Weihnachtsbesuch. Eine Hoffnungsgeschichte für Senioren
An Weihnachten ist niemand gern alleine. Auch Hermann freut sich über seinen unverhofften Weihnachtsbesuch.
Eine Hoffnungsgeschichte zum Vorlesen für Senioren.
Weihnachtsbesuch
Am Nachmittag des Heilig Abend hatte es geschneit und Hermann musste wohl oder übel noch einmal nach draußen und den Schnee vom Fußweg schüppen. Mühselig erhob er sich aus seinem abgewetzten Ohrensessel, schlurfte in die Diele, zog die Winterstiefel und den alten Mantel an, setzte die Mütze mit den Ohrenklappen auf den Kopf und die Handschuhe, die noch seine Frau gestrickt hatte, an, nahm die Schneeschaufel und ging nach draußen.
Lange war es nicht mehr so bitterkalt gewesen und hatte so viel geschneit. Es war ruhig geworden auf den Straßen. Die Familien waren zu Hause und führten die letzten Vorbereitungen für das Fest aus. In den Nachbarhäusern konnte Hermann geschmückte Weihnachtsbäume und brennende Kerzen erkennen. Seit Getruds Tod hatte er keinen Weihnachtsbaum mehr aufgestellt und geschmückt war es bei ihm auch nicht. Für wen sollte er sich die Arbeit machen? Er war alleine und Besuch bekam er ja doch keinen.
Mühsam schaufelte der alte Mann den frischgefallenen Schnee beiseite. Dunkle Wolken türmten sich am Himmel auf und kündeten von neuem Schneefall. Kalter Wind blies durch die Straßen. Herrmann stellte die Schaufel zur Seite, reckte sich, rieb den schmerzenden Rücken und rubbelte die kalten Hände aneinander. Da tauchte auf einmal ein kleiner struppiger, durch und durch nasser Hund vor ihm auf. Er hinkte und fiepte und schaute Hermann mit großen Augen an.
„Ja, wer bist du denn? Es ist doch viel zu kalt für dich hier draußen. Bist du alleine unterwegs?“ Hermann ging die Straße ein Stück hinunter um zu schauen, ob noch ein Herrchen oder Frauchen auftauchte und nach dem Hund suchte. Aber niemand war zu sehen. Hermann wartete noch ein Weilchen und schüppte derweil den restlichen Schnee vom Bürgersteig. Der kleine Hund saß in seinem Hauseingang, schaute ihm bei der Arbeit zu und es schien, als ob er auf Hermann wartete.
Hermann beeilte sich, stellte die Schaufel zur Seite und ließ den durchnässten Hund ins Haus. Dann holte er ein altes Handtuch und rubbelte seinen Gast trocken. Das schien dem kleinen Hund zu gefallen und er knurrte wohlig. Dann stellte Hermann ihm eine Schüssel mit Wasser hin und setzte sich selber eine Tasse Kaffee auf. „Was soll ich denn mit dir machen? Hinausschicken kann ich dich nicht, gleich gibt es einen Schneesturm und du würdest jämmerlich erfrieren. Am besten, du bleibst erst einmal hier. Und wenn die Feiertage vorbei sind, rufen wir im Tierheim und beim Tierarzt an und schauen mal, wer dich vermisst und was mit deiner Pfote los ist.“
Humpelnd kam der kleine Kerl auf Hermann zu, sprang auf seinen Schoß und ließ sich streicheln. Dann schlief er erschöpft ein.
Als Hermann seinen Kaffee ausgetrunken hatte, legte er den kleinen Hund vorsichtig auf den Sessel und deckte ihn zu. Dann legte er neues Holz auf das Feuer und kochte einen Möhreneintopf. Er schnippelte auch ein paar Würstchen mit hinein. Der kleine Hund würde das bestimmt auch mögen. Der wurde durch den guten Essensgeruch auch wach. Hermann wartete bis der Eintopf abgekühlt war, dann stellte er dem Hund eine Schüssel hin. „Bitte schön. Lass es dir schmecken.“ Das ließ sich der kleine Kerl nicht zweimal sagen. Mit lautem Schmatzen verputzte er alles. Auch Hermann aß und es schmeckte ihm heute in Gesellschaft schon besser als sonst all die Tage. Nach dem Essen schaute er sich die Pfoten des Vierbeiners an. Sie waren wund. Wahrscheinlich vom Laufen durch den eisigen Schnee und dem Streusalz. Er cremte die Pfötchen mit Vaseline ein. Dann setzte er sich auf seinen Sessel und der Hund sprang wieder auf seinen Schoß. Der Hund genoss die Streicheleinheiten und die Wärme des anderen und schlief wieder ein. Und auch Hermann fühlte sich mit dem kleinen schlafenden Hund auf seinem Schoß sehr wohl.