Senioren tanzen…

Ein Interview mit Susanne Biermann vom Bundesverband Seniorentanz e.V.

Susanne-Biermann

Hallo Frau Biermann, stellen Sie sich doch bitte kurz vor.

Hallo, Frau Schneider, das mache ich gern:
Ich bin Susanne Biermann, Jahrgang 62, und wohne in Wesseling, zwischen Köln und Bonn. Ich bin zertifizierte Tanzleiterin für Seniorentanz und für Tanzen im Sitzen, Ausbildungsreferentin im Bundesverband Seniorentanz e.V. (BVST) und freue mich, dass ich gerade in meinem Amt als Landesvorsitzende NRW bestätigt wurde.

 

 

Was können wir uns unter Seniorentanz vorstellen?

Der Begriff „Seniorentanz“ ist nicht geschützt, daher kann ich nur erklären, was der BVST darunter versteht:
Bei uns beruht der Begriff generell auf dem Leitgedanken, dass alle gemeinsam in der Gruppe tanzen, wobei wir auf individuelle Befindlichkeiten und Voraussetzungen unserer Tänzerinnen und Tänzer eingehen. Das Tolle ist, dass man keinen Partner mitbringen muss und dennoch nicht allein für sich auf der Tanzfläche steht – klingt doch spannend oder?

Für mobile Seniorinnen und Senioren, die Zielgruppe, auf die ich mich jetzt in diesem Interview beziehen möchte, bieten Tänze u.a. aus der internationalen Folklore, dem Gesellschaftstanz, Line Dance, Kontratanz, Square- und Rounddance eine große Abwechslung. Die Tänze werden nach ihrer Zielgruppentauglichkeit ausgesucht und gegebenenfalls vereinfacht, um den körperlichen und geistigen Veränderungen des Alterns Rechnung zu tragen. Auch neu choreografierte Tänze gehören zum Repertoire des BVST, wie auch für diese Zielgruppe interessante anspruchsvolle Tänze im Sitzen.
Die Tänze werden mit einer speziellen Methodik von verbandsintern ausgebildeten Tanzleiterinnen und Tanzleitern vermittelt.

 

 

Wer kann beim Seniorentanz mitmachen? Muss man bestimmte Voraussetzungen mitbringen oder richtet sich das Angebot an alle, die Freude am Tanzen haben?

Ich denke, dass wir für jede Zielgruppe ein passendes Angebot machen können, je nach körperlicher und/oder geistiger Beweglichkeit. Natürlich passt nicht jede Person in jede Gruppe, doch bei über 800 Tanzgruppen in NRW hoffen wir doch, dass sich für jede/n ein Tanzangebot findet, in dem man sich wohlfühlen kann.
Seniorentanz auf der Fläche ist, wie schon erwähnt, partnerunabhängig, es gibt keine Führungsrolle und wir können auf eine geschlossene Tanzhaltung (wie man sie aus dem Gesellschaftstanz kennt) verzichten. Schnelle Drehungen und Sprünge kommen bei uns nicht vor, wir tanzen ohne Leistungsdruck und Perfektionsanspruch. Der Spaß, die Gemeinschaft, das Miteinander stehen an erster Stelle. Also: Alle können mitmachen!

 

 

Welche Wirkung hat das Tanzen auf Körper, Seele und Geist?

Durch die mehrfach wechselnden Aufstellungen wird die Raumorientierung beansprucht. Zu hören, was die Tanzleitung sagt, dieses schnell umzusetzen, gleichzeitig zu schauen, wohin es mit den nächsten Schritten geht, fördert die Reaktionsfähigkeit; unterschiedliche Schrittkombinationen und Figurenfolgen beanspruchen Koordination und Konzentration. Dass Tanzen generell ein hervorragendes Gehirntraining ist, weiß man nicht erst durch Eckhard von Hirschhausen.
Man schaut sich an, fasst sich an, lächelt sich an, tanzt eine Weile miteinander, um dann wieder eine neue Partnerin bzw. einen neuen Partner an die Hand zu bekommen. Gerade der häufige Partnerwechsel bei unserem Tanzangebot fördert den Austausch und die Kommunikation zwischen den Tänzerinnen/Tänzern und das Gemeinschaftsgefühl, dazu dann noch viele tänzerische Erfolgserlebnisse, Musik, die einen mitreißt und beschwingt, Lachen und Spaß – ganzheitlicher geht es kaum!

 

 

Wie läuft eine Einheit im Seniorentanz beispielhaft ab und was sind die Aufgaben der Tanzleiterin/des Tanzleiters?

Eine Tanzleitung wählt die Tänze so aus, dass diese die Gruppe weder unter- noch überfordern, und vermittelt diese Tänze so, dass schon nach kurzer Zeit gemeinsam getanzt werden kann. Eine spannende Auswahl innerhalb einer Einheit – meist 90 Minuten – in Bezug auf die verschiedenen Tanzformen, die ich eingangs erwähnt habe, und die Musik (Schlager, Folklore, Country, Gesellschaftstanzmusik…) sorgt für Abwechslung im Rhythmus, bei den Figuren und Schrittfolgen und der Aufstellung und Tanzrichtung. Je nach Anspruch kommen wir auf fünf bis zehn unterschiedliche Tänze in einer Tanzeinheit.

 

 

Im August bieten Sie in Dortmund den ersten Abschnitt der Ausbildung zur Seniorentanzleiterin/zum Seniorentanzleiter an.
Wie ist diese Ausbildung aufgebaut und was erwartet die Teilnehmer?

Wir beginnen mit einem Grundlehrgang, in dem zwölf exemplarische Tänze (also Kreistanz, Roundmixer, Gassentanz, Blocktanz, Israelischer Tanz, etc.) und mehrere Tänze im Sitzen unterschiedlicher Kategorien vorgestellt und erlernt werden. Es werden musikalische Grundlagen und Einblicke in die körperlichen Prozesse des Alterns vermittelt – Basiswissen für unsere Arbeit.
Das Lesen und selbstständige Erarbeiten von Tanzbeschreibungen ist genauso Thema wie natürlich die Methodik der Tanzvermittlung, also das „Wie bringe ich Menschen schnellstmöglich zum erfolgreichen Tanzerlebnis“.
Jeder kann an diesem Lehrgang teilnehmen, der volljährig ist. Sonstige Vorkenntnisse sind nicht erforderlich.
In Dortmund ist der Lehrgang auf zwei Wochenenden verteilt und wird ohne Übernachtung und Verpflegung angeboten. Für Berufstätige besonders attraktiv.
Anschließend besteht die Möglichkeit, weitere aufbauende Lehrgänge bis hin zum Zertifikatserwerb zu besuchen: Es käme dann als nächstes der Aufbaulehrgang I (AI), vorher wird Praxis gesammelt. 18 LE à 45 Minuten Hospitation, also Mittanzen in einer Seniorentanzgruppe, müssen nachgewiesen werden. Für die Teilnahme am AI ist dann auch erst die Mitgliedschaft im BVST e.V. erforderlich.

 

 

Können Sie uns vielleicht eine kurze Geschichte oder Anekdote erzählen, die verdeutlicht, was Sie im Seniorentanz erreichen können?

Was ich sicherlich erreiche, ist ein Verbesserung der Lebensqualität: Dadurch, dass sich jemandem, der sonst ziemlich einsam war, durch die Gruppe neue Kontakte erschließen. Häufig entstehen sogar Freundschaften und Initiativen zu weiteren gemeinsamen Aktivitäten. Auch dadurch, dass regelmäßige tänzerische Betätigung Kraft, Haltung und Beweglichkeit verbessert und dieses wiederum zu neuem Selbstvertrauen in die eigenen körperlichen Fähigkeiten führt. Oder einfach nur deshalb, weil die Musik, das Gespräch in der Gruppe, das Lachen und der gemeinsame Spaß die Stimmung hebt und dieses Gefühl noch ein bisschen in den Tag getragen werden kann.
Wenn mir eine Tänzerin, die sich gerade in einer bedrückenden oder beunruhigenden Lebenssituation befindet, am Ende der Stunde sagt: „Ich war so traurig heute Morgen, eigentlich wollte ich gar nicht kommen. Aber die letzten anderthalb Stunden habe ich alles vergessen, ich habe die Musik gehört, wurde angelächelt, habe zurückgelächelt und meine Seele konnte aufatmen.“, dann weiß ich, dass das, was ich mache, sinnvoll und gut ist.

 

 

Herzlichen Dank, Frau Biermann!!!

Immer gerne, Frau Schneider 🙂

 

 

 

Zur Internetseite: www.seniorentanz.de

 

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Annika

© by Annika Schneider. Staatlich examinierte Ergotherapeutin, Chefredakteurin von Mal-alt-werden.de. Bücher von Annika Schneider finden Sie hier.

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Eine Antwort

  1. Meer Claire sagt:

    Gruezi
    Schön, dass sie etwas über Tanzen berichten. Ich arbeite in der
    Schweiz in Zug einem Altersheim. Wir haben vor zwei Jahren angefangen
    mit einem Tanzcafe. Endlich nach zwei Jahren kommt es gut an bei
    den Senioren. Wir machen im Kreis Sitztänze, Kreistanz, Klatschtanz für die jenigen die sitzen. Ein Walzer mit einem Gartennetz mit Ballonen drin. Alle haben Riesen Spass und machen mit.
    Auch tanzen wir mit den Bewohner, aber es geht nur mit Marsch und
    wir halten die Bewohner an den Handgelenken. Mit Hilfe von ca.
    fünf Personen die mithelfen funktioniert das super. Wir haben jeweils bis zu 30 Personen die mitmachen. Einige Bewohner möchten nur
    die Musik hören und dabei sein. Auch mit Tüchern oder selber gebastelten Sachen, haben alle Riesen Spass. Einige Bewohner hatten am Anfang ,besonders die Männer, Hemmungen. Nun sind sie aber dabei. Wir musste einfach herausfinden, welche Musik kommt gut an.
    Alte Schlager, volkstümlich Musik usw. (vorwiegend Marsch.) Also viel Spass an dieser Fortbildung Sitztanz.
    Freundlichen Gruss aus Zug in der Schweiz
    Claire Meer

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