden Sie hier. Fortbildungen mit Natali Mallek finden Sie hier.

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2 Antworten

  1. Marina JON sagt:

    Große Frage und Bitte, wir würden gerne auf der Station unsere Konzepte in großen Bilderrahmen ausstellen, die Basale Stimmulation, die du bei uns geschult wurde.
    Hätten Sie vielleicht ein großes Plakat, Banner oder ähnliches ( Masse 70x100cm), kann auch kleiner sein, das sind die Masse vom Bilderrahmen, mit dem Konzeptsystem, im Bereich Körperpflege? Das wäre sehr toll!
    DANKE
    LG Marina
    STLP JON Marina

    Wiener Gesundheitsverbund
    Pflege Leopoldstadt
    WB Riesenrad
    1020 Wien, Engerthstraße 154
    Tel.: +43 1 245 45-2225
    marina.jon@gesundheitsverbund.at

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