Der Brühwürfel im Duschkopf

Im Gespräch mit Linus Paul über die Aktivierung und Beschäftigung von Menschen mit Demenz

Das große Beschäftigungs- und Ideenbuch für Menschen mit Demenz von Linus Paul

Hallo Herr Paul, stellen Sie sich doch bitte kurz vor.



Ich habe viele Jahre im Verlagswesen gearbeitet und mich dabei auch mit dem Thema Demenz befasst. Als ich in den Ruhestand ging, bin ich gemeinsam mit meiner Frau nach Südtirol gezogen. Als „Zugereister“ wollte ich mich in meiner neuen Heimat für meine Mitmenschen engagieren. Tatsächlich war es dann die Begegnung mit einer Frau in unserer Nachbarschaft, die mich dazu bewogen hat, mich im Bereich Demenz zu engagieren. Wir leben ja hier in einer sehr ländlichen Region. Menschen mit Demenz sind hier vielleicht noch besser als in der Stadt aufgehoben. Gleichzeitig ist das Wissen um Demenz geringer. Es fehlt an speziellen Angeboten. Und so habe ich das kurzerhand selbst in die Hand genommen. Dabei habe ich von Anfang viele Unterstützer gefunden. Wir haben bei uns im Ort schnell einen Raum gefunden und bieten mittlerweile viele Aktivitäten für Menschen mit Demenz an. Wobei wir inzwischen eher ein allgemeiner „Senioren-Club“ sind. Es haben ja auch Menschen ohne Demenz Freude an gemeinsamen Aktivitäten. Neudeutsch sind wir wohl inzwischen ein Vorreiter in Sachen „Inklusion“.

Sie verbringen jetzt schon einige Zeit mit Menschen mit Demenz. Was macht diese Zeit für Sie aus und was können Sie für die Betroffenen ‚tun‘? Was ist für Sie in der Beschäftigung von Menschen mit Demenz das Wichtigste?

Ich freue mich ganz einfach daran, wenn die Menschen wieder ganz bei sich sind, lachen, reden und Freude haben.
Im Grunde frage ich mich nicht, was ich für die Betroffenen „tun“ kann, sondern was wir miteinander „tun“ können. Das ist natürlich von Fall zu Fall unterschiedlich. Doch das „Miteinander“ ist immer das Wichtigste.

Sie haben, gemeinsam mit dem Singliesel-Verlag, das große Beschäftigungsbuch für Menschen mit Demenz*entwickelt. Würden Sie uns Ihre heimlichen Favoriten verraten, mit denen Sie viele Menschen erreichen können?

Einer meiner Favoriten ist „Dalli Klick“. Jüngere werden mit dem Begriff wahrscheinlich nicht anfangen können. In den 70er Jahren gab es eine Fernsehsendung, die „Dalli Dalli“ hieß. Ein Höhepunkt in dieser Sendung war ein Spiel, bei dem ein Bild nach und nach aufgedeckt wurde. Wer das Motiv zuerst erkannte, hatte gewonnen. Daneben spiele ich selbst mit großer Freude all die Kinderspiele aus meiner Schülerzeit. Jeder von uns hat wahrscheinlich in den Pausen „Käsekästchen“ oder „Schiffe versenken“ gespielt. Beim Spielen werden viele Erinnerungen wach. Eigentlich braucht es gar nicht viel, um gemeinsam eine gute Zeit zu erleben. Ein Blatt Papier, einen Stift oder eine alte Schreibmaschine oder einfach ein paar Streichhölzer. Damit kann man ganz tolle Spiele oder Aktivititäten entwickeln. Solche Aktivitäten, für die es außer ein paar alltäglichen Dingen nichts braucht, habe ich versucht, in dem Beschäftigungsbuch zusammenzufassen.

Weitere Klassiker Ihrer Arbeit sind, aus der Reihe der Sprichwortgeschichten, die Bände „Eig´ner Herd…“* und „Es ist noch kein Meister…“*.
Warum sind Sprichwortgeschichten bei Menschen mit Demenz so beliebt?

Das „Geheimnis“ der Sprichwort-Geschichten ist wahrscheinlich, dass sie so kurz sind und zum Mitmachen anregen. Es gibt ganz viele andere tolle Bücher mit Geschichten für Menschen mit Demenz. Mir persönlich waren die Geschichten aber meist zu lang. Da wird dann ehrlich gesagt auch manchmal das Vorlesen langweilig. Und dem Zuhörer wird es ähnlich gehen. So sind dann die Sprichwort-Geschichten entstanden. Kurze Geschichten, die nicht länger als eine Minute dauern. Und am Ende kommt ein Sprichwort, das erraten werden kann. So ist auch der Zuhörer aktiv mit eingebunden.

Wir alle kommen während unserer Arbeit auch in Kontakt mit Angehörigen.
Was können Sie Angehörigen von Menschen, die an einer Demenz erkrankt sind, mitgeben? Was ist wichtig im Umgang mit den Betroffenen und an welchem Punkt können sie sich selbst schützen, d.h. wann ist es besser Verantwortung abzugeben?

Auch mit Demenz geht das Leben weiter. Und auch mit Demenz geht das Leben gut weiter und bietet viele schöne und intensive Momente. Wichtig ist tatsächlich, dass Angehörige sich nicht überfordern. Aus meiner Erfahrung ist es fast immer richtig, die Pflege nach und nach in professionelle Hände zu geben. Das entlastet alle und gibt Raum, um miteinander auch mit Demenz eine gute Zeit zu verbringen.

Können Sie vielleicht eine kleine Geschichte oder Anekdote erzählen, die verdeutlicht, was Sie mit Ihrer Arbeit erreichen können?

Da fallen mir ganz viele Geschichten ein. Die schönste Begebenheit für mich ist, dass viele unserer Angebote für Menschen mit Demenz auch von älteren Menschen ohne Demenz genutzt werden.

Was wünschen Sie sich von der Zukunft?

Mein Wunsch für die Zukunft ist, dass Menschen mit Demenz ganz selbstverständlich Teil unserer Gesellschaft sind.

Herzlichen Dank, Herr Paul!!!

 

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Annika

© by Annika Schneider. Staatlich examinierte Ergotherapeutin, Chefredakteurin von Mal-alt-werden.de. Bücher von Annika Schneider finden Sie hier.

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