Fastenzeit – Eine kostenlose Alltagsgeschichte

Fastenzeit bedeutet nicht nur, auf Süßigkeiten oder ausgiebigen Konsum zu verzichten. Während der Fastenzeit sollten wir auch über unser alltägliches Leben nachdenken und es eventuell ändern. Für die Senioren haben wir eine kostenlose Geschichte zu diesem Thema eingestellt.

Fastenzeit

Ute war entsetzt: das schicke Karnevalskostüm, das ihr letztes Jahr noch so gut passte, war zu eng. Der Reißverschluss ließ sich partout nicht schließen, so sehr sie auch versuchte, ihren Bauch einzuziehen. Da half alles nichts, während der jetzt beginnenden kirchlichen Fastenzeit würde auch Ute fasten.

Sechs Wochen lang würde sie auf Kuchen und Kekse, Schokolade und Chips verzichten. Stattdessen gab es Gemüsesticks, Blattsalate und Obst. Und damit das Fett besser schmolz, verzichtete Ute jetzt nachmittags auch auf ihre geliebten Fernsehserien und machte stramme Spaziergänge durch den angrenzenden Park.

In der ersten Fastenwoche fiel Ute die Umstellung schwer. Zu verlockend waren die ausgestellten Schoko-Osterhasen an der Supermarktkasse. Doch Ute blieb stark und freute sich zu Hause, dass sie der Versuchung widerstanden hatte.

Auch der stramme Spaziergang fiel in der ersten Woche eher langsam aus. Ute entschuldigte sich bei sich selbst, dass sie doch die Schneeglöckchen und Krokusse im Park bewundern und daher öfter stehenbleiben müsse.

In der zweiten Woche lief Ute schon an den Blümchen vorbei, setzte sich aber auf halben Weg auf eine Bank. Hier konnte sie kurz verschnaufen und die Aussicht genießen. Eine ältere Frau mit Rollator fiel ihr dabei auf, die auch jeden Tag ihre Runde durch den Park drehte. Als die ältere Dame sich eines Tages zu Ute auf die Bank setzte, kamen die beiden ins Gespräch.

Die Dame erzählte, dass sie vor kurzem gestürzt und deswegen auf den Rollator angewiesen sei. Sie sei schon seit einigen Jahren Witwe und die erwachsenen Kinder würden weit weg wohnen. Sie wäre bisher gut alleine zu Hause klargekommen, war sie doch gelernte Hauswirtschafterin, doch seit dem Sturz fiel ihr Hausarbeit schwer. Auch käme sie nicht mehr so oft unter Leute und vermisse die Geselligkeit.

Nachdenklich ging Ute nach dem Gespräch nach Hause.

Am nächsten Tag traf Ute Frau Becker, so hieß die ältere Dame, wieder. Ute machte ihr den Vorschlag, ihr bei den schweren Haushaltstätigkeiten zu helfen und mit ihr einmal in der Woche zum Supermarkt zu fahren. Außerdem könnten sie doch auch gemeinsam durch den Park spazieren gehen und bei schlechtem Wetter ein Spiel spielen, zusammen handarbeiten oder ins Museum und ins Kino gehen.

Die ältere Dame war begeistert, wollte aber zunächst die angebotene Hilfe nicht annehmen. Sie könne Ute nicht für ihre Tätigkeit bezahlen, denn sie habe nur eine schmale Rente.

Doch Ute wollte keine Bezahlung. Sie entgegnete, dass ihr die Tätigkeit gut tun würde. So käme sie auch aus dem Haus und würde die Nachmittage nicht vor dem Fernseher verbringen. Außerdem könne ja Frau Becker für sie Mitkochen, während Ute den Haushalt mache. So würde sie gesund und in geselliger Runde essen und das wäre Bezahlung genug.

So wurden die beiden einig. Frau Becker hatte vor Rührung Tränen in den Augen und Ute fühlte sich mit der Entscheidung, etwas Gutes zu tun, statt vor dem Fernseher zu sitzen, sehr wohl.

Übrigens: Ute fühlte sich nach drei Wochen Fastenzeit so fit, dass sie statt der strammen Spaziergänge nun morgens eine Joggingrunde im Park lief.

 

Monika

© by Monika Kaiser. Buchhändlerin, Betreuungskraft, Autorin bei Mal-alt-werden.de

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