Musiktherapie für Senioren

Dorothea Brzeski erzählt von ihrer Arbeit.

Dorothea Brzeski arbeitet als Musiktherapeutin mit Senioren

Klang- und Musiktherapeutin

 

Hallo Frau Brzeski, stellen Sie sich doch bitte kurz vor.
Mein Name ist Dorothea Brzeski, ich bin Klang- und Musiktherapeutin und habe eine Praxis in Schaafheim. Ich arbeite mit Kindern, Jugendlichen, Erwachsenen und Senioren.

 

Was genau ist eigentlich Musiktherapie?
In der Musiktherapie setzt man Musik als Medium ein um eine nonverbale Kommunikation zu erreichen. Sie ist überall da geeignet, wo eine verbale Kommunikation nur schwer oder gar nicht möglich ist.
Es gibt 2 Bereiche in der MT. Die passive, rezeptive MT und die aktive MT. In der passiven Musiktherapie hört der Klient Musik entweder gespielt von der Therapeutin oder von CD. Danach spricht man darüber, was während der Musik für Erinnerungen, Gefühle und Gedanken hoch kamen. Man erreicht mit der MT die Seele sehr direkt und dadurch öffnet sich oft ein Klient um über sich zu sprechen.
Der andere Bereich ist die aktive MT. Hier musiziert der Klient und die Therapeutin auf verschiedenen leicht spielbaren Instrumenten, bzw. Orff- Instrumenten. Es kommt dabei nicht darauf an, das Instrument zu beherrschen, sondern sich darauf auszudrücken und Gefühle zu äußern.

 

Welche Bedeutung hat Musik für Sie persönlich?
Ich bin mit Musik groß geworden und liebe sie. Seit meinem 6. Lebensjahr spiele ich Klavier, und habe dann später eine Ausbildung zur Musikpädagogin gemacht. Viele Jahre lang gab ich Musikunterricht, spielte und sang in verschiedenen Bands und immer wieder auch in Chören.
Musik hat mich persönlich schon durch schwere Zeiten begleitet und ist für mich immer wieder eine Stütze und Hilfe im Alltag.

 

Wie ist es dazu gekommen, dass Sie Musiktherapie anbieten?
Im Umgang mit Menschen und Schülern merkte ich schnell, dass Musik sehr viel in uns bewegt und uns hilft unsere Stimmungen und Gefühle auszudrücken. Das wollte ich stärker nutzen und habe mich dazu entschieden noch eine Ausbildung zur Klang- und Musiktherapeutin zu machen.

 

Wer nimmt Musiktherapie in Anspruch?
Das fängt bei Kindern an und endet bei Senioren. Es sind Menschen die in ihrem Leben irgendwie an einen Punkt kommen, wo sie Unterstützung brauchen sei es bei Depressionen, Ängsten, Trauer, ADS, ADHS, Demenz uvm.

 

Ist Musiktherapie für den Einsatz in der Seniorenarbeit geeignet?
Sehr. Das musikalische Gedächtnis ist von Demenz z.B. überhaupt nicht betroffen.
Musik kann ihnen helfen sich auch körperlich zu bewegen und dadurch neue Freude und Energie zu bekommen. Durch das Singen von Liedern mit mehreren Strophen erreicht man ein spielerisches Gedächtnistraining für Senioren, was ihnen viel Spaß macht.

 

Wie kann man Musiktherapie in der Arbeit mit Menschen mit Demenz einsetzen? Was kann man mit Musiktherapie erreichen?

Durch den Hörnerv gelangt die Musik in unser Gehirn, in das limbische System. Dort ist der Sitz unserer Gefühle. Das vegetative Nervensystem wird von da aus gesteuert. Es beeinflusst die Atmung, Blutdruck, Muskeltonus, Hormone (Endorphine werden ausgeschüttet) usw.
Von daher wirkt Musik auf den ganzen Menschen. Sie wirkt belebend, macht gute Laune, kann uns zum Weinen bringen oder auch aggressiv machen, aber auch zur Ruhe bringen.
Die Musik wirkt dabei ordnend, strukturierend, harmonisierend.

Durch das Singen von Liedern die sie aus ihrer Jugendzeit kennen erleben sie oft ganz verschiedene Erinnerungen. Sie fühlen sich „normal“ wie in früherer Zeit. Es finden sich dadurch Anknüpfungspunkte zu ihrer eigenen Person, zu dem Ort wo sie sich befinden und zu Erlebnissen die sie mit diesem Lied verbinden.
Das kognitive Verhalten erfährt dadurch eine Verbesserung.
Umherirrendes Verhalten wird beruhigt oder sogar blockiert. Das Verhalten wird insgesamt ruhiger, gelassener.
Musik löst sie aus der Erstarrung in der sie sich durch die Krankheit befinden.
Sie bauen Kontakt zu anderen Menschen in der Gruppe auf und empfinden sich als Teil einer Gemeinschaft.

Durch das Improvisieren auf einfachen Instrumenten können verschiedene Sinne und Interessen angesprochen werden und Gefühle und Stimmungen gut ausgedrückt werden. Es ist einfach okay die Wut in die Trommel zu schlagen.
Hier haben Senioren die Möglichkeit sich nonverbal auszudrücken. Der Zugang zu Gefühlen wie Freude, Wut, Trauer oder Angst wird über das Instrument leichter. Dabei können Verletzungen und Traumata verarbeitet werden. Das wirkt sich oft positiv auf das seelische Gleichgewicht aus.
Außerdem ermöglicht die Improvisation ein individuelles Eingehen auf jeden einzelnen Gruppenteilnehmer.

Bewegung und Tanz aktivieren die Beweglichkeit und die Motorik. Händeklatschen, Armbewegungen oder Sitztänze sprechen verschiedene Sinne an. Bei Liedern mit Bewegungen kann man auch Tücher, Bälle oder Reifen mit einsetzen.

 

Gibt es Elemente der Musiktherapie, die auch „Nicht-Therapeuten“ einsetzen können?

  • Singen bekannter Lieder mit einem Instrument begleitet (Klavier, Gitarre etc.)
  • Bewegungslieder
  • Musik von CD und dazu Tanz anbieten
  • Musikspiele z.B. Musik-Stopp-Spiel , dabei spielt jeder ein Instrument zu einer CD Musik. Wenn die CD gestoppt wird müssen alle aufhören zu spielen. Wer zuletzt noch zu hören ist, scheidet aus. Man spielt solange bis nur noch einer übrigbleibt. Er hat dann gewonnen.

 

Stoßen Sie bei Ihrer Arbeit mit Senioren auch manchmal an Grenzen?
Immer wieder wird man mit den Gefühlen der Senioren konfrontiert. Sie aufzufangen ist eine echte Herausforderung. Das ist nicht immer so einfach, gerade bei Gefühlen wie Wut oder Trauer.

 

Können Sie vielleicht eine kleine Anekdote erzählen, die verdeutlicht was Sie mit Ihrer Arbeit erreichen?
In einer Demenzgruppe hatte ich eine Frau die sehr zurückgezogen war und sich nicht beteiligt hat. Sie wirkte sehr traurig und depressiv. Als ich das Klavier frei gab und jeder der wollte ans Klavier gehen konnte und es spielen durfte, ging sie ganz strack ans Klavier und spielte wunderschön. Ihre ganze Stimmung veränderte sich und sie strahlte über das ganze Gesicht. Sie hatte früher gut Klavier spielen können, es aber total vergessen. Durch das Spielen kamen die Erinnerungen und sie fühlte sich so wie früher. Danach sprach sie mit den anderen und auch mit mir und erzählte aus ihrem Leben. Eine Blockade hatte sich gelöst.

 

Herzlichen Dank, Frau Brzeski !!!

 

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Natali

© by Natali Mallek. Dipl. Sozialpädagogin/ Sozialarbeiterin, Gedächtnistraininerin, Master of Arts "Alternde Gesellschaften", Gründerin von Mal-alt-werden.de. Bücher von Natali Mallek finden Sie hier. Fortbildungen mit Natali Mallek finden Sie hier.

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