Schluckimpfung ist süß… Eine Geschichte aus den 60er Jahren
“Schluckimpfung ist süß, Kinderlähmung ist grausam”. Eine Erinnerungsgeschichte für Senioren zur Impfung gegen Polio in den sechziger Jahren.
Schluckimpfung ist süß…
In unserem Pflegeheim fand neulich die Impfaktion gegen das Corona-Virus statt und wir vom Personal wurden auf Wunsch natürlich gleich mit geimpft. Alles ging schön der Reihe nach und als wir so im Gang saßen und auf unsere Impfung warteten, fiel mir die Schluckimpfung ein, die wir in den sechziger und siebziger Jahren als Kinder bekamen. Dafür wurde man in das Gesundheitsamt – natürlich mit den Müttern – eingeladen und der Reihe nach bekam jedes Kind ein Stück Würfelzucker mit einem Tropfen Impfstoff drauf. Ich fand das klasse und hätte auch noch ein zweites Stückchen Zucker genommen. Gedanken um die Kinderlähmung hab ich mir damals nicht gemacht. Doch der Werbeslogan für die Impfung
„Schluckimpfung ist süß, Kinderlähmung ist grausam.“
hatte Recht: Vor der bundesweiten Einführung der Schluckimpfung gegen Polio erkrankten laut Paul-Ehrlich-Institut im Jahre 1961 4600 Menschen in Deutschland an Kinderlähmung, im Jahr 1962 waren es nur noch 290. Bayern fing als erstes Bundesland am 05. Februar 1962 mit der Schluckimpfung an und danach folgten die anderen westdeutschen Länder. Die DDR hatte die Schluckimpfung übrigens schon 1961 eingeführt, das wurde aber von den westdeutschen Gesundheitsbehörden mit Schrecken wahrgenommen: „Die verteilen da Bonbons mit Lebend-Viren drauf!“
Doch trotz des Erfolges der Schluckimpfung erkranken leider weltweit immer noch Menschen an der Kinderlähmung. Zum Beispiel in Ländern wie Pakistan oder Afghanistan, in denen keine Grundimmunisierung stattfindet, leiden noch immer Menschen an Polio oder sterben auch daran. Denn die Kinderlähmung ist eine heimtückische Krankheit: Die Viren befallen Nervenzellen, beschädigen diese und das führt zu Lähmungen. Wenn die Lunge betroffen ist, muss der Patient künstlich beatmet werden sonst stirbt er. Die Krankheit kann ausheilen, aber es kommt oft zu Spätfolgen: Deformation der Gelenke und der Wirbelsäule und Muskel- und Atembeschwerden.
Heutzutage wird nicht mehr mit Lebendviren auf einem Stückchen Zucker geimpft, doch in den sechziger Jahren war die Schluckimpfung ein Riesenerfolg gegen die heimtückische Krankheit Kinderlähmung.
Während mir diese Gedanken durch den Kopf gingen, als ich auf die Impfung gegen das Corona-Virus warte, spüre ich Hoffnung aufsteigen, dass auch diese Impfung ein voller Erfolg wird und auch dieses heimtückische Virus eingedämmt wird.
Weitere 60er-Jahre Geschichten haben wir in unserem Buch “60er-Jahre-Geschichten” in der Reihe SingLiesel Kompakt veröffentlicht. Die Buchvorstellung dazu können Sie sich gerne hier noch einmal ansehen!