memomix® Aus dem Nähkästchen plaudern

Im Gespräch mit Anja Weitenberg über ihr Lege- und Erzählspiel für Senioren und Menschen mit Demenz
Hallo Frau Weitenberg, stellen Sie sich doch bitte kurz vor.
Mein Name ist Anja Weitenberg. Ich bin 48 Jahre alt und arbeite seit vielen Jahren als Sprachbildungskraft in einer Kindertageseinrichtung. Die Weiterbildung zur Fachwirtin im Erziehungswesen habe ich 2014 absolviert. Der Wunsch, viele große und kleine Menschen für die deutsche Sprache zu begeistern, ließ mich den Schritt in die Selbstständigkeit gehen und memomix zu gründen. Als Sprachbildungskraft bin ich mit einer halben Stelle in einer Sprach KiTa tätig. Lange war ich auf der Suche nach geeignetem Spiel- und Lernmaterial im Bereich der Sprachbildung, nicht nur für unsere KiTa-Kinder, sondern auch im Bereich der Erwachsenen Bildung. Da ich nicht fündig wurde, habe ich eine eigene Idee in die Tat umgesetzt.
Sie haben mit „memomix® Aus dem Nähkästchen plaudern“ ein Spiel für Senioren entwickelt, das die Konzentration und das Sprechen, bzw. das Erzählen anregen soll. Wie sind Sie auf diese Idee gekommen?
Meine Patentante erkrankte vor einigen Jahren an Demenz. Somit erreichte auch uns familiär dieses Thema. Wenn ein Mensch, so wie sie es ist, Zeit ihres Lebens ihre „Frau“ gestanden hat und einen elterlichen Betrieb geführt hat, war es mir ein Anliegen, ihr auch in fortgeschrittenem Alter, gerecht zu werden. Der Wunsch, mit ihr im Gespräch zu bleiben, sich noch lange an Dinge und Erlebnisse zu erinnern, hat mich animiert, das Spiel zu entwickeln.
In der Arbeit mit Kindern geht darum,den Wortschatz zu erweitern – im Bereich der Arbeit mit Menschen mit Demenz geht es darum, den Wortschatz zu erhalten. Das war die Herausforderung für das Spiel mit Senioren.
Welche Materialien gehören zu memomix® und welche Möglichkeiten gibt es, diese einzusetzen?
12 Platzkarten und 48 Foto-Legekarten sind in einem festen Spielkarton verpackt. Jeweils 4 Fotokarten werden je nach Themenbereich den Platzkarten zugeordnet. Eine Spielanleitung beinhaltet neben vielen Fragen zu den einzelnen Fotokarten auch auf jeder Seite einen TIPP mit Liedern, Gedichten oder Rätselfragen. Alle Anregungen sind eine wunderbare Ergänzung und können spontan ohne viel Vorbereitung vorgelesen oder gemeinsam gesungen werden.
Welche Ziele können mit dem Einsatz der memomix®- Karten verfolgt werden?
Zahlreiche Themen mit allen Sinnen zu erfahren, wahrzunehmen, wiederzuerkennen und dabei „zur Sprache zu kommen“ macht memomix-Spiele aus.
Die Bildkarten von memomix sind mit dem Nomen und dem dazugehörigen Artikel beschriftet und ermöglicht den Betreuten, denen es noch gelingt, die Beschriftung zu lesen ihre Fähigkeit des Lesens so lange wie möglich zu erhalten. Neben alltäglichen Gegenständen und Situationen, enthält dieses Spiel Erzählkarten mit damaligen Fotos, um zu Gesprächen anzuregen und sich zu erinnern. Das Gedächtnis wird aktiviert. Vergessene Wörter sind wieder gegenwärtig und geben den Senioren ein Stück Sicherheit zurück.
Schön ist es wenn Angehörige gemeinsam memomix spielen und mit den Senioren ins Gespräch kommen. Die Enkelkinder können so von Ihren Großeltern bereichert werden, indem sie den Geschichten der älteren Menschen lauschen und Zeit gemeinsam verbringen.
Warum eignet sich memomix® so gut für die Begleitung von Menschen mit Demenz?
memomix – Aus dem Nähkästchen plaudern umfasst Fotokarten, die von ihrer Materialbeschaffenheit besonders gut zu greifen und begreifen sind. Die Größe der Fotokarten von 9 x 9 cm und 3 mm Stärke kann gut vom Tisch aufgenommen und betrachtet werden. Übersichtliche Motive werden erkannt und beschrieben. Die Kaschierung der Karten mit Mattfolie sorgt für Langlebigkeit und eine gute Haptik. Alle Karten sind abwischbar. Das Besondere der 12 Platzkarten ist eine Softtouch-Folie, die von beiden Seiten aufgeklebt wurde. Diese lässt die abgelegten Fotokarten nicht verrutschen und bleibt dadurch gut auf dem Tisch liegen.
Mir war es wichtig, ein Spiel auf den Markt zu bringen, das das Betreuungspersonal in ihrer wertvollen Arbeit unterstützt, nicht zusätzlich Arbeit macht und man sofort mit dem Spielen beginnen kann.
Welche Rückmeldungen bekommen Sie von Pflege- und Betreuungskräften und den Angehörigen?
Die Pflege- und Betreuungskräfte setzen das Spiel gerne in den Beschäftigungsrunden ein. An dieser Stelle möchte ich erwähnen, dass je nach Demenz-Stadium die Teilnahme unterschiedlich ist.
Positiv bewertet wird zum einen die Flexibilität der Spielvarianten, insbesondere die Möglichkeit der Teilnehmenden sowohl auch die Ansprache der unterschiedlichen Sinne, wenn die Tipps aus der Spielanleitung zum Einsatz kommen. Wir Menschen haben ja alle unterschiedlich ausgeprägte Sinneswahrnehmungen. So ist für jeden was dabei.
In geriatrischen Kliniken wird memomix auch zur Überprüfung des Demenzstadiums eingesetzt.
Ich habe Logopäden und auch Ergotherapeuten, die memomix in Ihrer Arbeit nutzen um mit den Patienten sprachliche Bereiche zu üben.
Hatten Sie selbst schon die Möglichkeit, das Spiel in einer Seniorenrunde auszuprobieren? Was waren Ihre Eindrücke?
Ja, auch ich habe das Spiel natürlich ausprobiert! Und ich war wirklich ein bisschen aufgeregt. Hierbei ist mir noch einmal bewusst geworden, dass der Spielleiter eine wichtige Rolle einnimmt. Da sich das Krankheitsbild Demenz unterschiedlich äußert, ist jede erkrankte Person für sich auch im Spielverhalten sehr individuell. Und das macht es so Spannend! Einige hören nicht auf zu erzählen, andere sagen aber auch gar nichts. Dies gilt es wie bei der täglichen Arbeit gut im Blick zu halten. Darum finde ich es gut, dass einige Spieler sich nur mit einer Karte beschäftigen können. Alles kann und nichts muss, das hat mir gut gefallen.
Die erste Runde, in der wir gespielt haben, war mit 20 Teilnehmer/innen sehr groß. Darum würde ich die Teilnehmerzahl begrenzen oder die Gruppe teilen. Da nicht zwingend alle Karten ins Spiel genommen werden müssen, ist das Spiel variabel und eignet sich wunderbar auch in einer 1 zu 1 Situation oder in ambulanten Bereichen.
Außerdem sind die Spielregeln sehr unterstützend und wertschätzend!
Wenn sich nun jemand für memomix® interessiert, wie kann derjenige Kontakt zu Ihnen aufnehmen?
Ich freue mich sehr über Kontakt und auch weitere Ideen zur Erweiterung der Spiele. memomix® ist über einen eigenen Webshop (www.memomix-shop.de) zu erreichen.
Können Sie uns ein Buch zu dem Thema Kommunikation mit Menschen mit Demenz empfehlen?
Ein spezielles Buch möchte ich an dieser Stelle nicht empfehlen. Was mir jedoch sehr am Herzen liegt, ist das Projekt KIDZELN-Kindern Demenz erklären.
Mit Hilfe einer Konzeptförderung des “Deutschen Hilfswerks” und der Unterstützung der Alzheimer Gesellschaft Warendorf e.V. haben wir eine aus 10 Modulen bestehende Spielmodulreihe für Kinder im Kindergartenalter entwickelt. Mit dieser Spielmodulreihe können Kinder auf spielerische Art und Weise an das Thema Demenz herangeführt werden.“ Das Projekt können Sie sich hier auf der Website des DEMENZ Service Zentrums Münsterland ansehen.
Würden Sie uns vielleicht eine kleine Geschichte oder Anekdote erzählen, die verdeutlicht, was Sie mit den Spielkarten erreichen können?
Gerne erzähle ich hier einen besonderen Hinweis, auf den mich mein Onkel bei der ersten Betrachtung der Karten brachte.
Zur Vorbereitung gehört für mich ja immer das Fotografieren der Gegenstände. Ich hatte die Möglichkeit in unserem Stadtmuseum in Beckum einen alten Ofen abzulichten. Somit wurde auch die Spielkarte mit „der Ofen“ betitelt.
Mein Onkel wusste nun zu berichten, dass das Bild nicht den Ofen, sondern eine „Kochmaschine“ zeigen würde. Ich hatte den Namen noch nie gehört. Nun kam aber mein Onkel ins Plaudern und erzählte mir seine Geschichten aus dem Nähkästchen!
Das hat mich so gefreut!
Und bei der nächsten Auflage der Spiele wird aus „der Ofen“ – „die Kochmaschine“.
Was wünschen Sie sich von der Zukunft?
Diese Frage ist die erste Frage, bei der es mir schwerfällt, spontan zu antworten. Nicht, dass ich keine Wünsche hätte…
Nun, in der Auseinandersetzung mit diesem Spiel und den Erfahrungen in den Seniorenwohnheimen ist mir immer wieder deutlich geworden, wie wichtig es ist, sich Zeit für unsere Mitmenschen zu nehmen.
Wertvolle Gespräche können so bereichernd sein und uns manchmal auch Hilfestellungen geben. Wie gerne habe ich schon mit meinen Großeltern und Eltern zusammengesessen und ihren Gesprächen gelauscht. Das habe ich auch meinen Kindern weitergegeben. Wir nehmen uns zum Beispiel bewusst vor, eine Mahlzeit am Tag gemeinsam einzunehmen und zusammen zu sein. Klappt natürlich nicht immer! Aber der Vorsatz ist da und wir profitieren von den Erzählungen und das Wissen um den Anderen.
Wenn ich das auf die Pflegeberufe und für mich auch Erziehenden-Berufe ausweite, kann das nur gelingen, wenn ein Ruck durch die Gesellschaft und die Politik geht. Wir brauchen bessere Arbeitsbedingungen und eine Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
Auch wenn dieser Wunsch sehr global ist, setzt er für mich ein Zeichen, dass wir Hinblick auf unsere Wünsche und Ziele den Blick für das Wesentliche nicht aus den Augen verlieren!
Herzlichen Dank, Frau Weitenberg!!!
Zur Internetseite: memomix.de