Unsere Adventskalendergeschichte 2022: 2. Dezember – In der Backstube

Am nächsten Morgen gehen alle 24 Engel noch ein wenig verschlafen, aber durchaus zufrieden in den neuen Tag. Auch bei Tageslicht sieht das Engeldorf wunderschön aus. Jetzt erst können sie die Strohsterne und die glänzenden Kugeln betrachten, die gestern Abend durch die Dunkelheit nicht mehr gut zu erkennen waren. An Tannenzweigen hängen kleine Glöckchen und Holzfiguren in den Fenstern. Und vor Elises Haus steht eine größere Gruppe, die die selbst ausgeblasenen und bemalten Glaskugeln bewundert.
Emil steht jedes Jahr aufs Neue unter diesen zauberhaften Kugeln und kann sich kaum sattsehen. Er befürchtet allerdings auch, die Kugeln allein vom Hinsehen zum Platzen bringen zu können. Für ihn ist so etwas absolut nichts. Allein seine Anwesenheit hat schon Gläser springen und fallen lassen. Emil ist sprichwörtlich der Elefant im Porzellanladen – obwohl er mit seiner zierlichen Gestalt natürlich keinerlei Ähnlichkeit mit dem großen grauen Rüsseltier hat.



Vorsichtshalber tritt er deshalb einen Schritt zur Seite. Da fällt ihm die Bäckerei ins Auge. Durch die zahlreichen Glasfenster kann er erkennen, dass dort reges Treiben herrscht. Langsam geht er herüber. Am Brunnen vorbei, die Gasse zwischen Emmas und Egons Häusern hindurch und am Kaninchenstall vorbei. Lange steht er vor der großen Glasscheibe.
Als Erich, der Bäcker, Emil in die Backstube hineinwinkt, merkt er erst, wie fest er seine Nase an die Glasscheibe gedrückt hat. Mit roter Nase betritt er die Bäckerei. Es duftet herrlich! Nach Weihnachtsplätzchen, Zimt, Vanille, Nelken, Kardamom und Sternanis. Erich begrüßt ihn: „Du siehst aus, als wolltest du uns gerne einmal wieder einen Besuch abstatten und ein bisschen vom leckeren Plätzchenteig naschen …?“ Er zwinkert Emil zu. Emils Gesicht wird rot wie seine Nase. Er liebt Plätzchenteig. Und er nascht nur zu gerne davon. Erich hält ihm einen Löffel Teig hin. Eine nicht kleine Portion sogar. „Schau dich gerne um, ich muss die Vanillekipferl aus dem Ofen holen, damit sie nicht verbrennen.“

Emil schlendert in Ruhe durch die Backstube und bewundert die riesigen Backbleche, von denen eins wahrscheinlich größer als seine ganze Küche ist. Er betrachtet die großen Knethaken an den Maschinen und ist von der Größe der Mehlsäcke überwältigt, die fast so groß sind wie er selbst. Wie Erich es schafft, das Mehl aus den riesigen Säcken in die noch größeren Maschinen zu geben, ist ihm seit Jahren ein Rätsel.
Emil stibitzt heimlich eine Rosine von dem Tisch, an dem die Stutenkerle verziert werden und geht zu den Weihnachtsplätzchen, die gerade mit Zuckerguss bestrichen werden. Engel, Sterne, Glocken und Tannenbäume sind es in diesem Jahr geworden. Sie duften herrlich und sind wieder sehr hübsch geworden. Jetzt müssen sie nur noch trocknen und anschließend verpackt werden.
Die Plätzchen werden am Heiligen Abend von allen Engeln an die Kinder in der ganzen Welt verteilt. Ein ganz besonderer Abend, auf den sich die Engel das ganze Jahr über freuen … auf viele verzauberte Gesichter und das eine oder andere Lächeln.

Emil bekommt plötzlich eine Gänsehaut. Er spürt, wie sehr er sich auf die kommenden Tage im Advent und auf den Heiligen Abend freut. Ein Gefühl, genau wie gestern Abend, als sie alle beisammen waren und auf das geschaut haben, was sie zusammen geschafft hatten.
Zusammen sein, gemeinsam etwas bewirken und anderen eine Freude machen … Ist das nicht Weihnachten?

 

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Annika

© by Annika Schneider. Staatlich examinierte Ergotherapeutin, Chefredakteurin von Mal-alt-werden.de. Bücher von Annika Schneider finden Sie hier.

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