Spannenlanger Hansel, nudeldicke Dirn – Eine Liedergeschichte zum Mitsingen

Lesen Sie diese Liedergeschichte für Senioren langsam vor und singen gemeinsam an den angegebenen Stellen die abgedruckte Strophe des Liedes “Spannenlanger Hansel, nudeldicke Dirn”.

Spannenlanger Hansel, nudeldicke Dirn

Gretchen und Hans treffen sich jeden Sonntagnachmittag im Haus ihrer Eltern – auch heute. Diese wöchentlichen Treffen finden statt seitdem sie von zuhause ausgezogen sind – das ist nun auch schon knapp vierzig Jahre her. Irgendwie hat sich im Laufe der Jahre daraus eine Tradition entwickelt und beide möchten die gemeinsamen Sonntagnachmittage nicht mehr missen.
Anfangs besuchten sie ihre Eltern, weil ihre Mutter darauf bestand, ihre Kinder mindestens einmal in der Woche zu sehen und sie an wenigstens dem einen Tag mit warmem Essen zu versorgen. Später waren es die Kinder, die ihre Eltern besuchen wollten. Die gemeinsamen Sonntagnachmittage waren für Gretchen und Hans eine echte Ruheoase in der sonst so schnellen und lauten Zeit des Alltags.
Ganz besonders sind beiden die Nachmittage im Spätsommer im Gedächtnis geblieben. Ihre Mutter backte, wann immer es ging und sie reif waren, Kuchen mit Birnen aus dem eigenen Garten. Es gab frisch aufgebrühten Kaffee und Schlagsahne dazu – ein Gedicht!



Spannenlanger Hansel,
nudeldicke Dirn.
Geh’n wir in den Garten,
schütteln wir die Birn’.
Schüttel ich die großen,
schüttelst du die klein’,
wenn das Säckchen voll ist,
geh’n wir wieder heim.

Gemeinsam sitzen sie nun auf der Terrasse. Es ist Spätsommer. Die Sonne blitzt durch die dichten Blätter des großen Birnbaums der inmitten des langen Gartens steht. Vor ihnen stehen Teller mit selbst gebackenem Birnenkuchen. Gretchen hat Sahne dazu geschlagen und frische Kaffeebohnen gemahlen. Hans isst ein Stückchen, das er vorher in die Sahne gestippt hat: “Ein Gedicht!”, sagt er mit einem Lächeln im Gesicht. Sofort liegt ein glückliches Strahlen in Gretchens Blick.
Schweigend genießen sie Kaffee und Kuchen. Dabei schweifen ihre Blicke immer wieder durch den Garten. Die Luft ist warm und hinterlässt ein schönes Gefühl auf der Haut.
Plötzlich sagt Hans: “Weißt Du noch, wie wir als Kinder hier immer fangen gespielt haben? Oder wie ich mich vor Dir in den Baumwipfeln versteckt habe?”
“Oh, ja”, entgegnet Gretchen schnell, “und ich war doch viel kleiner als Du. Du konntest immer schneller Laufen und höher klettern als ich. Das fand ich ganz schön gemein. Aber einmal – daran erinnere ich mich noch gut! Einmal hat Vati mir schnell und heimlich eine Leiter an den Birnbaum gestellt. Ich war fast schneller oben als Du. Deinen Blick hättest Du sehen müssen, Brüderchen!”. Auch Hans erinnert sich natürlich an diesen Nachmittag. In Gedanken an die unbeschwerten Momente ihrer Kindheit trifft sein Blick wieder auf den Birnbaum.

“Lauf doch nicht so eilig,
spannenlanger Hans!
Ich verlier’ die Birnen
und die Schuh noch ganz.”
“Trägst ja nur die kleinen,
nudeldicke Dirn,
und ich schlepp’ den schweren Sack
mit den großen Birn’.”

Nach dem Tod der Eltern war Gretchen aus der Stadt wieder zurück in ihr Elternhaus gezogen. Sie konnte es nicht übers Herz bringen, das Haus zu verkaufen und fühlte sich in der großen Stadt sowieso nie ganz zuhause. Als ihr eigenen Kinder dann auch noch aus der Stadtwohnung in eine eigene Wohnung zogen, war es für sie keine Frage, wieder zurück zu gehen. Hans war ihr für diese Entscheidung sehr dankbar. Auch er hätte es nie übers Herz gebracht, das schöne Haus mit dem großen Garten zu verkaufen. Aber er mochte die Stadt, er hatte dort alles, was er brauchte in der Nähe und konnte sich ohne Auto fortbewegen. Wieder zurück aufs Land zu ziehen wäre ihm wahrscheinlich schwer gefallen.
Natürlich hilft er Gretchen aber bei der Gartenarbeit. Wann immer es nötig ist mäht er den Rasen, schneidet Bäume und Sträucher zurück oder streicht den Holzzaun. Gretchen kümmert sich um das Gemüse, die Rosen und zupft Unkraut. Nur um den dicken Birnbaum kümmern sie sich gemeinsam – so wie früher.

Spannenlanger Hansel,
nudeldicke Dirn.
Geh’n wir in den Garten,
schütteln wir die Birn’.
Schüttel ich die großen,
schüttelst du die klein’,
wenn das Säckchen voll ist,
geh’n wir wieder heim.

Wenn sie dann gemeinsam im Garten beschäftigt sind denken sie an all die Momente ihres Lebens, die sie hier erleben durften: die eigene Kindheit, das Erwachsenwerden, Birnenkuchen auf der Terrasse, Gretchens Kinder – wie sie auf ihre ersten Schritte auf der Wiese gemacht haben – und die großen Familienfeiern im Kreise der Familie.
Und ganz oft hört man zwischen den Rosen oder hinter Sträuchern immer wieder die gleiche Melodie…

“Lauf doch nicht so eilig,
spannenlanger Hans!
Ich verlier’ die Birnen
und die Schuh noch ganz.”
“Trägst ja nur die kleinen,
nudeldicke Dirn,
und ich schlepp’ den schweren Sack
mit den großen Birn’.”

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Annika

© by Annika Schneider. Staatlich examinierte Ergotherapeutin, Chefredakteurin von Mal-alt-werden.de. Bücher von Annika Schneider finden Sie hier.

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Eine Antwort

  1. Ute Lohr sagt:

    Ich finde diese liedertexte super

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