Der einzige Maikäfer – Eine Kurzgeschichte im Frühling

Wenn es Mai wird, denke ich in jedem Jahr an den Moment zurück, in dem ich mit meinem Opa den einzigen Maikäfer in meinem Leben gesehen habe.
Ich war noch ein Kind und war immer gerne bei meinen Großeltern zu Besuch. Sie hatten einen großen Garten und in jeder Jahreszeit ging mein Opa mit mir raus und erzählte mir etwas über die Bäume und Pflanzen. Ich genoss die Zeit mit ihm sehr. Manchmal waren wir stundenlang draußen, bei Wind und Wetter, und vergaßen die Zeit. Erst als uns meine Oma zu Kaffee und heißem Kakao hineinrief fiel uns auf, wie spät es schon war. Es kam auch vor, dass wir völlig durchnässt waren weil uns der Regen bei unseren Beobachtungen überhaupt nicht störte.
So vertieft waren wir auch an einem Sonntag im Mai. Wir bewunderten die schönen Farben der Blumen und ihre kräftigen Blätter. Als wir gerade den Flug einer dicken Hummel verfolgten fiel uns etwas seltsames auf einem der Blätter auf: Ein großer, brauner Fleck. Als wir näher kamen erkannte ich, dass es gar kein Fleck war sondern ein großes Tier, das einem Käfer ähnelte. Verdutzt schaute ich meinen Opa an. Er grinste mich an und fragte: “Weißt du, was das ist?”
Ich schüttelte meinen Kopf. Mein Blick wanderte zwischen dem Käfer und meinem Opa hin und her. “Das ist ein Maikäfer. Davon gibt es hier nicht viele.” Verdutzt schaute ich den Maikäfer an und wiederholte das Wort in Gedanken: “Maikäfer”.
Auf eine gewisse Art und Weise faszinierte er mich und ich beobachtete ihn eine ganze Weile. Mein Opa stand ruhig neben mir und tat das Gleiche. Der Maikäfer wanderte eine ganze Zeit über die Blätter der Blumen, krabbelte über die Erde und blieb dann und wann einfach still sitzen. Mir kam es vor, als schaute er mich zwischendurch an.
Dann hörte ich meine Oma rufen und drehte mich zur Terrasse um. Als ich zurück zum Maikäfer blickte, sah ich ihn gerade von Boden abheben und durch die Luft fliegen. Lange schaute ich ihm nach.
Nach dem Kaffee schauten Opa und ich in sein Tierlexikon und er las mir alles vor, was dort über den Maikäfer geschrieben stand. Immer wieder summte er die Melodie von “Maikäfer flieg'”.
Es war ein schöner Tag mit meinem Opa. Ich denke sehr oft an ihn. Besonders im Mai.
Leider habe ich danach nie wieder einen Maikäfer gesehen. Aber in meinem Osterkörbchen bei Oma und Opa war seit dem immer ein Maikäfer aus Schokolade.



Im Anschluss an diese Kurzgeschichte können alle gemeinsam das Lied “Maikäfer flieg'” singen.
Wenn Sie die Möglichkeit haben. geben Sie den Senioren einen Maikäfer aus Schokolade als kleines Geschenk mit auf den Weg.

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Annika

© by Annika Schneider. Staatlich examinierte Ergotherapeutin, Chefredakteurin von Mal-alt-werden.de. Bücher von Annika Schneider finden Sie hier.

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