Merle kann nicht einschlafen. Eine Liedergeschichte zu “Weißt du, wie viel Sternlein stehen”

In dieser Liedergeschichte für Senioren geht es um eine schlaflose, aber wunderschöne sternenklare Nacht, in der wertvolle Erinnerungen aufkommen. Lesen Sie den Text der Liedergeschichte vor und singen Sie an den entsprechenden Stellen zusammen die angegebene Strophe des Volksliedes “Weißt du, wie viel Sternlein stehen”.



Merle kann nicht einschlafen. Eine Liedergeschichte zu “Weißt du, wie viel Sternlein stehen”

Merle lag in ihrem Bett und starrte an die Zimmerdecke. Sie war wach. So wach hatte sie sich schon lange nicht mehr gefühlt. Ihr Blick wanderte zum Wecker, der auf dem Nachttisch links neben ihr stand. Es war fast Mitternacht. Merle atmete tief. Wenn es nicht dunkel gewesen wäre, hätte man sehen können, dass sie verzweifelt die Augen verdrehte.
Durch das Fenster schien Mondlicht, das silberne Schatten an die Wände zauberte. Es war eine sternenklare Nacht. Die Sterne funkelten von einem friedlichen Nachthimmel. Merle sah sich das Lichtspiel lange an. Die kleinen Lichter, die sich gleichzeitig so nah anfühlten und doch so unnahbar waren, hatten sie schon immer sehr beeindruckt.
Merle seufzte. Sie erschrak – der Seufzer war lauter gewesen als sie gedacht hatte. Sie schaute nach rechts. Ihr Mann schlief glücklicherweise weiter tief und fest.
Für einen kurzen Augenblick erleichtert drehte sie den Kopf wieder und schaute an die Zimmerdecke. Sie überlegte. Schäfchen zählen hatte ihr noch nie beim Einschlafen geholfen. Wolken zählen auch nicht. Im Moment standen auch keine am Himmel, die sie hätte zählen können. Es war aber auch zum Mäusemelken!

Weißt du, wie viel Sternlein stehen
An dem blauen Himmelszelt?
Weißt du, wie viel Wolken gehen
Weithin über alle Welt?
Gott, der Herr, hat sie gezählet
Dass ihm auch nicht eines fehlet
An der ganzen großen Zahl
An der ganzen großen Zahl

Merle fiel ein, dass ihre Freundin Nele früher immer “Das ist zum Mäusemelken” gesagt hatte. Die hatte den Ausdruck wiederum von ihrer Oma und fand ihn eine Zeit lang so spannend, dass sie ihn tagelang immer und immer wiederholt hat. Merle schmunzelte bei dieser Erinnerung.
Sie schob die Bettdecke vorsichtig beiseite, stand leise auf und ging zum Fenster. Ihr Blick schweifte über den Garten, über dem die Sterne funkelten. Es war ein wunderschöner Anblick.
Mäuse waren Neles Lieblingstiere gewesen. Die beiden waren in den Sommerferien mal für eine Woche auf einem Bauernhof gewesen, auf dem bestimmt zwei Dutzend Mäuse lebten. Merle erinnerte sich, dass Nele die einzige gewesen war, die die Mäuse niedlich fand und stets versucht hatte, eins der kleinen Tierchen einzufangen und zu streicheln. Alle anderen Kinder machten eher einen großen Bogen um die Hofbewohner.
Merle erinnert sich an einen kleinen See in der Nähe des Bauernhofes, an dem Sie spielen durften. Sie ließen Steine auf dem Wasser hüpfen und beobachteten Libellen und kleine Fische, die ihr Leben in der friedlichen Natur genossen. Einmal haben sie sogar versucht, mit Stöcken und langen Schnüren zu angeln. Merle lächelte. Gefangen haben sie natürlich nichts. Aber sie hatten einen wunderschönen Nachmittag, an den sie sich bis heute gerne und ganz genau zurückerinnert. Auch an die unzähligen Mückenstiche, die sie mit nach Hause nahmen, die sie als Kinder aber natürlich wenig störten.
Merle sah sehnsuchtsvoll in den Garten. Sie war glücklich und spürte eine große Dankbarkeit für diese Erlebnisse in ihrem Leben.

Weißt du, wie viel Mücklein spielen
In der heißen Sonnenglut?
Wie viel Fischlein auch sich kühlen
In der hellen Wasserflut?
Gott, der Herr, rief sie mit Namen
Dass sie all’ ins Leben kamen
Dass sie nun so fröhlich sind
Dass sie nun so fröhlich sind

Merle dachte an Nele und dass sie sich schon lange nicht mehr auf einen Kaffee getroffen hatten. Sie schaute nochmal auf die Uhr. Es war mittlerweile schon halb eins. Das Aufstehen am Morgen würde ihr schwerfallen. Sofern sie überhaupt nochmal einschlafen würde. Sie sah sich den silbernen Mond an und die Lichtspiele, die er in den Garten zauberte. Ihre Freundin Nele war immer Frühaufsteherin gewesen. Egal, wie spät sie ins Bett gegangen war, Nele war morgens zwischen halb sechs und sechs auf den Beinen. Merle schmunzelte bei den Erinnerungen an ihre quirlige Freundin. Das schöne ist, dass Nele bis heute tief in ihrem Innern so geblieben ist und vor Energie sprudelte. Es war ein Geschenk, mit Nele befreundet zu sein und ihr Wesen miterleben zu dürfen.

Weißt du, wie viel Kinder frühe
Steh‘n aus ihrem Bettchen auf
Dass sie ohne Sorg‘ und Mühe
Fröhlich sind im Tageslauf?
Gott im Himmel hat an allen
Seine Lust, sein Wohlgefallen
Kennt auch dich und hat dich lieb
Kennt auch dich und hat dich lieb



Merle seufzte noch einmal. Plötzlich vernahm sie ein Geräusch hinter sich. Sie drehte sich um. Ihr Mann stand hinter ihr und legte seine Hand auf ihren Rücken. “Womit sind wir denn beschäftigt, dass wir nicht schlafen können?”, fragte er liebevoll. Merle drehte sich um. Er hielt ihr eine Tasse Tee hin. Sie lächelte dankbar. “Kräutertee”, sagte er, “zum Müde werden”.
“Danke. Ich weiß nicht, ob ich je wieder werde schlafen können…” Merle versuchte einen bemitleidenswerten Schmollmund zu ziehen. Ihr Mann grinste. Er liebte diesen Schmollmund.
“Na, ich würde an deiner Stelle gleich mal wieder ins Bett gehen. Nele hat gestern Abend noch angerufen, sie möchte mal wieder einen Kaffee mit dir trinken. Dafür solltest du ausgeschlafen sein.” Er zwinkerte ihr zu. Merle strahlte. “Weißt du, dass ich gerade noch an sie gedacht habe? An das frühe Aufstehen und das Mäusemelken?” Sie war überglücklich. Während sie von ihren Erinnerungen erzählte, schob ihr Mann sie langsam in Richtung Bett. Sie legten sich hin und sie erzählte noch ein wenig von den Ferien auf dem Bauernhof, während sie in seinem Arm lag. Dann… schlief sie irgendwann voller Vorfreude auf das Wiedersehen mit Nele ein…

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Annika

© by Annika Schneider. Staatlich examinierte Ergotherapeutin, Chefredakteurin von Mal-alt-werden.de. Bücher von Annika Schneider finden Sie hier.

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