Unsere Adventskalendergeschichte 2022: 10. Dezember – Ein Zuhause für den Übergang

Der Rückweg aus dem Wald erscheint Elise viel weiter als der Hinweg. Das mag einerseits daran liegen, dass sie jetzt einen schlafenden, betrunkenen Fuchs trägt und andererseits, dass sie den Hinweg mit Emma in der Aufregung, nicht zu wissen, was auf sie zukommen wird, gerannt ist.
Jetzt gehen die beiden Engel in Ruhe nebeneinanderher. „Wie er wohl heißen mag?“, fragt Emma leise in die Stille hinein, ohne ihren Blick vom Boden abzuwenden. „Hmm, gute Frage …“, überlegt Elise, „Da werden wir ihn später mal nachfragen.“

Emma grinst. „Meinst du, er wird heute noch mit uns sprechen können und in der Lage sein, solche Fragen zu beantworten?“ Jetzt muss auch Elise lachen: „Das werden wir später sehen. Mal schauen, wie lange er für ein Gläschen zu viel ausschlafen muss.“ Sie zwinkert Emma zu. Dann fasst sie einmal unter den Bauch des Fuchses, um ihn etwas anders in ihren Arm zu legen. Er scheint dort kitzelig zu sein. Als sie seinen Bauch berührt, zuckt er einmal, öffnet die Augen und sieht sich um. Die beiden Engel stutzen und bleiben stehen. Recht schnell legt er aber seinen Kopf zurück auf Elises Arm und schläft weiter. Die Engel sehen sich erleichtert an. Ein Fuchs bleibt schließlich immer noch ein Fuchs. Und ein unsicherer Fuchs könnte im Fall der Fälle auch schnell einmal zubeißen.
„Wo bringen wir ihn eigentlich hin?“, fragt Emma plötzlich, als sie schon fast am Dorf angekommen sind. „In den Stall, da kann er sich ausruhen, bis er wieder ganz der Alte ist.“, antwortet Elise sicher. Emma bleibt stehen und sieht sie überrascht an: „Aber zu wem denn?“, fragt sie erstaunt. Und sagt nach einer kurzen Pause: „Im Hühnerstall würde ich ihn ja ehrlich gesagt nicht gerne unterbringen.“
Elise schmunzelt. Und Emma fügt noch schnell hinzu: „Und zu Emmi und Ilias legen wir ihn auch nicht, oder? Wer weiß, wie der kleine Kerl hier wach wird. Sollte das etwas lauter werden, wacht Ilias aus seinem Winterschlaf auf und das täte ihm nicht gut. Dann wäre die ganze Mühe umsonst gewesen.“
Ja, das Aufwachen wäre für den kleinen Igel tatsächlich gefährlich. Elise überlegt. Sie hatte tatsächlich an Emmis Stall gedacht. Die Eselin hat aber nun ja schon Ilias, um den sie sich kümmert. Und der braucht in erster Linie Ruhe. Die Kaninchen und Hühner möchten keinen Fuchs bei sich im Stall haben. Auch nicht schlafend. So viel ist sicher.
„Ich habe eine Idee!“, sagt sie plötzlich. „Wie wäre es denn bei Erich?“



„Der hat doch gar keinen Stall. Der hat doch nur die Scheune, in der er die Zutaten für die Bäckerei lagert. Ich weiß nicht, ob er dort einen betrunkenen Fuchs unterbringen möchte …“, Emma sieht sie fragend an. „Nein, ich denke nicht. Ich dachte an sein Zuhause. Er wird doch gleich wach werden, wenn er sich von der Nachtschicht erholt hat. Und dann hat er noch ein wenig Zeit, um nach dem Fuchs zu sehen. Und er ist doch gerne in Gesellschaft und klagt zwischendurch immer mal wieder, dass er sich zu Hause allein fühlt. Vielleicht tut ihm das gut, sich eine Weile um den Fuchs zu kümmern. Und der kleine Feierfreund hier“, sie deutet mit den Augen auf den in ihren Armen schlafenden Fuchs, „hat jemanden, der sich um ihn kümmert.“
Emma überlegt kurz. Dann legt sich ein Strahlen über ihr Gesicht. „Ja natürlich! Das ich darauf nicht selbst gekommen bin. Das ist eine prima Idee!“
In ihr Gespräch und ihre Überlegungen vertieft, haben die beiden Engel gar nicht bemerkt, dass sie schon mitten im Dorf neben dem geschmückten Tannenbaum stehen. Und die zu Hause gebliebenen Engel wiederum sind darauf aufmerksam geworden, dass Elise etwas im Arm hält, was ungewohnt aussieht. Es ist ganz leise. Leise vor lauter Neugierde und leise, um den Fuchs nicht aufzuwecken. Emil kommt aus dem Staunen gar nicht mehr raus. Er möchte sofort alles wissen: was geschehen ist, warum sie den Fuchs bei sich haben, warum dieser in ihrem Arm schläft und wie er überhaupt auf ihren Arm kommen konnte. Elise gibt ihm ein Zeichen, dass sie ihm später alles erzählen wird.

Egon hat indes einen Korb mit einer Decke geholt, in den Elise den Fuchs vorsichtig hineinlegt. Sie ist froh, dass er nach dem Ablegen weiterschläft. Die anderen Engel stehen ruhig um den Korb herum und bewundern das Bild des friedlich schlafenden Fuchses. So etwas ist in der ganzen Zeit im Engeldorf noch nicht vorgekommen.
Emma war bei Erich gewesen und hatte vorsichtig geschaut, ob er schon wach ist. Jetzt stehen die beiden ebenfalls um den Korb herum. Noch bevor Elise Erich ihre Idee vortragen kann, fragt dieser von selbst, ob er sich um den Fuchs kümmern könnte, solange dieser ihre Hilfe brauche.
Elise ist wahnsinnig dankbar für sein Nachfragen. Dadurch hat sie nicht das Gefühl, ihn in eine unangenehme Situation zu bringen. Behutsam tragen sie den Korb zusammen in seine Küche. Hier ist es warm und angenehm. Elise fühlt sich immer wohl, wenn sie da ist. Sie freut sich, dass sie den Fuchs in so gute Obhut geben kann. Und sie ist froh, Erich in Gesellschaft zu wissen. Es tut ihm gut, nicht allein zu sein …

 

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Diese Geschichten unseres Adventskalenders sind außerdem erschienen:

Diese Geschichten unseres Adventskalenders sind außerdem erschienen:

Unsere Adventskalendergeschichte 2022: 1. Dezember – Die Vorbereitungen beginnen

Unsere Adventskalendergeschichte 2022: 2. Dezember – In der Backstube

Unsere Adventskalendergeschichte 2022: 3. Dezember – Das Wunder der Musik

Unsere Adventskalendergeschichte 2022: 4. Dezember – Zweiter Advent

Unsere Adventskalendergeschichte 2022: 5. Dezember – Holzsuche im Wald

Unsere Adventskalendergeschichte 2022: 6. Dezember – Der Nikolaus kommt zum Frühstück

Unsere Adventskalendergeschichte 2022: 7. Dezember – Die verschwundene Lichterkette

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Annika

© by Annika Schneider. Staatlich examinierte Ergotherapeutin, Chefredakteurin von Mal-alt-werden.de. Bücher von Annika Schneider finden Sie hier.

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