Unsere Adventskalendergeschichte 2022: 15. Dezember – Ganz besondere Lichterbögen

Am nächsten Morgen scheint die Sonne im Engeldorf. Der Schnee auf den Wegen ist geschmolzen. Auf den Dächern liegt noch eine ganz dünne Schicht. Und auch auf den Zweigen der Bäume, die ganz oben stehen, sieht man noch einen Hauch Schnee in der Sonne funkeln. Die Engel im Engeldorf sind in Ruhe in den Tag gestartet. Erich hat frische Hörnchen für alle gebacken. Er hat gestern fast den ganzen Tag geschlafen. Das tat ihm sehr gut. Er war ziemlich überrascht, als er in seine Backstube kam und die vielen Schokoladenfiguren gesehen hat, die auf den Tischen und Regalen standen. Für einen Augenblick stand er ganz still. Lediglich sein Kopf und seine Augen bewegten sich durch den Raum und betrachteten die vielen kleinen Kunstwerke.

Er war zutiefst gerührt und erleichtert, dass nun auch diese Aufgabe erledigt war. Und dass er so großartige und talentierte Helfer hatte. Mit Emily dabei und den beiden neuen Schokoladengieß-Talenten würde das im nächsten Jahr eine Freude sein, die Schokoladenfiguren herzustellen. Bis dahin war es aber ja noch ein wenig Zeit …
Die Engel haben morgens gemeinsam draußen gefrühstückt. Die Hörnchen schmeckten köstlich. Dazu gab es heiße Schokolade. Sogar Emil und Egon waren schon wieder so weit, dass ihnen die heiße Schokolade schmeckte. Obwohl es gestern ein durchaus schokoladiger Tag gewesen war.
Nach dem Frühstück geht nun alles seinen gewohnten Gang. Elise schaut nach Emmi und Ilias und gibt Emmi frisches Futter. Danach nimmt sie die Eselin für einen kurzen Spaziergang mit nach draußen. Die frische Luft und die Bewegung werden ihr guttun.
Sie kommen an der Werkstatt vorbei. Emma sitzt draußen und schleift Holz. Vor der Tür liegen riesengroße Spanplatten. Noch unberührt. Was sie aber in ihren Händen hält, gleicht einem Kunstwerk. Einem wunderschönen, sehr filigranen Kunstwerk. Elise kann einen runden Bogen erkennen, unter den Bäume, eine Futterkrippe und zwei Rehe hineingesägt worden sind. In dieser Waldszene spielen außerdem drei Eichhörnchen. Emma schleift die Kanten mit Schleifpapier und schmirgelt die Oberfläche glatt. Emmi und Elise stehen fasziniert daneben.
„Was machst du …?“, fragt Emmi verblüfft. Emma lächelt: „Einen Lichterbogen.“. Sie hält den Bogen hoch. Die Sonne scheint durch die Ritzen. Ganz kleine Löcher, die fein ausgesägt worden sind, lassen das helle, warm strahlende Sonnenlicht hindurchscheinen.



Die sind für die Fenster. Emmi hält den Kopf schief. Emma spürt, dass der Eselin die Vorstellungskraft für das fehlt, was sie vorhat.
„Pass auf“, sagt sie und steht auf. „Ich zeige es dir.“ Sie hält den Bogen mit den fein ausgeschnittenen Formen in die Luft. Das Bild sieht wunderschön aus. Emma nimmt eine Spanplatte von den Abfällen aus einer Kiste und hält sie unter den Bogen. „Der Bogen wird auf eine Platte gesteckt, damit der nicht umfällt. Oben kommen noch Halterungen für Kerzen drauf. Die drechsle ich. Das kann ich euch gleich noch zeigen, wie das funktioniert.“

Emmi nickt. Sie scheint eine Vorstellung von dem zu haben, was Emma gerade erklärt hat. Elise steht daneben und lächelt. Sie bewundert Emmis Aufmerksamkeit für die kleinen, besonderen Dinge. Und sie ist beeindruckt von Emmas Geduld, ihr Tun so ausführlich zu erklären. Überhaupt davon, wie gut Emma mit Sägen und Holz umgehen kann. Es ist ihr ein Rätsel, wie Emma so kleine Figuren aus dem Holz aussägen kann. Emma hat ihr das im vergangenen Jahr einmal gezeigt. Sie weiß, wie das geht. Und sie durfte das Sägen sogar ausprobieren. Bis sie aber so weit ist, dass sie Kunstwerke wie Emma erstellen kann, würde sie wohl viel Übung brauchen. Sie weiß, wie viel Arbeit und wie viel Zeit das für Emma bedeutet.

Sie beobachtet Emma. Der kleine Engel sitzt auf der Treppe vor der Werkstatt und schleift weiter fleißig vor sich hin. Zwischendurch hält sie den Bogen hoch, dreht ihn im Sonnenlicht und schleift dann die ein oder andere Stelle noch einmal nach. Solange, bis sie ganz zufrieden ist.
Sie guckt Emmi an: „Dann suchen wir uns mal eine Platte, auf die wir unser Kunstwerk stecken können“ und steht voller Tatendrang auf. Sie geht in die Werkstatt. Emmi folgt ihr. Die Türen und Räume sind glücklicherweise so groß, dass die Eselin problemlos hindurch passt.
In den Räumen duftet es nach frischem Holz, Leinöl und auch ein bisschen Holzleim. Emma sucht sich eine Platte aus und schneidet sie mit einer Bandsäge zu. Sie sieht sehr geschickt aus in dem, was sie tut. Wie durch Butter gleitet die Säge durch das Brett. „Das müssen wir gleich auch noch schmirgeln.“ Sie sieht sich einen Augenblick um. „Jetzt zeige ich euch aber erst einmal das Drechseln.“ Sie zeigt auf die Drechselbank.
„Also, das Holz spanne ich hier ein. Wenn ich hier drauf drücke …“, sie zeigt auf einen Knopf, „beginnt das Holz sich zu drehen. Und dann kann ich mit diesem Dreheisen …“, auch das hält sie hoch. „Das Holz in eine runde Form schneiden und verzieren.“ Emma zeigt ihnen ein fertiges Teil, das wohl zu einem Geländer gehört. Beide, sowohl Emmi als auch Elise, sind fasziniert von Emmas Kunstwerken. Und davon, wie leicht es ihr von der Hand zu gehen scheint. Emma scheint ihre Gedanken spüren zu können. „Da habe ich lange für geübt. Ihr könnt demnächst aber gerne einmal vorbeikommen und was mit mir zusammen ausprobieren. Bis Weihnachten bin ich allerdings noch mit den Lichterbögen beschäftigt.“ Sie zwinkert Elise zu.

Elise guckt Emmi an und lächelt Emma zu. „Darauf werden wir gerne zurückkommen. Danke.“ Dann sagt sie zu Emmi: „Und wir beide gehen jetzt noch mal eine Runde in den Wald. Die Luft ist herrlich frisch und ein bisschen Bewegung tut uns gut. Und wir halten Emma nicht mehr von der Arbeit ab.“
„Ach was, eine Pause zwischendrin tut mir auch gut. Ich habe mich über euren Besuch gefreut!“ Sie winkt den beiden hinterher und beobachtet noch einen Moment lang, wie Emmi und Elise in den Wald hineingehen und irgendwann zwischen den Bäumen verschwunden sind. Dann setzt sie sich mit einem zufriedenen Lächeln wieder auf ihrer Treppe und schmirgelt in aller Ruhe die Kanten des vorhin zugeschnittenen Bretts.

 

 

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Unsere Adventskalendergeschichte 2022: 1. Dezember – Die Vorbereitungen beginnen

Unsere Adventskalendergeschichte 2022: 2. Dezember – In der Backstube

Unsere Adventskalendergeschichte 2022: 3. Dezember – Das Wunder der Musik

Unsere Adventskalendergeschichte 2022: 4. Dezember – Zweiter Advent

Unsere Adventskalendergeschichte 2022: 5. Dezember – Holzsuche im Wald

Unsere Adventskalendergeschichte 2022: 6. Dezember – Der Nikolaus kommt zum Frühstück

Unsere Adventskalendergeschichte 2022: 7. Dezember – Die verschwundene Lichterkette

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Unsere Adventskalendergeschichte 2022: 13. Dezember – Die ersten Schneeflocken

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Annika

© by Annika Schneider. Staatlich examinierte Ergotherapeutin, Chefredakteurin von Mal-alt-werden.de. Bücher von Annika Schneider finden Sie hier.

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