Unterstützung und Therapie mit Beluga Healthcare …

Ein Interview mit Jürgen Pastorino

 

pastorino



 

Hallo Herr Pastorino, stellen Sie sich doch bitte kurz vor.

Mein Name ist Jürgen Pastorino, ich bin 77 Jahre alt und gelernter Maschinenbauer. Vor 30 Jahren habe ich die Firma Beluga Tauchsport GmbH gegründet. 10 Jahre lang produzierten wir erfolgreich Tauchanzüge für den deutschen Markt und wurden dann von Produkten aus China verdrängt.

 

Ihr Unternehmen Beluga Healthcare war lange für Textiltechnik bekannt. Sie haben sich im Laufe der Jahre entschieden, in den Bereich der Therapie- und Hilfsmittel einzusteigen.
Wie kam es zu dieser Entscheidung?

Bei der Suche nach neuen Produkten fragte mich eine Frau, ob wir für ihren wahrnehmungsgestörten Sohn einen Sitz Sack herstellen könnten, dessen Hülle aus weichem, elastischem Neopren sein sollte, gefüllt mit kleinen Kügelchen. Der Junge stand eines Tages auf einem Tisch, der Sitz Sack lag halb darunter und er ließ sich rückwärts in den Sack fallen. Hocherfreut fuhren Mutter und Sohn nach Hamburg zu Frau Dr. Inge Flehmig (Institut für Kindesentwicklung) und diese bestellte für ihr Haus sofort so einen Sitzsack, von uns Kuschelkugel genannt.
Auf der Rehacare 2002 in Düsseldorf zeigten wir die Kuschelkugel und da für mich alles neu war, hatte ich mir ein kleines Sandsäckchen gemacht, um etwas in der Hand zu haben. Dieses Sandsäckchen animierte eine Frau mich zu fragen, ob ich auch eine Sanddecke für ihre schlecht einschlafende Tochter machen könnte. Diese Decke wiederum regte den Ergotherapeuten Thorsten Albrecht aus Braunschweig an, mich nach einer Sandweste zu fragen. Auf diese Weise entstanden und entstehen alle unsere Produkte, jeweils im Dialog mit den Anwendern.

 

Ein wichtiger Bereich in der Begleitung und Behandlung von an Demenz Erkrankten ist die Wahrnehmung. In wieweit kann die „Sandtherapie“ unterstützen?

Als gelernter Maschinenbauer habe ich viele Erklärungen von Therapeuten nicht richtig verstanden. Nachdem ich jedoch Literatur über die neueste Hirnforschung gefunden habe, wurde mir allmählich klar, dass unser Gehirn anders funktioniert, als es in den vergangenen Jahrzehnten gelehrt wurde. Hirnforscher vermuten zurzeit, dass unser Gehirn zu 30% damit beschäftigt ist, uns im Gleichgewicht zu halten. Voraussetzung dafür ist, dass bereits im Mutterleib eine „Raumkarte“ im Gehirn ausgebildet wird, die uns Menschen befähigt, ein richtiges Gefühl zwischen Körper und Raum zu bilden. Jede noch so kleine Störung kann dazu führen, dass wir aus unserem Gleichgewicht „fallen“ und das Gehirn darauf hin versucht, sich im Raum zu orientieren. Das gilt für Menschen in jedem Alter. Eine Ursache für die Unruhe bei Menschen mit Demenz scheint darin zu bestehen, dass das Gehirn sich nicht mehr im „Raum“ zurecht findet und dann nach Wegen sucht, die Orientierung wieder zu finden. Ständiges Herumlaufen, merkwürdige Laute von sich gebend, oder nachts aus dem Bett fallen sind deutliche Zeichen von Orientierungslosigkeit im Raum. Der „Hilfs-Ansatz“ unserer Sanddecken-Kragen und-Westen besteht darin, dass durch den Druck und das Gewicht dem Gehirn neue Reize übermittelt werden, die dem Gehirn die Information geben: hier bin ich, hier fang ich an, hier ist oben oder unten. Daraufhin stellt das Gehirn weitere Versuche ein, sich im Raum zu orientieren. Die Menschen kommen zur Ruhe.

 

Die richtige Lagerung betrifft alle Krankheitsbilder in der Geriatrie. Sie haben einige unterstützende Produkte entwickelt. Was möchten Sie unseren Lesern als wichtige Grundlagen einer richtigen Lagerung mit auf den Weg geben?

Das Thema Lagerung ist so vielschichtig, darum kann ich auch nur sehr begrenzt zu diesem Thema etwas sagen.
Zwei Beispiele: eine ältere Dame, bettlägerig und sehr unruhig, darf nicht fixiert werden und fällt des Öfteren nachts aus dem Bett. Die Pflegeleitung macht einen Versuch mit einer Sanddecke, die tagsüber jeweils 4-5mal für 20 Minuten auf die Zudecke der alten Dame gelegt wird. Daraufhin schläft die alte Dame durch, sogar auch dann noch, als sie keine Schlafmittel mehr bekommt.
Ein Wachkomapatient zittert nahezu am ganzen Körper. Nachdem er mit einer Sanddecke belegt wurde, kommt sein Körper ganz allmählich zur Ruhe.
Um Dekubitus zu verhindern, dürfen die Decken nicht stundenlang eingesetzt werden, es sei denn der Patient verändert seine Lage selbstständig unter der Decke.

 

Wie ist die Resonanz von Angehörigen auf Ihre Produkte?

Nahezu alle Berichte, die wir bekommen, sind positiv. Vermutlich liegt das an der Wirkung, die sofort sichtbar ist. Beispiel; eine ältere Dame läuft den ganzen Tag herum und ruft „Hilfe“. Kaum hat sie einen Sandkragen auf der Schulter liegen, hört das Rufen auf. Leider mochte die Dame den Kragen nicht leiden.

 

Können Sie vielleicht eine kleine Anekdote oder Geschichte erzählen, die verdeutlicht, was Sie mit Ihrer Arbeit und Ihren Produkten erreichen können?

Ein Junge, geistig behindert, kommt auf Zehenspitzen laufend auf mich zu, rudert wild mit den Armen und ruft ohne Unterbrechung: Hallo, hallo, hallo.
Ich ziehe ihm eine Sandweste an, schlagartig fallen seine Arme herunter, das Rufen hört auf und er steht nicht mehr auf den Zehenspitzen. Die ihn begleitende Ergotherapeutin schaut ihn zweifelnd an und ruft: fehlt dir was? Er antwortet nicht (kann nicht sprechen) dreht sich langsam um, geht zu einem Stuhl und setzt sich hin. So habe ich ihn noch nie gesehen und er ist bereits seit 3 Jahren bei uns, sagt die Therapeutin erstaunt. Einige Wochen später höre ich, dass der Junge mit der Sandweste an der Tretlaubsäge arbeiten kann, was vorher nicht möglich war.

 

Was wünschen Sie sich von der Zukunft?

Ich würde mir wünschen, dass die Ergebnisse der Hirnforschung mehr Verbreitung finden, vor allen, bei Erziehern, Pädagogen und auch bei Allgemeinmedizinern. Die Sensorische Integration z.B. findet immer noch keinen Einzug in die Medizin, weil es keine wissenschaftlichen Studien gibt. Auf der anderen Seite sind die Erfolge dieser Therapieform nicht mehr zu leugnen und durch die Erkenntnisse der Hirnforscher logisch erklärbar.

 

Herzlichen Dank, Herr Pastorino!!!

 

Zur Internetseite: www.beluga-healthcare.de

Annika

© by Annika Schneider. Staatlich examinierte Ergotherapeutin, Chefredakteurin von Mal-alt-werden.de. Bücher von Annika Schneider finden Sie hier.

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