Der VW-Käfer. Eine Kurzgeschichte. Kostenlos
Der VW-Käfer war das Kultauto der 1960ziger Jahre. Eine Erinnerungsgeschichte für Senioren, die unsere anderen lustigen Kurzgeschichten ergänzt.
Der VW-Käfer
In den 1960ziger Jahren gab es noch nicht so viele Autos wie heute und nicht jeder Haushalt hatte ein Auto. Man konnte es sich einfach nicht leisten. Wer aber ein Auto brauchte und sich eines kaufen musste, der holte sich den VW-Käfer. Der VW-Käfer wurde zum Kultauto, er wurde von den meisten geliebt und von einigen gehasst. Es gab ihn sogar als Polizeifahrzeug.
Auch mein Onkel besaß einen VW-Käfer. Er war grau – der Käfer – und stank immer fürchterlich nach Benzin. Ich kann mich noch sehr gut an die Fahrten mit diesem Auto erinnern.
Zu Geburtstagsfeiern besuchten sich die Familien mit Kind und Kegel gegenseitig und so auch wir meinen Onkel und dessen Familie. Da wir kein Auto besaßen, gingen wir zu Fuß zum Kaffeeklatsch. Das sah dann aus wie ein größerer Familienausflug in Sonntagskleidern mit Geschenken – vor allen Dingen Weinflaschen und Alpenveilchen – bewaffnet auf einer größeren Wanderung. Immerhin mussten wir knapp 5 Kilometer bergrauf und bergrunter laufen, waren etwas über eine Stunde unterwegs und mussten uns daher schon nach dem Mittagessen umziehen und auf dem Weg machen.
Als wir ankamen, freuten wir uns schon richtig auf den Kuchen.
Meine Tante war eine gute Köchin und Bäckerin. Der Tisch war überladen mit Torten und Kuchen. Jeder aß mindestens drei Stücke. Dazu gab es natürlich für die Erwachsenen Kaffee und wir Kinder durften süße Limonade trinken. Nach dem Essen standen die Frauen auf und wuschen das Geschirr ab und bereiteten das Abendbrot vor. Die Männer rauchten alle und verqualmten das Wohnzimmer. Wir Kinder rannten herum und stopften uns zwischendurch Salzstangen und Kartoffelflips in den Hals und tranken süße Limonade bis zum Umfallen. Sobald die Schnittchen geschmiert waren, wurde der Tisch wieder gedeckt und es wurde zu Abend gegessen. Belegte Brote, Kartoffelsalat und Würstchen. Die Männer tranken Bier, die Frauen Wein und die Kinder weiterhin süße Limonade. Nach dem Abendessen rauchten die Männer noch ein oder zwei Zigaretten oder Zigarren. Die Frauen wuschen das Geschirr ab und wir Kinder tobten durch das Haus.
Dann wurde es Zeit, nach Hause zu fahren. Und jetzt kam der VW-Käfer zum Einsatz.
Zuerst musste überlegt werden, wer wo sitzen sollte und wer wen auf den Schoss nehmen musste. Immerhin waren wir sieben Personen und dazu noch mein Onkel, der fahren musste. Es grenzte immer etwas an eine „Wetten, dass…“-Wette, aber wir schafften es immer alle hinein. Man kann also sehen, der VW-Käfer hat einen größeren Innenraum als angegeben. Meiner Oma wurde es grundsätzlich übel beim Autofahren, daher musste erst das Taschentuch mit „4711“ benetzt und vor dem Mund gehalten werden. So konnte sie den Benzingeruch nicht mehr wahrnehmen. Ich nahm aber dafür den Benzingeruch vermischt mit „4711“ wahr und das gab mir jedes Mal den Rest. Hinzu kamen noch die vielen Kurven – der VW-Käfer hat keine so gute Seitenlage – und das gequetschte Sitzen und last but not least die Berge von Essen und süßer Limonade. Mir war auf jeden Fall immer schlecht nach einer Fahrt mit dem VW-Käfer.
Das Auto möge mir verzeihen, es lag nicht nur an ihm.