Muschelperle. Eine Minuten-Vorlesegeschichte für Senioren

Als ich noch ein kleines Mädchen war, habe ich ganz in der Nähe der Nordsee gewohnt. Mein Vater erzählte uns abends am Kamin gerne Geschichten. Manchmal stimmten die Geschichten. Manchmal stimmten die Geschichten nicht. Wir Kinder wussten das nie so genau. Nach der Geschichte mussten wir Kinder ins Bett gehen. Meine Eltern gingen an manchen Abenden noch aus. Wenn meine Mutter und mein Vater abends ausgingen, legte meine Mutter oft ihre schöne Perlenkette um.



Die Kette glänzte und meine Augen funkelten, wenn ich sie sah. “Wenn du mal heiratest, dann kannst du die Kette tragen!” sagte meine Mutter. Nur aus diesem Grund, sehnte ich schon mit 8 Jahren den Tag meiner Vermählung herbei. Um die Kette tragen zu können. Der Mann war mir egal.

An einem besonders stürmischen Abend hatten wir uns als Familie mal wieder vor dem Kamin versammelt. Meine Ohren spitzten sich, als mein Vater seine Geschichte mit den Worten “Ihr kennt doch die Perlenkette eurer Mutter…” begann. “Die Perlen für diese Kette, stammen nicht etwa aus der Südsee. Nein: Ich habe diese Perlen selbst am Strand der Nordsee gefunden.” In einigen Miesmuscheln, so sagte er, habe er die Perlen entdeckt. Bis zu diesem Tag hätte kein Wissenschaftler gewusst, dass Miesmuscheln auch Perlen produzieren können. Leider hätte es auch nach diesem Tag nie wieder einen solchen Fund gegeben.

Die Geschichte ließ mich nicht los. Jede freie Minute, die ich hatte, verbrachte ich am Strand. Ich suchte Miesmuscheln und Miesmuscheln und Miesmuscheln. Es musste doch noch mehr Miesmuscheln, mit solch wunderbaren Perlen geben. Jeden Tag fuhr ich mit dem Fahrrad an den Strand und suchte. Nach einem halben Jahr suchte ich immer noch. Jeden Tag.

Dann kam der Tag, an dem mein Vater morgens sagte: “So, ich hab da so ein Gefühl. Ich hab da so ein Gefühl, dass heute ein guter Tag zum Perlen suchen ist. Darf ich die heute bei deiner Suche nach Miesmuschelperlen begleiten?” Ich nickte begeistert. Wenn mein Vater ein gutes Gefühl hatte, dann hatte ich auch ein gutes Gefühl.

Am Strand angekommen, fiel mir gleich ein ungewöhnlich großer Haufen mit Miesmuscheln auf. Die Miesmuscheln sahen alle aus wie schon einmal geöffnet und wieder zusammengefügt. Muschelfleisch hatte keine mehr von Ihnen.

“Oh ja! So war es damals auch bei den Perlenmiesmuscheln,” erinnerte sich mein Vater.



“Ich vermute, dass die Möwen merken, dass diese Miesmuscheln etwas Besonderes sind und sie deswegen zu Haufen aufstapeln. Das Muschelfleisch essen sie natürlich trotzdem.” erklärte mein Vater.

Mein Ehrgeiz war geweckt. Ich öffnete jede Muschel. Eine nach der anderen. In einer nach der anderen, war keine Perle zu sehen. Bis, ja bis ich bei der letzten kleinen Miesmuschel angekommen war. Da lag eine Perle in der Miesmuschel. Eine wunderschöne, glänzende Perle.

Ich war glücklich, überglücklich. Die Perle wurde mein ständiger Begleiter. Und noch heute trage ich sie stets bei mir.

Jahre später, als ich an meiner Hochzeit die Perlenkette meiner Mutter trug, entdeckte ich etwas. Am Verschluss der Perlenketten fehlte eine kleine Perle. Was damit wohl passiert war?

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Natali

© by Natali Mallek. Dipl. Sozialpädagogin/ Sozialarbeiterin, Gedächtnistraininerin, Master of Arts "Alternde Gesellschaften", Gründerin von Mal-alt-werden.de. Bücher von Natali Mallek finden Sie hier. Fortbildungen mit Natali Mallek finden Sie hier.

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Eine Antwort

  1. Gisela Strom sagt:

    Liebe Frau Mallek, mit großem Interesse schaue ich immer wieder in Ihre Beiträge zu den verschiedensten Themen und einiges davon habe ich bereits in der Praxis ausprobieren können. Ich begleite einmal in der Woche eine an Alzheimer erkrankte Dame für 2 Stunden. Leider geht der geistige Abbau bei meiner Dame immer weiter und viele Ihrer Anregungen sind kaum noch durchführbar weil sie eine Überforderung sind. Ich würde mich freuen, wenn ab und zu mal eine Anregung dabei wäre die man mit stark an Alzheimer erkrankten Menschen machen könnte. Frau W. freut sich immer wenn ich komme und ihr etwas mitbringe was sie noch machen kann, das nimmt ihr kurzzeitig den Frust über das , was sie nicht mehr kann. Herzliche Grüße Gisela

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