Kürbislaternen. Eine 3 -Minuten-Geschichte zum Vorlesen.

Hannelore geht zum nahe gelegenen Supermarkt. Sie muss noch ein paar Dinge besorgen, weil ihre 4 Jährige Enkeltochter Jaqueline sie heute besuchen kommt. Um dorthin zu gelangen, durchquert sie ein Neubaugebiet in dem viele Kinder wohnen. Es ist Ende Oktober und auf den Treppenstufen der Häuser grinsen ihr Kürbislaternen entgegen. Komisch. Vor ein paar Jahren gab es so etwas doch noch gar nicht. “Halloween” hieß das Fest, an dem sich die Kinder als Geister, Spinnen und Hexen verkleideten und Süßigkeitensammelnd von Tür zu Tür zogen. Es kam aus Amerika. Ob man immer alles nachmachen muss, was die in Amerika so machen? Hannelore war skeptisch.



Laternen geschnitzt, hat sie als Kind natürlich auch. Aber nicht aus Kürbissen. Aus Zuckerrüben. Es war immer sehr wichtig gewesen, eine besonders große und schöne zu erwischen. Mit Löffel und Messer sind sie den Zuckerrüben früher zu Leibe gerückt. Da kamen lustige Laternen bei raus. Vielleicht konnte sie mit ihrer Enkeltochter auch eine Zuckerrübe schnitzen. Jaqueline würde sich bestimmt darüber freuen. Ob sie wohl eine schöne große, runde Zuckerrübe bekommen würde?

Verkleidet, hat Hannelore sich als Kind natürlich auch. Damals gab es noch keine grell gefärbten Kostüme zu kaufen, und wenn waren diese zu teuer. Mit Fantasie, dem Hut des Opas und dem Nachthemd der Mutter, entstanden allerlei wilde Verkleidungsvariationen. Sie erinnerte sich noch gut daran, wie sie in das Nachtkleid ihrer Mutter gehüllt auf dem Reisigbesen durch den Garten geritten war. Noch heute musste sie bei dem Gedanken daran grinsen. Vielleicht würde auch Jaqueline Freude daran haben, mal in der Nachthemdkiste ihrer Oma zu stöbern. Bestimmt wäre da auch eine passende Verkleidung dabei.

Süßigkeiten gesammelt, hat Hannelore als Kind natürlich auch. Nicht an Halloween. Zu Sankt Martin war das damals üblich. Die gesammelten Süßigkeiten schmeckten doppelt so gut, und manchmal, hatte man auch einen Groschen bekommen. Vor jeder Tür, war es aufregend darauf zu warten, ob jemand aufmachte. Und wenn er aufmachte, hatte er dann auch wirklich etwas Süßes? Jaqueline hätte bestimmt auch Spaß daran von Tür zu Tür zu gehen und Süßigkeiten zu sammeln.

Im Supermarkt bekommt Hannelore leider keine große, runde Zuckerrübe. Also kauft sie einen Kürbis. Wenn sie ehrlich ist, hat der sogar die bessere Form für ein Gesicht. Er ist schön rund. Einfach perfekt. Jaqueline ist ganz aus dem Häuschen, als sie ihn am Nachmittag gemeinsam in eine wunderschöne Kürbislaterne verwandeln.

Mit vor Freude strahlenden Augen, hüllt sich Jaqueline in ein altes Spitzennachthemd ihrer Oma und ruft “Buhhuhu, ich bin ein Schlossgespenst!”. Nach dem sie mit ihrer Oma von Tür zu Tür gezogen ist und eine ganze Tüte voller Süßigkeiten ergattert hat, fällt sie Hannelore um den Hals und sagt “Das war soooo ein schöner Tag!”

Am nächsten Tag trifft Hannelore ihre Freundin Mechthild bei einem Spaziergang. Als Mechthild sagt: “Gestern war ja Halloween. Vor ein paar Jahren gab es so etwas doch noch gar nicht. Ob man immer alles nachmachen muss, was die in Amerika so machen?” Schmunzelt Hannelore nur still in sich hinein und denkt: “Man muss nicht, aber man kann!”



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Natali

© by Natali Mallek. Dipl. Sozialpädagogin/ Sozialarbeiterin, Gedächtnistraininerin, Master of Arts "Alternde Gesellschaften", Gründerin von Mal-alt-werden.de. Bücher von Natali Mallek finden Sie hier. Fortbildungen mit Natali Mallek finden Sie hier.

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