Entspannung und Therapie für Senioren

Ein Interview mit Maria Metzger

Hallo Frau Metzger, stellen Sie sich doch bitte kurz vor.
Mein Name ist Maria Metzger, ich bin 57 Jahre alt und arbeite seit vielen Jahren in verschiedenen Häusern in der Seniorentherapie.
Ich unterrichte an zwei Altenpflegeschulen im Bereich Aktivierung und Stressprophylaxe und halte Workshops, Seminare und Fachvorträge im Bereich Senioren Aktivierung.
Beim Fachverlag Vincentz Network arbeite ich als Autorin ebenfalls seit vielen Jahren und dort sind auch meine beiden Bücher Fantasiereisen* und Fantasiereisen II*, das Spiel die „Sprichwortwürfel“ und ganz brandaktuell der „Aktivierungsblitz“* erschienen. Im Fachjournal „Aktivieren“ bin ich als freie redaktionelle Mitarbeiterin tätig.
Alle meinen bisher erschienen Werke basieren sehr stark auf der Biografiearbeit.
Außerdem arbeite ich als Entspannungstherapeutin in meiner eigenen Praxis mit den bekannten Methoden Autogenes Training nach Professor Schulz und Muskelentspannung nach Jacobson.

Wie kam es dazu, dass Sie sich auf die Therapie von Senioren spezialisiert haben? Und wie wichtig ist das Thema „Entspannung“ für die Betroffenen?
Senioren erleben ihren Alltag bei weitem nicht so entspannt, wie viele von uns denken. Veränderte Lebensbedingungen wie körperliche Einschränkungen, Schmerzen oder Vereinsamung führen häufig zu extremer Anspannung, die sich dann in aggressivem oder depressivem Verhalten dem Umfeld gegenüber bemerkbar macht.
In meiner Praxis arbeite ich mit Entspannungsmethoden die aus der Psychologie heraus bekannt sind und dieses Wissen setze ich mit großem Erfolg in der Seniorentherapie um.

In der Generation der heutigen Senioren ist der Begriff „Therapie“ ziemlich negativ besetzt. Da hört man Aussagen wie „Der hat sie nicht alle…“, „Die ist verrückt…“ oder „Die hat es mit der Psyche…“.
Wie gehen Sie bei Ihrer Arbeit vor damit sich die Senioren auf einen Therapieprozess einlassen? Wie können wir uns die Therapieeinheiten vorstellen?

Da bin ich völlig anderer Meinung. Der Begriff „Therapie“ war in meinen Stunden noch nie negativ besetzt. Meine Erfahrung zeigt gerade das Gegenteil. Zu Beginn hatte ich meine Stunden als Entspannungsstunden ausgeschrieben, was gar nicht so gut angenommen wurde.
Als ich dann die Stunden als „Entspannungstherapie“ ausgeschrieben habe, wurden diese Aktivierungseinheiten von den Teilnehmern und besonders von deren Angehörigen als deutlich höherwertig eingestuft.

Die Vorgehensweise ist genau strukturiert und ritualisiert. Ich arbeite immer nach der gleichen Methode, denn das vermittelt den Teilnehmern eine Sicherheit.
– Hinführung zum Thema
– Kurze Lockerungsübungen mit dem selben Instrumentaltitel (ca. 3,5 Minuten)
– Ruhetönung, das bedeutet, eine kurze Körperreise um das Gefühl des Ankommens und Wohlfühlens zu erspüren
– Vorlesen der Fantasiereise
– Kurze Kreislaufmobilisation
– Feedbackrunde
– Gedächtnistraining

Wenn ich an „meine“ Senioren und Menschen mit Demenz denke und an mögliche Themen für eine Therapie, dann denke ich an erster Stelle an Kriegstraumata…
Worunter leiden, ihrer Erfahrung nach, Ihre Patienten am meisten (wenn man das so pauschal sagen kann)?
Kriegstraumatas kommen bei mir extrem selten vor. Was allerdings thematisiert wird ist, dass Teilnehmer davon berichten, dass sie während der Kriegszeit keine Gelegenheit hatten, an Tanzveranstaltungen oder öffentlichen Gesellschaftsveranstaltungen teilzunehmen.
Leider mache ich sehr oft die Erfahrung, dass Senioren mit und ohne Demenz an der Vereinsamung und am Verlust der Würde in der Gesellschaft leiden. Das ist ein Thema, über das in meinen Gesprächsrunden oft gesprochen wird. Es kommt nicht selten vor, dass sich die Betroffenen dann in ihre eigene Welt zurückziehen. Dabei können Geschichten aus dem früheren Leben der Teilnehmer die Erinnerungsfähigkeit wieder anregen und sie dadurch aus ihrer Lethargie befreien.

Wir haben vorhin über das Thema „Entspannung“ gesprochen. Sie haben, zusammen mit dem Vincentz Verlag, zwei Bücher mit Fantasiereisen für Senioren veröffentlicht.
Worauf muss man achten wenn man Fantasiereisen mit Senioren macht? Was können die Fantasiereisen bei den Betroffenen auslösen?
Die Fantasiereisen beschreiben Situationen, die die Zuhörer so oder in ähnlicher Form schon einmal erlebt haben können. Diese „Reaktivierung von Erlebtem“ genießen die Senioren und diese sehr positiv besetzten Erlebnisse führen in Folge zur Entspannung.
Es kann selbstverständlich auch vorkommen, dass Tränen fließen, wenn beispielsweise in der Geschichte Kinder oder Enkel beschrieben werden, die bei einigen der Zuhörer bereits verstorben sind. Hier ist es wichtig, die Tränen auch fließen zu lassen und darüber zu sprechen. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es gerade diesen betroffenen Personen im Anschluss deutlich besser geht.

 

Können Sie vielleicht eine kleine Geschichte erzählen, die verdeutlicht, was Sie mit Ihrer Arbeit erreichen können?
Da fällt mir spontan die Geschichte einer Dame ein, welche erst seit einigen Wochen im Seniorenheim war. Mit dem Eintritt in die Einrichtung hat die Dame vollständig ihre Sprache „abgelegt“. Sie kommunizierte weder mit dem Pflegepersonal, noch mit dem Hausarzt und schon gar nicht mehr mit den Angehörigen. Sie wurde untersucht, aber es konnte keine organische Störung festgestellt werden.
In meinen Therapiestunden saß sie zwar regelmäßig, aber auch dabei völlig teilnahmslos. Nach einiger Zeit hatte ich die Fantasiereise „Spaziergang im Weinberg“ vorgelesen. Wie in den Stunden davor, sprach ich bei der Feedbackrunde auch diese Dame an und dabei passierte etwas völlig Überraschendes. Die Dame begann zu erzählen, denn sie war auf einem Weingut in Ungarn aufgewachsen. Die übrigen Teilnehmer der Runde lauschten gebannt, denn von diesem Tag an hat die Dame wieder gesprochen. Die seelische Sprachblockade war gelöst.
Ist das nicht ein wunderschönes Erlebnis?

Was wünschen Sie sich von der Zukunft?
Für die Zukunft wünsche ich mir, dass die Pflegekräfte und vor allem die Betreuungskräfte mehr Zeit und Raum in ihrer so extrem wertvollen Arbeit finden, um ganz individuell auf die Bedürfnisse der Senioren eingehen zu können.
Für mich persönlich wünsche ich mir, dass ich die vielen Ideen und Anregungen, die ich noch im Kopf habe, gemeinsam mit dem Vincentz Verlag umsetzen kann, um den Betreuungskräften hilfreiche und jederzeit einsetzbare Unterstützung bieten zu können.
Meine Erfahrung hat mir gezeigt, dass Kommunikation und persönliche Zuwendung für Senioren enorm wichtig sind, um deren Selbstwertgefühl im Alter zu stärken und um ihnen die persönliche Wertschätzung entgegen bringen zu können.

Herzlichen Dank, Frau Metzger!!!

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Annika

© by Annika Schneider. Staatlich examinierte Ergotherapeutin, Chefredakteurin von Mal-alt-werden.de. Bücher von Annika Schneider finden Sie hier.

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