Begleitetes Malen für Menschen mit Demenz…

Im Gespräch mit Simone Hafner

Hallo Frau Hafner, stellen Sie sich doch bitte kurz vor.

Ich bin im Juni 1976 geboren, bin seit 2002 verheiratet und habe zwei Söhne.
Beruflich habe ich nach der Schule erst eine Ausbildung als Erzieherin gemacht. Da es mich inhaltlich sehr beschäftigt hat, dass für Kinder mit besonderen Bedürfnissen im Kindergartenalltag keine Zeit war, habe ich im Anschluss direkt eine Ausbildung als Ergotherapeutin angeschlossen. Nach deren Abschluss habe ich in der Kinder-und Jugendpsychiatrie gearbeitet und nebenberuflich die Ausbildung als Malleiterin für Begleitetes Malen gemacht. Zurzeit arbeite ich 50% als Erzieherin und habe direkt am Haus ein Atelier, in dem ich Begleitetes Malen anbiete.



Was ist begleitetes Malen?

Begleitetes Malen ist eine Form der Kunsttherapie und bedarf keinerlei künstlerische Vorkenntnisse. Ich gehe davon aus, dass vieles was wir erleben nicht richtig verarbeitet wird und uns im Alltag, in zwischenmenschlichen Beziehungen, im Beruf oder der Schule zu schaffen macht. Gerade für jemanden, der introvertiert ist oder sich nicht verbal äußern kann bedarf es einer Methode mit der man sich nonverbal mitteilen kann.
Über das Malen kommen diese inneren Bilder nach außen und werden einem bewusst. Als Malleiterin begleite ich die Entstehung des Bildes und helfe bei Widerständen, ähnlich einer Hebamme.
Das Atelier ist ein geschützter Raum, in dem man sich fallenlassen kann und aufgefangen wird.

Wer kann zu Ihnen kommen sich von Ihnen begleiten lassen? Was kann das Malen bei demjenigen erreichen?

Zu mir kommen sowohl Kinder als auch Erwachsene. Kindern hilft die Möglichkeit frei und ohne Beurteilung malen zu dürfen, sie haben Raum für sich und können die vielen Eindrücke der immer schneller werdenden Zeit verarbeiten. Traumatische Erlebnisse finden hier ebenso Platz wie Schul- oder Versagensangst.
Erwachsene genießen die Zeit, die sie und ich sich bewusst für sich nehmen und die Möglichkeit sich innerer Blockaden oder Verhaltensweisen bewusst zu werden. Wenn dies erkannt wird kann eine Veränderung stattfinden-erst auf dem Bild, dann in der Realität.

Sie bieten auch das Malen für Menschen mit Demenz an. Was ist das Besondere bei der Begleitung der Betroffenen?

Man muss sich viel Zeit nehmen mit den Menschen erstmal in Kontakt zu kommen und ihnen Angst zu nehmen. Viele trauen sich nicht an das Medium „Malen“ heran und ich stelle mich auf jeden Einzelnen wieder neu ein. Oftmals kommen in den Bildern Erinnerungen von früher und die Senioren erzählen von Erlebnissen aus vergangenen Zeiten. Ebenso fällt auf, dass unruhige Bewohner total ruhig werden und lange Zeit ausdauernd malen und sehr zurückgezogene Leute plötzlich aktiv werden, über das ganze Gesicht strahlen und über das Bild richtig ins Erzählen kommen.

Haben Sie Tipps oder Anregungen für uns, wie man Bastel- oder Malangebote für demenziell veränderte Menschen gestalten sollte? Was sollte man auf keinen Fall machen?

Das Wichtigste ist, dass man sehr einfühlsam sein muss und die Menschen mit Respekt behandelt. Ebenso brauchen die meisten Sicherheit und das Gefühl Unterstützung zu bekommen, ohne bevormundend zu sein. Das klingt kompliziert, kommt aber aus dem Inneren wenn man sich darauf einlässt.
Ich habe immer verschiedene Techniken, die ich anbiete und dann spontan verändern kann, wenn ich das Gefühl habe mein Gegenüber zu über-oder unterfordern. Am besten eignen sich einfache Techniken, die zu einem schnellen Erfolgserlebnis führen.
Auf keinen Fall sollte man bei demenziell erkrankten Menschen Druck ausüben. Diese Menschen sind in sich drin extrem verunsichert und brauchen klare Strukturen und Sicherheit.

Können Sie vielleicht eine kleine Geschichte oder Anekdote erzählen, die verdeutlicht, was Sie mit Ihrer Arbeit erreichen können?

Ich komme gerade heute wieder vom Malen in einem Seniorenheim, in dem ich einmal im Jahr Malangebote mit Demenzkranken mache. Da ich die Bewohner dort nicht kenne nehme ich nur eine Momentaufnahme wahr – die Mitarbeiter erzählen mir dann hinterher wie erstaunt sie über manche sind, die sich plötzlich ganz wach präsentieren, ins Gespräch kommen oder fast zwei Stunden ausdauernd mit einer Technik beschäftigen und zur Ruhe kommen. Die Bilder werden dann im Sommer im Rahmen einer öffentlichen Vernissage ausgestellt und die Bewohner erleben eine große Wertschätzung ihrer Werke – das ist eine tolle Sache und macht die Senioren immer sehr stolz!

Was wünschen Sie sich von der Zukunft?

Es ist sehr schade, dass das Begleitete Malen keine anerkannte Therapieform ist. Es wäre schön, wenn sich dies in der Zukunft ändern würde. Damit verbunden ist auch der Status in der Gesellschaft, man gibt für vieles Geld aus, aber das Befinden der Seele wird leider nicht sehr wertgeschätzt.

Herzlichen Dank, Frau Hafner!!!

Zur Internetseite: mal-sehen.com

 

*Malen*

Annika

© by Annika Schneider. Staatlich examinierte Ergotherapeutin, Chefredakteurin von Mal-alt-werden.de. Bücher von Annika Schneider finden Sie hier.

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