Fotos für die Erinnerungen

Im Gespräch mit Christian Fritschle über das Internetportal waldexperten.de

 

Hallo Herr Fritschle, stellen Sie sich doch bitte kurz vor.



Mein Name ist Christian Fritschle, geboren am 10. April 1969 in Marburg. Ich bin Diplom-Psychologe und lebe mit meiner Familie in Butzbach.

Mit großem Interesse sind wir auf Ihr Internetportal waldexperten.de aufmerksam geworden. Würden Sie unseren Lesern die Arbeit von waldexperten.de einmal vorstellen?

In Deutschland gibt es immer mehr Menschen, die Wald erben und nichts damit anfangen. Die Waldstücke sind oft klein, liegen weit weg vom Wohnort und die Erben haben weder Ahnung von der Forstwirtschaft, noch die Zeit, sich damit zu beschäftigen. In Folge wird dieser Wald nicht mehr gepflegt – und damit nicht auf die kommenden klimatischen Bedingungen angepasst, keine Schädlinge mehr bekämpft und Aufträge für die lokale Forstwirtschaft bleiben aus. Das ist schlecht für den Wald, kann gefährlich werden für die Waldbesucher und es gibt weniger Arbeitsplätze in den ländlichen Gebieten. Das wollten wir ändern, indem wir es den Waldbesitzern noch einfacher gemacht haben, sich um ihren Wald zu kümmern: diese können sich jetzt über uns aktuelle Fotos von ihrem Wald besorgen und durch Privatförster beraten lassen – und alles geht online.
Irgendwann kamen dann die Erben von Waldstücken auf uns zu mit dem Hinweis, dass sie nicht nur Wald, sondern auch noch das leerstehende Haus der verstorbenen Großmutter, einen kleinen Garten und etwas landwirtschaftliche Fläche geerbt haben. Folglich haben wir das Fotos machen über den Wald hinaus auf Grundstücke und Immobilien erweitert. Da dann noch weitere Anfragen kamen, haben wir diese Beschränkung dann ganz aufgehoben und mittlerweile kann Jeder deutschlandweit aktuelle Fotos von frei wählbaren Orten erhalten. Frei wählbar bedeutet, dass hierbei natürlich die in Deutschland geltenden Gesetze für das Betreten und Fotografieren von Orten zu beachten sind.
Mittlerweile wird unser Angebot auch von Menschen genutzt, die umgezogen sind und jetzt wissen möchten, wie es an ihrem früheren Wohnort aussieht. Oder Menschen, die mal irgendwo in Deutschland Urlaub gemacht haben oder welche, die wissen möchten, wie es jetzt bei ihrem ehemaligen Arbeitgeber aussieht.

Im Laufe der Zeit ist die Idee entstanden, die Fotos auch für die Seniorenarbeit zu nutzen. Wie kam es dazu?

Ich komme aus einer Familie mit einer langen Pflegetradition: meine Oma hat ihre Mutter viele Jahre zuhause gepflegt und meine Tante später dann ihre Mutter. Daher ist mir die Pflege nicht fremd und mir war es wichtig, dass wir es kostenlos möglich machen, dass ältere und kranke Menschen ihre Orte wieder besuchen können – und sei es auch nur virtuell.

Wie kann man sich an Sie wenden, wenn man auf der Suche nach einem Foto von einem besonderen Ort ist, den man selbst nur schwer erreichen kann?
Was machen Sie, sobald Sie eine Anfrage bekommen haben?

Wir haben zwei Internetseiten: auf www.waldexperten.de werden die Orte eingegeben – und auf www.waldmelder.de kommen sie wieder als Foto-Aufträge heraus. Daher: einfach eine Mail mit der Ortsangabe an info@waldexperten.de schicken. Wenn historische Aufnahmen davon vorhanden sind, am besten eine Kopie davon mitschicken – dann können wir versuchen, genau das gleiche Foto nochmal fotografieren zu lassen.
Die Ortsbeschreibungen geben wir dann an unsere „Waldmelder“ weiter, so heißen bei uns die Menschen, die in ihrer Freizeit die Fotos machen. Wir veranstalten für die Waldmelder auch ein monatliches Gewinnspiel, viele freuen sich aber einfach, mit den Fotos einem anderen Menschen einen Herzenswunsch erfüllt zu haben. Wer auch gerne Waldmelder werden möchte, ist herzlich eingeladen, sich unter waldmelder.de zu registrieren.

Haben Sie schon Rückmeldungen von Angehörigen, Pflege- und Betreuungskräften bekommen? Wie werden die Fotos angenommen, welche Erinnerungen werden bei den Betroffenen geweckt?

Ja, wir haben schon viele persönliche „Dankeschöns“ erhalten. Teilweise erfahren wir schon vorher, warum dieser Ort für diesen Menschen wichtig war – dann können wir uns schon vorstellen, wie es für ihn ist, wenn er den Ort wiedersieht, an dem er vor langer Zeit mit seiner großen Liebe unterwegs war…

Gibt es bestimmte „Motive“, die besonders gefragt sind?

Ja, Ausflugsziele sind sehr beliebt. Aber auch normale Straßen, die eine besondere Bedeutung haben (Schulwege zum Beispiel).

Würden Sie uns vielleicht eine kleine Geschichte oder Anekdote erzählen, die verdeutlicht, was Sie mit Ihrer Arbeit erreichen können?

Viele der alten Häuser und Wälder werden an Erbengemeinschaften vererbt. Diese Menschen leben oft weit voneinander entfernt. Es ist ziemlich unrealistisch, das für ein altes Haus oder ein kleines Waldstück viele hundert Kilometer zurückgelegt werden. In einem Fall hatte das zur Folge, dass das geerbte Haus dem Verfall preisgegeben war. Unter den Erben entbrannte der Streit, wer mehr Zeit hätte, sich darum zu kümmern. Bis einer der Erben auf die Idee kam, sich über uns aktuelle Fotos von dem Haus zu holen. Die Fotos haben den wirklich schlechten Zustand des Hauses ihrer Kindheit gezeigt – und es ging ein Ruck durch die Erbengemeinschaft, dass zu ändern. Mittlerweile konnte das Haus gerettet und an einen Interessenten vor Ort verkauft werden. Wieder ein leerstehendes Haus weniger – und ein paar Menschen mehr, die mehr miteinander sprechen als vorher.

Was wünschen Sie sich von der Zukunft?

Das wir möglichst vielen Menschen helfen können, ihre Erinnerungen aufzufrischen. Vielen alten Häusern wieder neues Leben und dem Wald den Schutz geben zu können, den er braucht, um auch für kommende Generationen da sein zu können.

Herzlichen Dank, Herr Fritschle!!!

Ich danke Ihnen!

Zur Internetseite: waldexperten.de und waldmelder.de

*Biografiearbeit*

Annika

© by Annika Schneider. Staatlich examinierte Ergotherapeutin, Chefredakteurin von Mal-alt-werden.de. Bücher von Annika Schneider finden Sie hier.

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