Kaffeeduft liegt in der Luft. Eine Duftgeschichte für die Seniorenarbeit

Für das Vorlesen dieser Sinnesgeschichte können Sie gut ein paar frische Kaffeebohnen, Kaffeepulver oder gekochten Kaffee mit in die Runde bringen. Bieten Sie den Senioren an, daran zu riechen. Lesen Sie die fett gedruckten Stellen im Text besonders betont und langsam vor.
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Kaffeeduft liegt in der Luft. Eine Duftgeschichte für die Seniorenarbeit

Jürgen sitzt am Kaffeetisch und schlürft seinen Morgenkaffee. Auf dem Tisch liegt die Tageszeitung. Es ist Samstag. Samstags nimmt er sich immer die Zeit, in Ruhe seinen Kaffee zu trinken, muss er doch wochentags immer so früh zur Arbeit fahren. Jürgen genießt es sehr, wenn das ganze Haus von Kaffeeduft erfüllt ist. Wenn er frisch aufgebrühten Kaffee riecht, stellt sich bei ihm ein vertrautes Gefühl ein, das er schon aus seiner Kindheit kennt.

Damals war der Duft von gerösteten Kaffeebohnen und fertigem, frisch aufgebrühtem Filterkaffee am Morgen immer ein Zeichen, dass seine Eltern bereits aufgestanden waren und das Frühstück vorbereitet war. Lange Zeit mochte er keinen Kaffee. Den Geschmack fand er regelrecht scheußlich. Er konnte nicht verstehen, wie Erwachsene diese bittere Flüssigkeit auch nur annähernd trinken konnten. Aber den Geruch, ja den Geruch mochte er sehr. Oft schnupperte er an der Kaffeetasse seines Vaters. Der trank seinen Kaffee früher mit einem Schuss Sahne und Zucker. Der warme Dampf aus der Kaffeetasse stieg ihm also in die Nase. Der Kaffee roch kräftig. Je kräftiger er war, desto lieber mochte Jürgen ihn riechen. Nur trinken, damit hat er erst angefangen als er älter war.

Was auch noch besonders schöne Erinnerungen aus seiner Kindheit sind, waren die Besuche mit seiner Tante Rosi im Kaffeehaus. Meist machten sie davor einen langen Bummel durch die Stadt und kamen dann ins Kaffeehaus, um sich bei Kakao und Kaffee aufzuwärmen. Schon beim Eintreten genoss Jürgen den Duft der frisch gemahlenen Kaffeebohnen, der sich rund um die Theke ausbreitete. Meist blieb er einen Moment dort stehen, schaute sich die wunderschön verzierten Kaffeebehälter an, die an der Wand hingen und lauschte der Kaffeemühle. Fast immer bekam er von der Dame hinter dem Tresen eine ganze Kaffeebohne geschenkt. Sie roch ein wenig stärker als das Kaffeepulver, etwas herb und weniger aromatisch. Hätte er sie in den Mund genommen, wäre sie wohl sehr bitter gewesen. Aber Jürgen hat die Kaffeebohne ganz leicht zwischen seinen Fingerspitzen gerieben. Immer wieder, wenn er danach an seinen Fingern gerochen hat, kam ihm ein Hauch Kaffeebohnenduft entgegen. Jürgen genoss den harmonischen Duft nach gemahlenem und frisch aufgebrühtem Kaffee in dem Kaffeehaus sehr. Und auch wenn er heute in ein Kaffeehaus einkehrt, kann er von dem ganz besonderen Kaffeeduft dort in einer ruhigen Atmosphäre gar nicht genug bekommen.

Jürgen trinkt seinen Kaffee heute schwarz. So kann sich der ganze vollmundige Geschmack in seinem Mund entfalten. Und nur so kann er die verschiedenen Aromen im Kaffee unterscheiden. Mal duftet er eher kräftig und fruchtig, mal eher herb. Morgens trinkt Jürgen seinen Kaffee lieber stark, am Nachmittag etwas milder. Was für ihn aber in all den Jahren am wichtigsten war, ist dieser ganz besondere Duft, der sich ganz langsam ausbreitet und das ganze Haus mit frischem Kaffeeduft erfüllt. So wie früher, als er noch ein Kind war…

Diese Wahrnehmungsgeschichte ist auch in dem Buch “Wahrnehmungsgeschichten” aus der Reihe “SingLiesel kompakt!” erschienen. Sehen Sie sich hier unsere Buchvorstellung an!

Annika

© by Annika Schneider. Staatlich examinierte Ergotherapeutin, Chefredakteurin von Mal-alt-werden.de. Bücher von Annika Schneider finden Sie hier.

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Eine Antwort

  1. Elke Krieg sagt:

    Zuerst mal vielen, vielen Dank für die tollen Ideen auf euere Webseite! Ich habe schon so viele Geschichten und Gedichte ausgedruckt und verwendet. Nun habe ich eine Bitte: Wenn ich die Geschichte ausdrucken möchte, so nimmt das Titel-Bild sehr viel Platz ein. Es sieht zwar schön aus, aber eigentlich brauche ich es nicht. Es verbraucht auch viel Druckertinte.
    Wäre es möglich, eine druckfreundlichere Variante ohne Bild einzustellen?

    Internette Grüße
    Elke

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