Niedrigschwellige Betreuungsangebote.

Anke Rohlfs weiß: „Wer pflegt braucht Pausen!“

 

Hallo Frau Rohlfs, stellen Sie sich doch bitte kurz vor.



Mein Name ist Anke Rohlfs ich bin 47 Jahre alt und seit 2009 bei der Johaniter-Unfall-Hilfe e.V. in Hannover als Koordinatorin unseres ehrenamtlichen Demenzprojektes „Wer Pflegt braucht Pausen“ tätig.

 

Was ist ein „niedrigschwelliges Betreuungsangebot“?

Das NBA ist für Menschen mit eingeschränkter Alltagkompetenz. Wir bieten das NBA hauptsächlich für Menschen mit demenziellen Veränderung an. Niedrigschwellig bedeutet, dass man es den Betroffenen so einfach wie möglich macht an diesem Angebot teilzunehmen. Entweder durch eine Teilnahme an einer Gruppe oder durch eine Einzelbetreuung in den eigenen 4 Wänden. Speziell geschulte EA übernehmen die Betreuungen. Die Betreuung wird individuell auf die Erkrankten abgestimmt, sie ist aber kein Therapieersatz. Die Kosten werden von der Pflegekasse (bei Pflegestufe 0-2) übernommen. Dafür stehen monatlich 100,– oder 200,– Euro zur Verfügung.

 

Sie betreuen das Projekt „Wer pflegt braucht Pausen“. Worum geht es bei dem Projekt und was sind Ihre Aufgaben?
Meine Aufgabe besteht darin, Betroffene und Angehörige zu beraten, mit Ihnen einen Erstkontakt herzustellen und in einem persönlichen Gespräch Hemmschwellen abzubauen. In diesem Gespräch werden alle Daten aufgenommen und besonderen Wert auf ausführliche Biografiedaten gelegt. Gerade die Biografiedaten sind für uns in der Betreuung sehr wichtig. Oft erfährt man aus diesen Daten die Gründe für bestimmte Verhaltensmuster z.B. Weglauftendenzen treten besonders häufig bei den Menschen auf, die in Ihrem Leben schon einmal auf der Flucht gewesen sind.
Unsere Ehrenamtlichen werden für den Umgang mit demenziell veränderten Menschen geschult und nehmen an vielen Fortbildungen teil. Einmal im Monat haben wir eine Austauschrunde in der die einzelnen Probleme oder auch Problemlösungen miteinander besprochen werden. Diese Koordination zwischen Betroffenen, Angehörigen und Ehrenamtlichen und den Austausch von wichtigen Informationen ist meine Hauptaufgabe. Und natürlich die administrativen Aufgaben.

 

Welchen Herausforderungen und Grenzen begegnet man, wenn man niedrigschwellige Betreuung anbietet?
An Grenzen stoßen wir immer dann, wenn die Betroffenen einfach keine Betreuung möchten obwohl die pflegenden Angehörigen ganz dringend eine Unterstützung bei der Betreuung benötigen. Es ist für Angehörige manchmal schwer das zu akzeptieren. Auch bei einer ganz individuellen Betreuung sind wir auf die Kooperation der Betroffenen angewiesen. Das ist nicht nur für die Einzel- sondern auch für die Gruppenbetreuung sehr wichtig. Daher sind bei den ersten „schnupper“ Terminen oft die Angehörigen dabei.
Nicht alle Betreuungen können wir personell auch immer durchführen. In Hannover haben wir daher einen regionalen Arbeitskreis aller Anbieter des NBA gebildet. Wir tauschen uns untereinander aus und wenn wir eine Betreuung nicht selber ausführen können, einer aus dem Arbeitskreis kann es bestimmt. Diese Vernetzung, Kommunikation und Informationsaustausch untereinander erleichtert uns die Arbeit sehr.

 

Was sind Ihre Tipps um ein niedrigschwelliges Betreuungsangebot erfolgreich zu machen?

Man braucht sehr viel Spaß an der Arbeit mit demenziell veränderten Menschen. Die Fähigkeit sich schnell auf die individuelle Betreuungssituation einzustellen wird in regelmäßigen Austauschrunden und Weiterbildungen gefördert und unterstützt. Ohne das große Engagement unserer Ehrenamtlichen wäre die Durchführung unseres Projektes gar nicht möglich.

 

Können Sie vielleicht eine kleine Anekdote oder Geschichte erzählen, die verdeutlicht, was Sie mit Ihrer Arbeit erreichen?

Ein Teilnehmer (mittelschwerer Demenzverlauf, häufige Halluzinationen, Probleme mit der Sprache auch bei kurzen Sätzen und Parkinson) der Demenzgruppe, 79 Jahre alt. Bei einem Spaziergang auf einen nahe gelegenen Spielplatz hatten wir Getränke, Bälle und Tischtennisschläger dabei. Der Spielplatz verfügt über eine feste Tischtennisplatte. Mit o.g. Teilnehmer fing ich an Tischtennis zu spielen, ping….pong… ganz entspannt da mein Gegenüber aufgrund der Parkinson Erkrankung kaum stehen konnte. Dann kam ein anderer Teilnehmer mit seinem Rollstuhl (Anfang 80 mittelschweres Stadium) an die Platte. „Jetzt macht ihr auch ein Spiel! Ich zähle!“ bellte er. Natürlich konnte ich mir ein Schmunzeln nicht verkneifen aber…Mein Tischtennispartner ging leicht in die Knie, spannte die Schultern, sah mir fest in die Augen und spielte richtiges Tischtennis. Obwohl ich mit meinen Kindern auch Tischtennis spiele, hatte ich keine Chance. Die Bälle flogen mir nur so um die Ohren. Kolleginnen rannten hinter den Bällen her (mein Gegenüber konnte keine Bälle mehr aufheben ohne umzukippen / Parkinson). Der andere Teilnehmer bellte den aktuellen Punktestand, wer Ballangabe hatte sowie die Seitenwechsel. Ich verlor das Match schweißüberströmt 17 zu 21… und ich habe gekämpft! Der eine Teilnehmer konnte sich in keiner anderen Situation derart bewegen und der andere derart richtig zählen. Beide beendeten die Gruppenteilnahme an diesem Tag mit, zu recht, vor Stolz geschwellter Brust und ich als guter Verlierer mit einer kleinlauten Bitte um Revanche. Danach habe ich die Biografie-Bögen beider Teilnehmer um tischtennisspielen (mit einem kleinen Warnvermerk für die Ehrenamtlichen) ergänzt.

 

Was wünschen Sie sich von der Zukunft?

Das sich weiterhin Menschen ehrenamtlich so engagiert mit einem nicht ganz leichten Thema auseinandersetzen und das die NBA`s für Betroffenen und Angehörigen dadurch dauerhaft in Anspruch genommen werden können.

 

Herzlichen Dank, Frau Rohlfs!!!

 

„Wer pflegt braucht Pausen“ im Internet: www.johanniter.de

 

Natali

© by Natali Mallek. Dipl. Sozialpädagogin/ Sozialarbeiterin, Gedächtnistraininerin, Master of Arts "Alternde Gesellschaften", Gründerin von Mal-alt-werden.de. Bücher von Natali Mallek finden Sie hier. Fortbildungen mit Natali Mallek finden Sie hier.

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Eine Antwort

  1. Hallo liebes Mal-alt-werden Team.
    Habe mit Freude das Interview mit Fr. Rohlffs gelesen. Auch ich bin als Standortkoordinatorin für den Dienst für dementiell Erkrankte und Angehörige in Worms tätig. Es freut mich, das die niedrigschwelligen Dienste immer mehr vernetzt werden und damit vielen Betroffenen geholfen wird. Auch das diese Erkrankung nicht mehr als Makel betrachtet wird und der Mensch und nicht länger die Erkrankung in den Vordergrund gestellt wird.
    Bitte berichten Sie in diesem Sinne weiter so.
    Liebe Grüße von einer der vielen Standortkoordinatorinnen der Malteser

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