Motogeragogik-

Am Ball bleiben

Hella Wintermeyer im Interview zum Thema Motogeragogik

 

Hallo Frau Wintermeyer, stellen Sie sich doch bitte kurz vor.

Ja, gerne: ich bin Dipl. Soz.-Arb. (FH), Krankenschwester,
Supervisorin (DGSV) und habe eine Weiterbildung in Sozialtherapie für Suchterkrankungen absolviert.

Als  wissenschaftliche Mitarbeiterin am Fachbereich Pflege und Gesundheit der Fachhochschule Münster bin ich und u.a. für den Bereich der Weiterbildung zuständig. Wir bieten hier Fort- und Weiterbildungen für Sozial-und Gesundheitsberufe an.

 

Was genau ist eigentlich „Motogeragogik“?
Das Konzept der Psychomotorik wurde insbesondere von Dr. Marianne Eisenburger für den Bereich der Begleitung alter und hochbetagter Menschen adaptiert.
Motogeragogik ist ein ganzheitliches, erlebnisorientiertes, pädagogisches Konzept, das durch und mit phantasievoll gestalteten Bewegungserfahrungen alte und hochbetagte Menschen mit und ohne demenzbedingten Fähigkeitsstörungen bei der Erhaltung, Rückgewinnung und Erweiterung der Mobilität unterstützt. Das Konzept geht von den individuellen Stärken aus und macht Fähigkeiten erfahrbar. Die Persönlichkeit wird in ihren geistigen, körperlichen und sozialen Bereichen angesprochen, gefördert und im Selbstvertrauen gestärkt. Nicht die Leistungssteigerung, sondern die individuelle Entwicklungsförderung, die erlebte Freude an Bewegung, Spiel, dem gemeinsamen Erleben, stehen im Vordergrund.
Auch kann positiv in der freundvollen Bewegung, In der Erfahrung, „ da geht noch was, da erlebe ich mich, erfahre ich Freude,“  der gealterte, oft geschwächte und schmerzende Körper, positiv erlebt werden.

 

Welche Chancen bietet die „Motogeragogik“ für Menschen mit Demenz?
Menschen mit Demenz leben oft in ihrer eigenen Welt. Dennoch brauchen sie die Beziehung zu anderen, Verständnis, Zuwendung und Nähe. Motogeragogik bietet vielfältige Möglichkeiten, den Zugang zu der je eigenen Welt zu finden. Durch den Umgang mit unterschiedlichen Materialien, über Musik, Spaß an Bewegung, wertschätzenden Umgang miteinander, werden positive Erinnerungen geweckt.

 

Wo finden motogeragoische Angebote statt? Wie verbreitet sind solche Angebote?

– in Einrichtungen der Altenpflege
– gerontopsychiatrischen Einrichtungen,
– in Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen
– in alternativen Bewegungsräumen für ältere Menschen
– bei Familienbildungsstätten, Volkshochschulen ,Sportvereinen
– in Einrichtungen der Tagespflege

Das Konzept der Psychomotorik ist vor allem in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen etabliert. Der Bereich der Motogeragogik, der auf die speziellen Bedürfnisse des alten Menschen abstellt, ist in der Schweiz und in Österreich viel stärker verbreitet.

 

Welche Grenzen hat die motogeragogische Arbeit?
Es geht hier nicht um therapeutische Arbeit zur Wiederherstellung von Funktionen des Bewegungsapparates. Vielmehr ist die Erhaltung und Stabilisierung der Mobilität, der Lebensfreude im Alltag von großer Bedeutung.

 

Können Sie vielleicht eine kleine Anekdote erzählen, die verdeutlicht was mit Motogeragogik erreicht werden kann?
Die Dozentinnen Frau Ehlers; Dipl. Motologin und Frau Frömming, Motopädagogin statten während der berufsbegleitenden Weiterbildung Praxisbesuche ab. Frau Ehlers erzählte: „Durch die intensive Beziehungsarbeit in der Motogeragogik fing ein älterer Bewohner aus der Werkstatt für Menschen mit Behinderung eines Tages an zu sprechen. Bis zu diesem Tag wurden keine Worte, sondern nur Laute von ihm vernommen. Der Bewohner nahm über mehrere Jahre mit großer Freude an dem Bewegungsangebot teil.“

Ein weiteres Beispiel wurde Frau Frömming vom Gruppenleiter aus der Werkstatt berichtet. Üblicherweise verrichteten die älteren Menschen mit Behinderungen schweigend ihre Arbeit, nahmen keine Kontakte zu anderen Bewohnern auf. Einige Bewohner nahmen regelmäßig am motogeragogischen Angebot teil. Eines Tages forderte ein Bewohner seinen Nachbarn bei der Arbeit auf: „Mensch Heino, sollen wir mal was singen?“ Seit diesem Tag wird bei der Arbeit auch miteinander kommuniziert!

Aus einem Seniorenheim kam die Rückmeldung einer Bewohnerin, nachdem sie schon einige Zeit regelmäßig am motogeragogischen Angebot teilgenommen hatte: “Ach, hier können wir einfach nur mal Spaß haben und tun uns noch was Gutes nebenbei!“

 

Welche Möglichkeiten der Aus- und Weiterbildung gibt es im Bezug auf „Motogeragogik“?
In Schleswig Holstein bietet das IBAF (Institut für berufliche Aus-und Fortbildung) an der Fachschule für Motopädagogik eine 200-stündige berufsbegleitende Zusatzqualifikation „Motogeragogik“ an. In Kooperation mit dieser Fachschule, die über jahrelange Erfahrung im Bereich der Motopädagogik und Motogeragogik verfügt, planen wir ein berufsbegleitendes Angebot an der Weiterbildung des Fachbereiches Pflege und Gesundheit der Fachhochschule Münster. Diese Weiterbildung wird dann mit einem Zertifikat der Fachhochschule Münster anschließen.

Weiterbildungsangebote finden sich unter www.Motogeragogik.de.

 

Am 5. und 6. März 2013 findet in Münster ein zweitägiges Seminar mit dem Titel „Am Ball bleiben statt“. Was ist Inhalt des Seminars und wer kann daran teilnehmen?
Das Seminar „Am Ball bleiben- Einführung in die motogeragogische Arbeit mit älteren Menschen mit und ohne Behinderung und demenzbedingten Fähigkeitsstörungen“ bieten wir in Kooperation mit der Fachschule für Motopädagogik in Neumünster an. Die Schule hat langjährige Erfahrung in der Aus-, Fort-und Weiterbildung in der Motogeragogik.

Der Inhalt des Seminars wird eine Einführung in das Konzept der Motogeragogik sein. Die Grundlage dafür ist das Konzept der Psychomotorik, die die Wechselwirkung von Kognition, Emotion und Bewegung betont. Beweglichkeit bedeutet in diesem Zusammenhang jedoch nicht nur, durch Übungen sportlich und geistig fit zu sein. Psychomotorik mit älteren Menschen, auch mit demenzbedingten Fähigkeitsstörungen, heißt gemeinsames Erleben von vielfältigen und erlebnisorientierten Wahrnehmungs-und Bewegungsmöglichkeiten, etwas über sich selbst zu erfahren, im kommunikativen Austausch mit anderen Menschen zu sein und Bewegungs- Situationen gemeinsam zu gestalten. Auch im Einführungsseminar werden bereits praktische Beispiele der Bewegungsförderung mit dem Schwerpunkt auf Kommunikation und Biographie-Arbeit, Musik und Rhythmus demonstriert und gemeinsam durchgeführt. Zudem wird über den Bereich der Sport-und Bewegungsgerontologie referiert und praktische Erfahrungsberichte von anleitenden Motopädagogen vorgestellt.

Das Einführungsseminar richtet sich an Fachkräfte der Alten-. Gesundheits-, und Krankenpflege, Heilerziehungspflege, Behindertenhilfe, der Therapieberufe ( z. B. Motopädiie, Physiotherapie, Ergotherapie), Pädagogik, Sport-und Gymnastiklehrende, Betreuungskräfte gem § 87b SGB.

Interessierte können sich unter https://www.fh-muenster.de/fb12/weiterbildung/
informieren und finden auf dieser Seite auch zur Online-Anmeldung.

Für Fragen stehen wir selbstverständlich gern zur Verfügung.

 

Herzlichen Dank, Frau Wintermeyer !!!

 

Flyer Am Ball bleiben – Einführung in die motogeragogische Arbeit

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Natali

© by Natali Mallek. Dipl. Sozialpädagogin/ Sozialarbeiterin, Gedächtnistraininerin, Master of Arts "Alternde Gesellschaften", Gründerin von Mal-alt-werden.de. Bücher von Natali Mallek finden Sie hier. Fortbildungen mit Natali Mallek finden Sie hier.

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Eine Antwort

  1. ergoolli sagt:

    mit interesse diesen artikel gelesen. weitere info gibt es z.b. auch bei http://www.majewski-akademie.de . dort wird ab juli 2013 auch eine weiterbildung angeboten.

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