Ergotherapie bei Demenz
Neben den stationären oder ambulanten Aktivierungs- und Beschäftigungsangeboten für Menschen mit Demenz, wird von Hausärzten und Neurologen auch Ergotherapie bei Demenz verordnet.
Die Ergotherapie umfasst ein breites Spektrum an Behandlungsmöglichkeiten bei Demenz. Leider kann die Erkrankung auch im Rahmen der Ergotherapie nicht geheilt werden, das Fortschreiten der Erkrankung kann aber in vielen Fällen verlangsamt und vorhandene Fähigkeiten länger erhalten werden.
Ergotherapie zuhause und stationär
Generell ist das übergeordnete Ziel in vielen ergotherapeutischen Behandlungen bei Demenz, die größtmögliche Selbstständigkeit der Betroffenen zu erhalten. Das gilt einerseits im häuslichen Bereich bei der Verrichtung alltäglicher Dinge, andererseits aber auch in der stationären Altenpflege, wo beispielsweise das selbstständige Anziehen (oft auch mit Unterstützung), Waschen oder Essen trainiert wird. Neben dem Erhalt der Selbstständigkeit und einem positiven Selbstwertgefühl für die Patienten, sind auch viele Pflegekräfte dankbar, dass ihnen dadurch ein Teil ihrer Arbeit abgenommen wird und die Patienten länger selbstständig bei der alltäglichen Pflege mithelfen können.
Im Rahmen der Selbstständigkeit, vor allem im Verlauf der Erkrankung stehen auch die Bewegungsfähigkeit, das Gedächtnistraining, die Körperwahrnehmung und Entspannungsmöglichkeiten im Mittelpunkt der individuellen Ergotherapie. Auf die Ziele gehen wir später in diesem Beitrag noch einmal detaillierter ein.
Unser Beitrag zur Ergotherapie
Auf mal-alt-werden.de sind viele Beiträge mit Aktivierungen und Beschäftigungsangeboten für Menschen mit Demenz erschienen. Viele davon können auch im Rahmen der Ergotherapie für Demenz eingesetzt werden. Ob Arbeitsblätter im Gedächtnistraining, Ideen für kreative Bewegungsübungen oder Geschichten und Gedichte zum Vorlesen in Entspannungseinheiten, die Möglichkeiten sind vielfältig und unser Angebot wächst täglich. Besonders beliebt sind in dem Zusammenhang natürlich unsere Beiträge zum Thema Hauswirtschaft, da in diesem Bereich viele ergotherapeutische Ziele in einer meist angenehmen Atmosphäre verfolgt werden können.
Zum Thema Ergotherapie bei Demenz können wir Ihnen auch ein Buch an Herz legen, das sich mit der häuslichen Ergotherapie bei Demenz befasst. Alle unsere Buchvorstellungen rund um das Thema Demenz finden Sie hier.
Ergotherapie bei Demenz
Grundätzlich werden die Ziele der ergotherapeutischen Behandlung gemeinsam mit dem Patienten festgelegt und auf die individuellen Einschränkungen und Ressourcen abgestimmt. Im Rahmen einer Demenzerkrankung gibt es aber einige Ziele, die es schon alleine aufgrund des Krankheitsbildes und der Symptome früher oder später im Mittelpunkt stehen. Selbstverständlich werden diese dann nochmal individuell konkretisiert.
In folgender Tabelle haben wir zehn Ziele einer ergotherapeutischen Behandlung mit Beispielen für entsprechende Behandlungsmaßnahmen bei Demenz in einer Übersicht für Sie zusammengestellt:
- Bewegung
Die Bewegungsfähigkeit erhalten und Bewegungen anzuregen sind zwei wesentliche Ziele bei der Behandlung von Menschen mit Demenz. Menschen mit Demenz sind ständig in Bewegung, laufen, nesteln und kramen in Taschen etc… Durch die Bewegung regen sie ihre Körperwahrnehmung an, so können sie sich besser spüren. Ziel der Ergotherapie ist es, die Körperwahrnehmung durch äußere Reize und Bewegungen anzuregen, so dass beispielsweise schnelles, ständiges auf- und ab gehen vermindert wird. Im Anfansgstadium können das Bewegungsspiele, gymnastische Übungen, Bewegungen zur Musik oder Bewegungsgeschichten sein. Im fortgeschrittenen Stadium gibt es die Möglichkeit, die Bewegungen der Patienten zu führen, z.B. durch Unterstützung der Hand/des Armes beim Essen oder bei Übungen mit dem Ball. Weiter kann die Körperwahrnehmung mit Hilfsmitteln, wie z.B. einem Schwamm, Kirschkernsäckchen oder dem Igelball angeregt werden (s. Körperwahrnehmung). - Gedächtnistraining
Im Anfangsstadium können mit Gedächtnisübungen, handwerklichen und/oder gestalterischen Aufgaben und Arbeitsblättern die Aufmerksamkeit, Konzentration und die Fähigkeiten des Kurzzeitgedächtnisses erhalten werden. Im fortgeschrittenen Stadium einer Demenzerkrankung nehmen diese Fähigkeiten allerdings zusehends ab. Hier kann das Langzeitgedächtnis mit Hilfe der Biografiearbeit, bekannten Redensarten, Liedern von früher oder Gedichten trainiert werden. Generell gilt es aber auch hier, den Patienten nicht zu überfordern. - Körperwahrnehmung
Die Fähigkeiten, den eigenen Körper in seinen Bewegungen und Grenzen zu spüren, nehmen im Verlauf einer Demenzerkrankung ab. Wie oben schon angesprochen helfen aktive und passive Bewegungen innerhalb der Ergotherapie, die Körperwahrnehmung zu unterstützen. Unterstützen kann man die Betroffenen, besonders im fortgeschrittenen und im Endstadium, zusätzlich mit Sinnensanregungen durch Berührungen und Massagen mit dem Igelball, Kirschkernsäckchen, Schwämmen, Bürsten oder verschiedenen Stoffen. Düfte, Musik, Geräusche und Farben regen den Geruchs-, den Hör- und den Sehsinn an. Rapsbäder (für die Hand) regen das Temperaturempfinden an, sorgen zusätzlich für Entspannnung und regulieren den Muskeltonus. - Raumgestaltung
Bei der Raumgestaltung wird zwischen der Wohnraumgestaltung (oder auch -anpassung) im häuslichen Bereich und der Raumgestaltung im stationären Bereich unterschieden. Leben die Patienten noch zuhause, ist es wichtig Stolperfallen zu beseitigen, wichtige Dinge des Alltags übersichtlich, am richtigen Ort und in greifbarer Nähe zu positionieren. Das Kaffeepulver und das Filterpapier können beispielsweise unmittelbar neben der Kaffeemaschine stehen, das Waschpulver auf der Waschmaschine, Dinge fürs Frühstück in einem Schrank oder direkt auf dem Küchentisch. Mit Feuerzeugen, Gasherden sollte so umgegangen werden, dass sie keine Gefährdung darstellen. Schlüssel können beispielsweise an ein Schlüsselbrett auf Augenhöhe neben die Tür gehängt werden, so dass sie beim Hinausgehen auf sich aufmerksam machen. Generell sollten die Dinge des täglichen Gebrauchs sichtbar irgendwo stehen, damit sie von den Erkrankten wahrgenommen werden können. Bei einer Demenzerkrankung gilt häufig “Aus den Augen – aus dem Sinn”. Oft hilft es auch, Schränke einfach ihrem Inhalt nach zu beschriften.
Generell sollen die Betroffenen sich wohl fühlen und in einer für sie angenehmen Atmosphäre leben.
Das gilt ganz besonders auch im stationären Bereich. Hier sind die Menschen erst einmal fremd. Eine fremde Umgebung mit einer großen Portion Unsicherheit alleine aufgrund der Abbauprozesse durch die Erkrankung können Angst und Unruhe auslösen. Die Patienten- oder Bewohnerzimmer sollten wenn möglich mit einigen vertrauten Möbeln und Elementen von zuhause (z.B. Bildern, Tischdecken, Dekorationsartikeln, Lampen…) ausgestattet sein. Der Fußboden in den Einrichtungen sollte einfarbig, eben und nicht zu dunkel sein, andererseits das Licht aber auch nicht spiegeln. Durch diese Kleinigkeiten können Gangunsicherheiten und Stürze vermieden werden. Selbstständiges, angstfreies Gehen fördert widerum die Selbstständigkeit, die Beweglichkeit, die Freude an Bewegung und somit auch das Wohlbefinden. Bilder mit anregenden, biografieorientierten Motiven sollten als Blickfang die Wände schmücken, es sollten aber auch nicht zu viele sein sonst kommt es schnell zu Reizüberflutung und Unruhe. - Erhalt der Aktivitäten des täglichen Lebens
Die Aktivitäten des täglichen Lebens (ADL) sollten von den an Demenz erkrankten Menschen so lange wie möglich selbst ausgeführt werden können. Das geht vom selbstständigen Einkaufen, über das Waschen und Anziehen, Kochen, bis hin zum Zähne putzen oder Apfel schälen. In der Ergotherapie ist es möglich, die Patienten bei den Aktivitäten direkt zu unterstützen, wie beim Wasch-und Anziehtraining, beim Esstraining oder beim gemeinsamen Einkaufen.
Gerade im häuslichen Bereich eignen sich aber auch Zettel mit Beschreibungen von üblichen Abläufen, die in der Nähe der “Wirkungsstätte” aufgehangen werden. Ein Zettel am Küchenschrank über der Kaffeemaschine mit dem kleinschrittigen Ablauf des Kaffee kochens kann kleine Wunder bewirken und die Lebensqualität der Patienten erheblich verbessern (wer von uns kennt das Gefühl morgens nicht, wenn man auf seinen Kaffee verzichten musste ;-)).
Zettel am Spiegel im Badezimmer oder an der Innenseite der Wohnungstür werden üblicherweise auch gut gesehen. Im späteren Stadium sollte man die an Demenz erkrankten Menschen immer wieder anregen und unterstützen, kleine Dinge, die sie noch können, selbst zu machen – z.B. einen Apfel schälen, sich die Hände waschen, Essen aufpieksen und zum Mund führen, Zähne putzen, aus einer Tasse trinken, Teig kneten, und, und, und. Natürlich nur soweit, dass die Tätigkeiten nicht zu anstrengend und frustrierend sind.
Telefone gibt es heutzutage mit Kurzwahltasten, die im besten Fall noch mit Fotos derjenigen, deren Nummer auf der entsprechende Taste abgelegt ist, bestückt werden können. - Orientierung
Hier geht es hauptsächlich um die örtliche, räumliche und zeitliche Orientierung. Das Orientierungstraining wird meist im Anfangsstadium durchgeführt. In späteren Stadien verunsichert es die Patienten eher. Dennoch kann man einige Dinge unternehmen, die es den Patienten erleichtern, sich räumlich und zeitlich zu orientieren.
Der Inhalt von Schränken kann übersichtlich auf einen Zettel geschrieben und dieser an die ensprechende Schranktür gehängt werden. Uhren gibt es für Menschen mit Demenz mit großen Zahlen und Zeigern, teilweise auch mit akustischen Signalen zur vollen Stunde oder auf Knopfdruck – hier muss man aber gut abwägen, ob diese Funktionen sinnvoll sind oder eher verunsichern. Digitale Kalender mit Datum, Tag und Uhrzeit in Großschrift werden auch oft im häuslichen Bereich verwendet. Zusätzlich können Termine von vertrauten Angehörigen sprachlich aufgenommen werden.
Im stationären Bereich können unterschiedliche Flure auf verschiedenen Ebenen farblich gekennzeichnet werden. Persönliche Gegenstände an Zimmertüren oder der gut lesbare Name ist auch immer eine schöne Idee. Allerdings funktionieren diese Dinge auch nur bis zu einem bestimmten Erkrankungsgrad - Entspannung
Unruhe, Angst und Unsicherheit erhöhen den Muskeltonus. Dies widerum wirkt sich negativ auf die Arbeit der Gehirnzellen aus. Enstpannungsangebote wie Progressive Muskelentspannung, Autogenes Training oder einfach nur ruhige Momente in angenehmer Umgebung mit vertrauter Musik senken den Muskeltonus und sorgen für mehr Wohlbefinden. Bekannte Lieder oder Gedichte eignen sich auch hervorragend für Entspannungsmomente. - Sturzprophylaxe
Eine der wichtigsten Maßnahmen bei der Behandlung von Menschen mit Demenz. Immobilität mit verbundener Reizarmut, und da reicht auch oft schon ein kurzer Zeitraum, führen oft zu einem Fortschreiten der Erkrankung und zum Abbau der kognitiven Leistungen. Wichtig für die Sturzprophylaxe sind regelmäßige Bewegung, Kräftigungsübungen, Koordinations- und Gleichgewichtsübungen. Besonders wichtig ist hierbei die Regelmäßigkeit und Selbstverständlichkeit der Bewegung (-sübungen), damit Faktoren wie Angst, die die Gangsicherheit negativ beeinflussen, gar nicht erst aufkommen. Alle Übungen werden natürlich nur im Rahmen der Sicherheit der Betroffenen und der Fähigkeiten durchgeführt, wenn nötig mit Hilfestellungen. - Kommunikation
Angefangen mit Wortfindungsstörungen, über Sprach- und Sprechstörungen, bis hin zur Unfähigkeit, über das Sprechen mit anderen Menschen zu Kommunizieren, eine Demenzerkrankung bringt unweigerlich auch Einschränkungen in der Kommunikation mit sich. Im Rahmen der Ergotherapie werden alternative Kommunikationsmöglichkeiten, sofern möglich, eingeübt und im Verlauf der Erkrankung viel auf der nonverbalen Ebene kommuniziert. So erfahren die Patienten Wertschätzung und können sich trotz Sprachstörungen ausdrücken. Das Gefühl, Verständnis entgegengebracht zu bekommen beruhigt viele Betroffene, die Frustrationstoleranz ist erheblich höher.
Durch gemeinsames Singen, Gedichte aufsagen oder Redewendungen vervollständigen kann man Menschen mit Demenz gut zum Sprechen animieren. Die Lieder und Gedichte von früher sind fest im Langzeitgedächtnis verankert, und können deshalb noch lange gut abgerufen werden. Diese Erfolgserlebnisse sind in vielen Einheiten der Ergotherapie bei Demenz ein Lichtblick für alle Betroffenen. - Angehörigenarbeit
Die Angehörigenarbeit in der Ergotherapie ist hier als letzter Punkt aufgeführt, ist aber dennoch, besonders in der häuslichen Ergotherapie bei Demenz ein sehr wichtiger Bereich. Pflegende Angehörige wissen zu Beginn einer Demenzerkrankung nicht, was auf sie zukommt, oder woher die Veränderungen ihrer Partner, Eltern oder Geschwister kommen und wie sie damit umgehen sollen. Es herrscht viel Unsicherheit. Innerhalb der Therapie für die Betroffenen werden von den Ergotherapeuten auch die Angehörigen begleitet (sofern sie es wünschen). Zudem beraten sie über eine Wohnraumanpassung, die Hilfsmittelversorgung und klären über Rechte und Unterstützungen auf, die ihnen als pflegende Angehörige zustehen.
Im fortgeschrittenen Stadium wird die Ergotherapie für die Angehörigen häufig als Entlastung gesehen, da sie die Möglichkeit haben, während der Therapieeinheit das Haus zu verlassen, in Ruhe Wäsche zu waschen, zu kochen oder einfach für einen Augenblick abzuschalten…
Therapien bei Demenz und neue Materialien
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