Die Tanzstunde. Eine Hoffnungsgeschichte

Erinnern sich die Senioren noch an ihre erste Tanzstunde? Die war doch sehr aufregend! Lesen Sie dazu den Senioren eine Hoffnungsgeschichte vor.

Die Tanzstunde

Im Seniorenheim findet heute ein Tanznachmittag statt. Hanna und Franz freuen sich darüber, denn sie waren immer leidenschaftliche Tänzer. Heute können sie das Tanzbein zwar nicht mehr ganz so flott schwingen, aber Spaß macht ihnen das gemeinsame Tanzen immer noch. Und die Betonung liegt auf: gemeinsam. Denn Hanna und Franz hatten nie andere Tanzpartner, sie haben immer nur miteinander getanzt. Sie sagen, sie sind sich immer treu geblieben – auch beim Tanzen. Aber das muss ja auch wohl so sein, denn sie haben sich beim Tanzkurs kennen- und lieben gelernt.



Es war in den 1950er Jahren. Hanna hatte gerade ihre Lehre abgeschlossen. Die Freundinnen hatten von einer Tanzschule in der Stadt gehört. Es wurde erzählt, dass man dort flotte Musik hören und auch flotte junge Männer kennen lernen könne. Also wurde Hanna kurzerhand von ihren Freundinnen zum Tanzkurs angemeldet, denn Hanna war etwas schüchtern und hatte sich noch nie mit einem Jungen verabredet. Das müsse geändert werden, meinten die jungen Damen, steckten Hanna in einen Petticoat, zogen ihr ein paar Pumps an, banden ihre Haare zu einem Pferdeschwanz und zogen sie in die Straßenbahn, die in die Stadt fuhr.

Hanna war schon sehr nervös, als sie in der Tanzschule ankamen. In dem großen Tanzsaal waren an den gegenüberliegenden Wänden zwei Stuhlreihen aufgebaut. Links saßen die Mädchen und rechts die Jungen. Alle flüsterten miteinander und guckten verstohlen herüber. Hanna saß stocksteif auf ihrem Stuhl und hatte feuchte Hände vor Aufregung. Eigentlich wollte sie gar nicht hier sein. Aber andererseits wurde es ja doch mal langsam Zeit, jemanden kennenzulernen. Immerhin war sie schon achtzehn Jahre alt. Aber sie müsste dann nicht nur mit den Jungs tanzen, sondern sich auch unterhalten. Über was sprachen den Jungen? Wahrscheinlich über Fußball und Autos, aber davon hatte Hanna gar keinen blassen Schimmer. Und wie ist das beim Tanzen? Da kam man sich zwangsläufig doch sehr nahe. War das nicht unangenehm?

Ein Ehepaar begrüßte die jungen Leute und legte Benimmregeln fest: Der Mann habe die Dame zum Tanz aufzufordern, sich später für den Tanz zu bedanken und wieder auf ihren Platz zu geleiten. Dann führte das Ehepaar die Schritte für einen Walzer vor – erst ohne Musik und dann mit Klavierbegleitung. Das sah sehr hübsch aus, wie elegant die beiden über das Parkett schwebten. Ja und dann sollten die jungen Leute das nachmachen. Die Jungs kamen zögernd herübergeschlendert und forderten die Mädels zum Tanz auf. Hanna wartete. Die hübschesten Mädels wurden von den forschesten Jungs direkt weggeschnappt. Hanna wartete. Dann saßen nur noch ein paar Mädchen auf den Stühlen. Der Tanzlehrer sagte schon: „Nur zu Jungs, keine Bange. Die Damen beißen nicht.“ Hanna wartete. Jetzt hatten auch die letzten Mädchen einen Partner gefunden. Doch Hanna wartete noch immer. Sie wusste nicht, ob es ihr peinlich war oder sie froh sein sollte. „Würdest du gerne mit mir tanzen?“ Ganz plötzlich stand ein dünner Schlacks vor ihr. Er hatte ein hochrotes Gesicht und war augenscheinlich genauso nervös wie sie. Auch seine Hände waren feucht als er sie zur Tanzmitte zog. Sie übten die Schritte für den Walzer. Dann setzte die Klaviermusik ein und mit jedem Takt machte es Hanna mehr Spaß mit Franz zu tanzen. Am Ende tanzten sie den Walzer perfekt miteinander. Und so sollte es auch bleiben. Sie tanzten nicht nur gemeinsam wundervoll zu Walzer, Tango oder sogar Rock ´n Roll über das Parkett, sondern auch gemeinsam durch das Leben.

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Monika

© by Monika Kaiser. Buchhändlerin, Betreuungskraft, Autorin bei Mal-alt-werden.de

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