Meminto – Bücher voller Erinnerungen

Ein Interview mit Albert Brückmann

Im Rahmen der Seniorenarbeit beschäftigen wir uns zu einem großen Teil mit den Biografien der Menschen, die wir begleiten. Vieles gerät jedoch leider im Laufe unseres Lebens in Vergessenheit – nicht nur bei Menschen, die an Demenz erkrankt sind. Das Unternehmen Meminto möchte sich dafür einsetzen, dass Lebensgeschichten nicht mehr vergessen werden, und hat Ideen dazu entwickelt: Bücher voller Erinnerungen gegen das Vergessen.
Wir sprechen heute mit Albert Brückmann, Gründer von Meminto. Lieber Herr Brückmann, stellen Sie sich unseren Lesern doch bitte einmal kurz vor!

Danke für die Einladung zu diesem Interview! Zu meiner Person: Ich bin Mitte 30, Medieninformatiker, Ehemann und Papa von drei Söhnen. Mit meiner Familie bin ich gerne auf reisen überall auf der Welt.
Ich liebte es schon immer, an neuen Erfindungen und technischen Prozessen zu feilen und neue Ideen auszuprobieren. Und da habe ich schon einige hinter mir! Jetzt ist uns mit Meminto etwas gelungen, das Menschen wirklich lieben.

Das Anliegen von Meminto ist es, Raum für Erinnerungen zu schaffen und das Vergessen zu verzögern. Wie sind Sie auf die Idee gekommen, diese Bücher zu entwickeln?

Die Idee ist nicht grundsätzlich neu. Mit Büchern wie zum Beispiel „Oma erzähl mal“ (von Elma de Vliet) gibt es ja bereits sehr erfolgreiche analoge Produkte auf dem Markt. Wir haben den Prozess digitalisiert und mit vielen neuen Möglichkeiten ausgestattet, die es in Ausfüll-Büchern nicht gibt. Der entscheidende Ausschlag kam, als uns bewusst wurde, dass viele Nutzer der analogen Bücher auf halber Strecke aufhören. Meminto Stories hilft proaktiv weiter und das Projekt kann sogar mit mehreren Personen bearbeitet werden.

An welche Zielgruppe richten sich die Lebensbücher von Meminto und wie funktioniert das Gestalten der Bücher? Haben Sie schon Rückmeldungen von Senioren bekommen, die ihre eigenen Lebensbücher erstellt haben?

Lebensbücher werden vor allem von über 50-jährigen ausgefüllt, die es geschenkt bekommen. Unsere Fragensammlungen sind zwar sehr umfangreich, aber wir „überlasten“ die Benutzer nicht, wie es die Ausfüll-Bücher oft machen. Aufgrund von persönlichen Angaben, die zu Beginn gemacht werden, wählt Meminto aus hunderten Fragen die 52 besten aus, die zum Leben der Person passen. Man kann diese Fragen nun noch weiter anpassen, löschen oder durch andere Fragen ersetzen. Am Ende ist jedes Buch ein absolutes Unikat.

Das Gestalten der Bücher kann indes am Computer oder Smartphone erfolgen. Mit über 30 vorgefertigten Layouts nimmt Meminto Kunden dabei auch hilfreich an die Hand. Am Ende wird das Buch in gewünschter Auflage gedruckt und versendet – sogar weltweit, deutsch oder englisch.

Wie funktioniert das Gestalten von Büchern mit Lebensgeschichten für Menschen mit Demenz? Welche „Schlüssel“ gibt es, mit denen die Betroffenen Zugang zu ihren Erinnerungen erlangen können? Wer kann beim Aufschreiben helfen?

Vorbereitend haben wir uns dazu viele Fälle von Demenz angesehen. Es gibt Stadien, da ist das Ganze noch gut möglich, aber in der Tat nicht mehr, wenn die Demenz weit fortgeschritten ist. Dennoch – Besonders anregend wird das Buchschreiben, wenn Kinder und Enkel am Prozess teilnehmen und eigene Fragen erstellen, um diese an die „Autoren“ zu richten. Denn dann entsteht eine tiefere zwischenmenschliche Verbindung. Das haben wir in der Tat schon öfter erlebt, dass Kunden uns gesagt haben: „Wir sind total erstaunt, so vieles wussten wir noch gar nicht über das Leben unseres Vaters!“

Der Schlüssel sind unsere tiefgehenden Fragen, die inspirierend wirken. Oft meint man, schon vieles vergessen zu haben, selbst wenn keine Demenz vorliegt. Aber wenn gezielt nach bestimmten Situationen gefragt wird, kommt vieles wieder zum Vorschein.

Technisch gesehen kann man bis zu 35 Personen zu seinem Buchprojekt einladen und diese am Entstehungsprozess teilhaben lassen. Meminto Stories ist damit mehr als nur eine Software, um Bücher zu erstellen. Es hat Züge einer sozialen Plattform, die Menschen sogar zu Tränen rühren kann, wie wir erst neulich von einer Kundin gehört haben, die ihren Vater verloren hat. Hier hatte der Prozess eine heilende Wirkung.

Als eine besonders schöne Idee empfinde ich die Erinnerungsbücher, die an Menschen erinnern sollen, die leider nicht mehr bei uns sind. Wie sind die Bücher aufgebaut? Wie werden sie angenommen? Von wem werden sie geschrieben?

Das Erinnerungsbuch ist entstanden, als mein Großvater vor wenigen Wochen während der Corona-Beschränkungen verstorben ist. Weil es keine Nachfeier gab und man sich nicht über das bewegte Leben des fast 90-jährigen austauschen konnte, half das Erinnerungsbuch hier sehr weiter.

Das gesamte Team hat in Windeseile über 130 Fragen aus vielen Lebensbereichen in chronologischer Form zusammengetragen, die von Angehörigen und Freunden beantwortet werden können. Aber auch Fragen zu persönlichen Eigenschaften und Vorlieben können beantwortet werden. Natürlich kann man auch hier wieder selbst eigene Fragen und Überschriften definieren, sollte etwas fehlen.

Gerade arbeiten 16 Familienmitglieder am Projekt und haben schon über 160 Seiten mit Geschichten, gemeinsamen Erlebnissen und Fotos gefüllt. Selbst Verwandte aus den USA und vielen Ecken in Deutschland konnten sich beteiligen und Aspekte einbringen, die sonst in Vergessenheit geraten wären.

Was wünschen Sie sich von der Zukunft? Was haben Sie für Pläne oder Ideen?

Unsere Vision ist es, Menschen dabei zu helfen, Erinnerungen festzuhalten, so lange es geht. „Wer schreibt, der bleibt“, so sagt es der Volksmund. Dazu entwickeln wir heute Instrumente und Tools wie unsere App, die man immer dabei haben und verwenden kann, wenn gerade eine neue Erinnerung aufkommt.

Wir denken auch, dass Fotobücher zwar ihre Daseinsberechtigung haben, aber viele Fotos in einem Fotobuch müssen, wenn es tiefergehend betrachtet wird, doch wieder von jemandem erklärt werden. Das kann ein Meminto Stories Buch übernehmen.

Derzeit arbeiten wir auch an einem Prototypen, mit dem wir bereits jetzt Videos in Bücher integrieren können. Heute müssen diese zwar noch mit vorgehaltenem Smartphone abgespielt werden, bald aber schon wird es möglich sein, diese durch das Aufsetzen von smarten Brillen anzusehen. Wer dann durch ein Meminto Stories Buch blättert, wird ganz neue Formen von Erinnerungen sehen, die uns nachhaltig zum Staunen bringen, so viel können wir bereits jetzt versprechen!

Herzlichen Dank, Herr Brückmann!!!

Zur Internetseite: meminto.com/de

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Annika

© by Annika Schneider. Staatlich examinierte Ergotherapeutin, Chefredakteurin von Mal-alt-werden.de. Bücher von Annika Schneider finden Sie hier.

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