Kleine Glücksmomente zwischendurch…
Ein Interview mit Christina Weißenberg
Hallo Frau Weißenberg, stellen Sie sich doch bitte kurz vor.
Ich bin 55 Jahre alt und von Beruf Diplompädagogin. Viele Jahre habe ich als Lehrerin zunächst Kinder und später Auszubildende für den Beruf als Erzieher/in unterrichtet. Nach der Ausbildung als “Ganzheitliche Gedächtnistrainerin des Bundesverbandes Gedächtnistraining e.V.” im Jahre 2008 habe ich mein Herz für die Seniorenarbeit entdeckt und arbeite seitdem als Gedächtnistrainerin sowohl mit leistungsstarken Senioren (u.a. Volkshochschule, Interessengruppen) als auch mit pflegebedürftigen und an Demenz erkrankten Bewohnern in stationären Einrichtungen.
Nach verschiedenen Qualifizierungen im Thema Aktivierung für Hochaltrige und demenziell Erkrankte habe ich mich darauf spezialisiert, mein Fachwissen und meine eigenen praktischen Erfahrungen im Rahmen von Fortbildungsveranstaltungen an Menschen, die sich beruflich und ehrenamtlich in der Seniorenbetreuung engagieren, weiterzugeben.
Sie geben im November eine Fortbildung zu Kurzaktivierungen für Senioren mit Pflegebedarf und Demenz. Welche Themen und Inhalte erwarten die Teilnehmer?
Was den Teilnehmer meiner Fortbildungsveranstaltung im November nicht erwartet sind lange theoretische Abhandlungen über gerontologische Zusammenhänge umrahmt von Unmengen an PowerPoint-Präsentationen.
Was ihn erwartet ist ein Koffer voller praxisrelevanter Anregungen zum Thema Kurzaktivierungen für Senioren mit Pflegebedarf und Demenz. Tatsächlich werde ich zu dieser Fortbildung im wahrsten Sinne des Wortes mit einem großen Reisekoffer anreisen, aus dem ich eine Vielzahl von Übungsbeispielen für die Kurzaktivierung in der Gruppe und in der Einzelbetreuung präsentieren werde. Alle ausgewählten Übungen lassen sich gut in die Beschäftigungsarbeit und in den Pflegealltag integrieren.
Dabei ist es mir unter anderem auch wichtig aufzuzeigen, dass gelungene Kurzaktivierungen weder organisationsaufwändig noch kostenintensiv sein müssen.
Übrigens werden die Teilnehmer in dieser Fortbildung vieles gemeinsam ausprobieren und den Spaß an den Kurzaktivierungen selbst erleben können.
Was sind die wichtigsten Grundlagen für eine erfolgreiche Kurzaktivierung?
Zuerst einmal ist es wichtig, in Erfahrung zu bringen, wie gut die Fähigkeiten und Kompetenzen der zu aktivierenden Personen in unterschiedlichen Bereichen noch ausgeprägt sind. Nur so können Über- und Unterforderung vermieden werden.
Weiterhin ist ein Biografie orientiertes Arbeiten ein essenzieller Bestandteil für eine erfolgreiche Kurzaktivierung. Aktivierung mit vertrauten Gegenständen wirkt wie ein „Türöffner“ und macht oft verschüttete Handlungs- und Bewegungsabläufe wieder verfügbar.
Warum können wir Menschen, die an einer Demenz erkrankt oder aus anderen Gründen pflegebedürftig sind, mit Kurzaktivierungen so gut erreichen?
Ich habe persönlich die Erfahrung gemacht, dass Kurzaktivierungen zu den erfolgversprechendsten Aktivierungsmethoden in der Arbeit mit pflegebedürftigen und an Demenz erkrankten Menschen gehören.
Sie können flexibel eingesetzt werden, der Zeitaufwand ist vergleichsweise gering und erste Erfolge sind bei regelmäßigem Einsatz zumeist schnell sichtbar.
Die zeitlich limitierte Konzentrationsfähigkeit von Senioren mit Pflegebedarf und Demenz ist bei dieser Aktivierungsmethode in besonderem Maße berücksichtigt.
Kurzaktivierung gezielt eingesetzt und freudbetont gestaltet ist Medizin fürs Wohlergehen.
Was unterscheidet Kurzaktivierungen in der Gruppe von Einzelaktivierungen? Worauf ist in beiden Fällen besonders zu achten?
Zwar sind die meisten Aktivierungen in der Gruppe – entsprechend modifiziert – auch für eine Einzelaktivierung geeignet. Jedoch für schwerstdemente und dauerbettlägerige Personen und für Personen mit ausgeprägtem Bewegungsdrang oder Verhaltensauffälligkeiten ist eine Einzelaktivierung zielführender.
Egal ob Einzel- oder Gruppenaktivität: Kurzaktivierung bedeutet nicht Beschäftigung in irgendeiner Weise, sondern muss so gestaltet werden, dass sie vorhandene Fähigkeiten und Kompetenzen fördert und Lebensfreude vermittelt.
Können Sie uns vielleicht ein paar Anregungen für eine gelungene Kurzaktivierung geben?
Neben den von Senioren geliebten Übungen mit Sprichwörtern und Wortspielen gibt es weitere sehr schöne Anregungen, die ich in meiner Fortbildung im November vorstellen werde.
Kennen Sie zum Beispiel KIM-Spiele mit realen Gegenständen oder „Stadt-Land-Fluss“ einmal anders als Wurfspiel auf einem Betttuch? Wie kann ich mit einer Erlebnisschachtel oder mit „Erinnerungskisten“ aktivieren?
Sie dürfen gespannt sein!
Übrigens: Auflockerungs-, Entspannungs- und Bewegungsübungen sollten immer Teil einer gelungenen Kurzaktivierung sein.
Was wünschen Sie sich von der Zukunft?
Ich wünsche mir, dass alte und kranke Menschen nicht vereinsamen, dass Kinder ihre Eltern nicht vergessen, dass junge Menschen Alten und Kranken mit Wertschätzung begegnen.
Ich wünsche mir, dass Senioren mit Pflegebedarf und Demenz, egal ob im Pflegeheim oder in der Häuslichkeit, jeden Tag ein paar kleine Glücksmomente erleben dürfen. Denn “Wir können dem Leben nicht mehr Tage geben, aber den Tagen mehr Leben” (angelehnt an einen Ausspruch von Cicely Saunders).
Herzlichen Dank, Frau Weißenberg!!!
Es sind noch Plätze frei!