Flower Power. Eine Erinnerung an die 60er Jahre

War doch eigentlich eine schöne Zeit mit Blumenkindern und “Love and Peace” – oder? Eine Geschichte für Senioren

Flower Power

„Regine, du glaubst nicht, wen ich heute beim Einkaufen getroffen habe“, Herbert kam mit der Einkaufstasche durch die Haustür. „Da stand doch der Kuddl neben mir an der Käsetheke.“ „Doch nicht etwa der Kuddl? Kuddl aus unserer wilden Zeit damals in den 60ern?“ Regine nahm Herbert die Einkäufe ab und sortierte sie in den Schrank. „Doch genau der. Und ob du es glaubst oder nicht, Kuddl hat sich überhaupt nicht verändert: immer noch lange Haare zum Zopf gebunden – allerdings sind sie jetzt grau, Latzhose, Jesuslatschen und natürlich fährt er immer noch einen Bulli – sogar mit Peacezeichen. Er ist gerade auf dem Weg zu einer Demo.“



„Ach, den Kuddl würde ich auch mal gerne wieder sehen“, Regine bekam einen ganz verträumten Blick. „Ja,das kann ich mir denken. Der war ja der Herzensbrecher in unserer Kommune. Aber das war ja auch kein Wunder, denn hätte ich so gut Gitarre gespielt wie Kuddl, dann hätten sich auch alle Mädels in mich verliebt.“ Herbert schaltete die Kaffeemaschine an. „War Kuddl nicht auch beim legendären Woodstock-Konzert dabei? Ich glaube, er erzählte mal, wie beeindruckt er war als Jimi Hendrix die amerikanische Hymne gespielt hat.“ „Jimi Hendrix war ja sein großes Idol und natürlich Carlos Santana.“

Regine stellte die Kaffeetassen auf den Tisch und seufzte: „Ja, es war doch eine schöne Zeit damals: wir hatten soviel Zeit und überhaupt keinen Stress.“ „Das ist ja klar bei den Mengen von Marihuana, die wir konsumiert haben, da hat keiner mehr Stress“, Herbert schlürfte seinen Kaffee aus. „Aber wir mussten uns halt irgendwann entscheiden. Entweder selbstangebautes Gemüse und selbstgebackenes Brot und nie Geld in der Tasche oder Karriere, Haus und Familie. Und ein schlechtes Leben hatten wir ja nicht. Wir können uns jetzt als Rentner ein Wohnmobil leisten und überall hinreisen, wo wir wollen.“

Regine spülte die Tassen ab. “Das stimmt schon. Aber Kuddl konnte sein ganzes Leben lang überall hinreisen mit dem Bulli und machen was er wollte. Er hat sich nie einem Leistungsdruck ausgesetzt und war immer frei.“

Monika

© by Monika Kaiser. Buchhändlerin, Betreuungskraft, Autorin bei Mal-alt-werden.de

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