Die tolle Wolle. Eine Bewegungsgeschichte für die Gymnastik mit Senioren

Lesen Sie diese Bewegungsgeschichte in der Gymnastik für Senioren vor. Jeder der Senioren bekommt ein Wollknäuel (Alternativ können Sie mit Tüchern oder Servietten arbeiten. Hier finden Sie passende Tücher bei Amazon.*). Immer wenn das Wort Wolle oder “Woll-” in der Geschichte vorkommt, halten die Senioren das Wollknäuel hoch.

Die tolle Wolle

Als ich ungefähr 6 Jahre alt war, ging ich mit meiner Mutter in ein Handarbeitsgeschäft um Wolle zu kaufen. Meine Mutter strickte für ihr Leben gern und so waren wir immer gut mit Pullovern, Strickjacken, dicken Socken und wärmenden Mützen aus Wolle ausgestattet. Bei der Wolle war meine Mutter sehr preisbewusst. Oft wurden alte, gestrickte Sachen aus Wolle aufgeribbelt und in neue Kleidungsstücke verwandelt. Auch im Handarbeitsgeschäft hielt sie immer Ausschau nach günstiger Wolle und Restbeständen. Das Wollknäuel, das ich an diesem Tag entdeckte, gehörte nicht zu den Restbeständen. Es war so groß wie mein Kopf, die Wolle war dick und sah wunderbar weich, gemütlich und flauschig aus. Sie leuchtete in allen Farben des Regenbogens. Eine Mütze aus dieser Wolle, wie hübsch musste das sein.



Mein Mund stand offen als ich diese wundervolle Wolle entdeckte. Ich zupfte am Ärmel meiner Mutter und zeigte auf das Knäuel meiner Träume. “Das ist zu teuer!”, sagte meine Mutter und vertiefte sich wieder in das Gespräch mit der Verkäuferin über die neuste Wollmode. Mein Herz rutschte ein bisschen hinab und eine kleine Träne stahl sich in mein Auge, als ich erkannte, dass ich dieses Wollknäuel wohl niemals würde in meinen Händen halten dürfen. Dass niemals ein Schal aus dieser weichen, flauschigen Wolle sich um meinen Hals schmiegen würde.

Der Gedanke an die Wolle hing mir noch lange nach und seitdem ich Erwachsen bin, muss ich in jedes Wollgeschäft und in jede Handarbeitsabteilung im Kaufhaus gehen um nachzuschauen, ob sie ein Wollknäuel vorrätig haben, wie das von jenem Tag. Nie hatte ich Glück. Bis heute. Gerade heute, eigentlich war ich in Eile, ging ich an einem kleinen, neueröffneten Wollgeschäft bei uns in der Stadt vorbei. Fast hätte ich das Schaufenster gar nicht wahrgenommen. Doch ein Wollknäuel, das in Regenbogenfarben leuchtete, strahlte mich an. Erst traute ich meinen Augen beim Anblick der Wolle nicht. Dann machte mein Herz einen kleinen Hüpfer. Die Wolle sah genau so aus, wie die Wolle, die ich einst mit sechs Jahren entdeckt hatte. Die Verkäuferin hat sich wahrscheinlich gewundert, warum sich eine alte Frau so über den Kauf eines Wollknäuels freuen kann. Denn gekauft, habe ich die Wolle natürlich sofort.

Nun sitze ich hier und darf dieses Wollknäuel in den Händen halten, habe meine Stricknadeln heraus gekramt und mache mich daran einen Schal zu nähern. Bald wird ein Schal aus dieser weichen, flauschigen Wolle sich um meinen Hals schmiegen.

Natali

© by Natali Mallek. Dipl. Sozialpädagogin/ Sozialarbeiterin, Gedächtnistraininerin, Master of Arts "Alternde Gesellschaften", Gründerin von Mal-alt-werden.de. Bücher von Natali Mallek finden Sie hier. Fortbildungen mit Natali Mallek finden Sie hier.

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