Schnee schippen. Eine kostenlose Hoffnungsgeschichte zum Vorlesen

Die einen finden es mühsam und die anderen nehmen es als sportliche Betätigung: Schnee schippen. Eine kostenlose Hoffnungsgeschichte zum Vorlesen.



Schnee schippen

Erwin trank den letzten Schluck Kaffee und legte die Zeitung beiseite. Dann stand er mühsam auf – sein Rücken schmerzte heute wieder besonders stark – stellte das Geschirr an das Spülbecken und räumte Brot und Marmelade weg.
Erwin schlurfte zum Fenster und zog die Jalousien hoch. Ach Herrje! Es hatte geschneit! Auf Bäumen und Sträuchern lag eine dicke Schicht frischer Pulverschnee. Und natürlich lag auch auf dem Gehweg und vor dem Hauseingang Schnee. So schön und verzaubert die Winterwelt aussah und der Schnee in der Sonne glitzerte, Erwin musste wohl oder übel Schnee schippen und den Gehweg streuen. Aber zuerst musste er die Schneeschippe suchen. In den letzten beiden Jahren war das Wetter zu warm gewesen und es hatte nicht geschneit. So gern Erwin den Winter hatte, aber mit seinem Rollator kam er auf verschneiten Gehwegen nicht gut voran. Der alte Mann ging langsam rückwärts die Kellertreppe herunter. Hier unten war er schon lange nicht mehr gewesen, denn er war bange, dass er die steile Treppe herunterstürzen könnte.

Im Keller war es düster und kalt. Erwin ging in den Vorratskeller. Hier standen sogar noch Einmachgläser mit Gemüse, die seine verstorbene Frau vor Jahren eingeweckt hatte. Das konnte er doch bestimmt noch essen? Aber nun musste er erstmal die Schippe finden. Hinter der Tür hingen der Besen und die Grabegabel und tatsächlich: hinter der Hacke verbarg sich die Schippe. Streusalz war allerdings keines mehr da, das musste er wohl einholen gehen. Mit der Schippe in der einen Hand und dem Geländer in der anderen ging Erwin Stufe für Stufe wieder nach oben. Puh! Geschafft!

Er holte seine festen Winterschuhe, setzte sich auf den Küchenstuhl und zog sie an. Dann blieb er noch eine Weile sitzen. Er hörte, wie die Nachbarn ihren Teil des Gehweges schippten. Es war das typische Geräusch: „Schsch…plopp. Schsch…plopp. Schsch…plopp“ Erwin dachte: „Die sind ganz schön fleißig! So flott kann ich aber nicht den Schnee wegschieben! Ich wäre schon froh, wenn ich jetzt ohne Schmerzen aufstehen und meine Jacke anziehen könnte.“ Er seufzte und gab sich einen Ruck. Da klingelte es an der Tür. „Wer kommt den jetzt?“, wunderte sich Erwin. Er schloss die Tür auf, schob den Riegel zurück und zog die Haustür einen Spalt auf. „Guten Morgen, Herr Siebers!“ Ein Junge mit Pudelmütze und roten Wangen stand vor ihm. „Ich bin der Adrian von nebenan. Ich habe ihren Gehweg und den Weg zum Haus mitgeschippt und gestreut. Und meine Mama lässt fragen, ob sie etwas aus dem Supermarkt brauchen? Sie fährt gleich einkaufen.“

Erwin war sprachlos. Ja, jetzt sah er es: der Weg war frei. „Ja, Junge, das ist ja toll! Ich danke dir recht herzlich und deiner Mutter auch! Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll.“
„Ach, kein Problem Herr Siebers! Wenn Sie aufschreiben, was sie brauchen, dann kann ich Mama den Zettel geben. Ich habe ja noch Ferien und sowieso nichts zu tun. Und außerdem macht mir Schnee schippen Spaß!“

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Monika

© by Monika Kaiser. Buchhändlerin, Betreuungskraft, Autorin bei Mal-alt-werden.de

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