Augen, die wie Sterne funkeln. Eine Liedergeschichte zu “Wenn alle Brünnlein fließen”

In dieser Liedergeschichte geht es um ein Verliebtsein, das zu einer großen Liebe werden könnte. Lesen Sie den Text der Liedergeschichte vor und singen Sie an den entsprechenden Stellen die angegebene Strophe des Volksliedes “Wenn alle Brünnlein fließen”.

Augen, die wie Sterne funkeln. Eine Liedergeschichte zu “Wenn alle Brünnlein fließen”

Paul und Anton saßen, wie fast jeden Dienstagabend, in ihrer Stammkneipe bei einem Bier zusammen. Draußen brach schon langsam die Dämmerung herein. Die Tür stand offen und der Duft des leichten Regenschauers von vorhin erfüllte den Bereich rund um die Bar. Anton lehnte mit einem Arm am Tresen. Der Barhocker war etwas zu niedrig für ihn, so dass er ein wenig schief saß, um wenigstens Platz für eines seiner Beine zu haben.
Er hörte seinem Freund Paul zu, der, wie fast an jedem ihrer gemeinsamen Abende, von Clara schwärmte.
Clara war eine Arbeitskollegin, die Paul tagtäglich im Bürogebäude über den Weg lief. Alles, was er von ihr wusste, war allerdings nur, in welcher Abteilung sie arbeitete.



Wenn alle Brünnlein fließen,
So muss man trinken,
Wenn ich mein Schatz nicht rufen darf,
Tu ich ihm winken,
Wenn ich mein Schatz nicht rufen darf,
Ju, ja, rufen darf,
Tu ich ihm winken.

Anton knabberte von den Erdnüssen, die vor ihm standen, und schien in Gedanken versunken zu sein. Pauls Erzählungen über Clara kannte er allerdings auch schon in- und auswendig. Paul schwärmte und schwärmte von der gemeinsamen Fahrt mit dem Aufzug am Vormittag. Anton setzte sich aufrecht hin und nahm einen großen Schluck von seinem Bier. Dann drehte er sich zu seinem Freund um. “Und weißt du immer noch nicht, ob sie jemanden hat?” fragte er.
Paul hielt kurz inne und schüttelte dann den Kopf. “Nein, ich habe es noch nicht herausgefunden.” Er schaute auf die Flaschen, die in dem Regal hinter der Theke standen. “Aber ist das nicht auch egal?”

Ja winken mit den Äugelein
Und treten auf den Fuß;
Ist eine in der Stube drin,
Die mir noch werden muss,
Ist eine in der Stube drin,
Ju, ja, Stube drin,
Die mir noch werden muss.

“Für mich ist das einzig Wichtige, dass sie glücklich ist!” Er hatte sich Anton wieder zugewandt.
Anton seufzte und sah seinen langjährigen Freund eindringlich an. “Paul, du bist seit Jahren in Clara verliebt. Ich weiß gar nicht, seit wie vielen Jahren schon genau.”
“Seit neun Jahren, drei Monaten, zwei Wochen und einem Tag”, warf Paul sicher ein. Anton atmete einmal tief ein. Der Wirt hinter dem Tresen konnte ein leichtes Zucken seiner linken Augenbraue vernehmen.
“Sie hat Augen, die wie Sterne funkeln.” schwärmte Paul und sah nach oben in Richtung Himmel. Dass er an dieser Stelle nur die Decke der Kneipe sehen konnte, tat seiner Begeisterung keinen Abbruch.

Warum soll sie’s nicht werden?
Ich seh sie gar zu gern;
Sie hat zwei blaue Äugelein,
Die leuchten wie zwei Stern,
Sie hat zwei blaue Äugelein,
Ju, ja, Äugelein,
Die leuchten wie zwei Stern.

Anton versuchte es noch einmal. “Vielleicht ist es an der Zeit, ihr zu sagen, was du für sie empfindest. Oder wenigstens auf irgendeine Weise näheren Kontakt zu ihr aufzunehmen. Du könntest für immer in dieser Ungewissheit leben, die du tagtäglich mit dir herumträgst oder du gehst das Risiko ein und erfährst die Wahrheit.”
Paul zögerte. “Aber was, wenn sie jemanden hat? Was ist, wenn sie mich danach nie mehr anschaut und ich nie wieder in ihre sternenfunkelnden Augen sehen kann? Was ist, wenn ich nie wieder ihre wunderschönen roten Wangen bewundern darf, wenn wir vor dem Aufzug warten?”
Anton trank einen Schluck aus seinem Glas, sah kurz den Wirt an und legte dann eine Hand auf Pauls Schulter. “Und was, wenn sie die ganze Zeit auf dich gewartet hat? Was ist, wenn ihre Augen nur für dich wie Sterne funkeln?”
Er hielt einen Augenblick inne. Und sagte dann leise “Manchmal muss man ein Risiko eingehen, um das wahre Glück zu finden…”

Sie hat zwei rote Wängelein,
Sind röter als der Wein;
Ein solches Mädel find’st du nicht
Wohl unterm Sonnenschein;
Ein solches Mädchen find’t man nicht,
Ju, ja, find’t man nicht,
Wohl unterm Sonnenschein.

Paul sah seinen Freund lange an. Dann schaute er abermals auf das Regal mit den Flaschen hinter dem Tresen.
Er dachte nach. Er spürte, wie sein Herz in seiner Brust pochte. Antons Worte hallten in seinem Kopf wider. Er wusste, dass er recht hatte. Aber die Angst vor dieser Herausforderung war riesig.
Die Vorstellung, dass Clara seine Liebe erwidern würde, ließ sein Herz aber viel höher schlagen als die Angst vor dem Unbekannten. Er sah die hübschen roten Wangen und sternenfunkelnden Augen vor sich und lächelte.

Anton legte ihm ermutigend seine Hand auf die Schulter.
Er freute sich auf das nächste Treffen und war gespannt, was Paul erzählen würde…

 

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Annika

© by Annika Schneider. Staatlich examinierte Ergotherapeutin, Chefredakteurin von Mal-alt-werden.de. Bücher von Annika Schneider finden Sie hier.

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