Der Nostalgieexpress-

Mit einer Drehorgel und einem Herzensbrecher unterwegs

 

 

Der Nostalgieexpress- mit einer Drehorgelunterwegs für Senioren.

 

 

 

 

 

Hallo Herr und Frau Heyden, stellen Sie sich doch bitte kurz vor.

 

 

Martina Heyden:

 

Geboren am 25.04.1960 in Castrop-Rauxel, von Beruf Fremdsprachenkorrespondentin seit den 1980er Jahren Kurse für Maskenbau- und spiel besucht

 

Heribert Heyden:

 

Geboren am 23.07.1953 in Hagen/Westfalen von Beruf Arbeitsvorbereiter

seit den 1960er Jahren erst Unterricht in Akkordeon- später dann auch Orgelspiel. Seit den 80er

Jahren nebenberuflich musikalische Auftritte allein und im Ensemble.

Wir haben also von unserem beruflichen Werdegang keine Vorerfahrung im sozialtherapeutischen

Bereich und sind auch nur zufällig im Bereich Kinder- bzw Seniorenunterhaltung gelandet.

 

 

Wie ist es dazu gekommen, dass Sie den „Nostalgieexpress“ gegründet haben?

 

Vor ca. 20 Jahren nach der Einschulung unserer jüngsten Tochter bat uns der Schulleiter, ein kurzes Programm im Rahmen der Karnvalsfeier anzubieten. Wir hatten damals für unsere Töchter ein kleines Kaspertheater gebaut und haben für die Beiden kleine Theaterstücke mit Musikbegleitung gespielt. Im Rahmen der Karnevalfeier war auch die örtliche Presse anwesend, nach der Berichterstattung bekamen wir soviele Anfragen von Kindergärten, Stadtfestbetreibern und auch Städten, daß wir das Programm ausbauen mußten und irgendwann auch zwangsläufig hauptberuflich ausüben mußten.

Im selben Jahr haben wir uns dann auch einen langersehnten Wunsch erfüllt, wir haben uns eine Drehorgel gekauft. Und damit kamen dann auch die ersten Anfragen aus dem Seniorenbereich. Zuerst nur mit Drehorgel, dann haben wir nach und nach auch Akkordeonmusik einfließen lassen, immer geschaut, was gefällt den Senioren, was möchten sie gerne hören.

 

Die Trennung „Angelinas Musiktheater“ und „Nostalgieexpress“ war deshalb notwendig, weil wir gelegentlich auch in Senioreneinrichtungen als „Kasperletheater“ angekündigt wurden, und das war nicht unsere Absicht gewesen.

 

 

Auf Ihrer Internetseite stößt man auch auf „Robin- den Herzensbrecher“. Wer ist das?

 

Bei unseren Auftritten hat sich dann auch immer wieder eine der Puppen mit eingeschlichen, die eigentlich nur im Kindertheater mitspielen. Allen voran Robin, der jetzt die Hauptperson bei unserem Nostalgieexpress ist. Kennengelert haben wir Robin und seine Kollegen und Kolleginnen bei der Spielwarenmesse in Nürnberg. Seitdem sind die Puppen von „Living Puppets“ ein fester Bestandteil in unserem Kindermusiktheater und später auch beim Nostalgieexpress.

Robin ist eine von vielen Handpuppen der Marke „Living Puppets“ die wir auch in unserem Kindermusiktheater einsetzen. Robin begrüßt die Damen mit einem Handkuß und die Herren mit einer Verbeugung, also ganz Kavalier der alten Schule.

 

 

Wie gestalten Sie Ihre Musikprogramme?

 

Unsere Musikprogramme sind in der Regel im Rahmen einer Feierlichkeit, d.h. es ist immer eine Abwechslung im alltäglichen Ablauf, auch ein Grund sich ein bißchen aufzuhübschen und sich auf einen angenehmen Nachmittag zu freuen. Während des Kaffetrinkens gibt es r d.h. Operettenmelodien und andere eingängige Lieder. Währenddessen sitzt Robin auf der Drehorgel und schaut sich unter den „Mädels und Jungs“ um. Er winkt auch hin und wieder wenn er dazu aufgefordert wird und verteilt auch gerne Handküsse. Nach dem Kaffeetrinken kommt die Begrüßung und auf Wunsch erzählt Robin ein Gedicht. Er ist sowieso ein Universalgenie – es gibt kaum etwas was er nicht kann. Dann kommt der erste Part Akkordeonmusik – Wanderlieder, Volkslieder zum Mitsingen und -tanzen und sowieso schunkeln. Robin geht in der Zeit durch die Reihen, begrüßt die Herrschaften, animiert zum Mitsingen, wird herzhaft geküsst, verlobt sich öfter als gut ist, wird zum Tanzen entführt, auf die Schulter gesetzt damit er besser sehen kann…

Danach kommt die Drehorgel an die Reihe. Ich spiele eine Lied vorzugsweise eine Moritat. Und danach wird es richtig spannend. Die Besucher sind aufgefordert selber Drehorgel zu spielen. Und jetzt muß Robin wieder mithelfen. Aber zum Glück ist Drehorgelspielen nicht gefährlich, tut nicht weh und kann sogar im Rollstuhl gemacht werden.Und es gibt auch noch eine Belohnung –

 

frenetischen Applaus und ein Drehorgeldiplom und meistens auch ein Beweisfoto. Dann geht es weiter mit Akkordeonmusik – Schlagermelodien der 20er bis 70er Jahre zum Träumen, Singen, Tanzen – ist das nicht schön!

Übrigens, unsere Rekordhalterin an der Drehorgel ist 109 Jahre alt. Das werden wir so schnell nicht überbieten können.

 

In welchen Punkten unterscheidet sich Ihre Arbeit mit Senioren, von denen mit Kindern?

 

Im Augenblick ist es schwierig, diese beiden Bereiche wirklich miteinander zu vergleichen. Als wir mit Kindertheater bzw. Kindermusiktheater angefangen hatten, war diese Art der Kinderunterhaltung etwas ganz revolutionär Neues. Livemusik und Gesang,Puppenspiel und Mitmachtheater. Inzwischen sind zwanzig Jahre vergangen und einige der Kindergärten die wir mit eröffnen durften sind inzwischen schon wieder geschlossen. In wenigen Worten, wir spielen kaum noch Kindermusiktheater weil sich die Erwartungen an Kinderunterhaltung verändert haben. Wir geraten immer mehr unter Rechtfertigungszwang – warum Kindertheater? Es wird doch soviel für Kinder getan – Computer, Kika, Hüpfburg, Kinderdisco. Ist das denn wirklich notwendig? Und sowieso viel zu teuer

Aber dafür ist im Bereich Seniorenarbeit eine immer größere Akzeptanz. Die Therapiepuppen werden immer mehr als echte Arbeitspartner wahrgenommen und nicht mehr dem Bereich Kinderkram zugeordnet was in den ersten Jahren viel zu oft passiert ist.

Auch die Therapiepuppenseminare bieten wir auf Anregung eines Sozialarbeiters an. Er fragte, ob wir nicht Lust hätten, unsere Erfahrungen mit den Therapiehandpuppen an seine Mitarbeiter weiterzugeben. Na klar hatten wir. Und diese Seminare sind seit ca. fünf Jahren ein fester Punkt in unserem Angebot genauso wie die Zusammenarbeit mit der Firma „Living Puppets“.

 

 

Können Sie vielleicht eine kleine Anekdote erzählen, die verdeutlicht was Sie mit Ihrer Arbeit erreichen?

 

Hier einige Originalzitate von Bewohnern:

 

–    Es ist doch schön, so einen jungen Mann im Arm zu halten.

–    Robin, komm heute abend zu mir, in meinem Bett ist noch Platz

–    Meine Güte Robin, du hast aber schreckliche Krampfadern, wir gehen morgen zum Arzt mit dir.

Nach den Saalveranstaltungen besuchen wir auch gerne die Bettlägerigen, die nicht mehr aus dem Zimmer herauskommen, und dieser Teil ist genaugenommen der Wichtigste. Es passiert, das sich Bewohner die seit Wochen mit dem Gesicht zur Wand liegen umdrehen und den Robin streicheln und anfangen zur Musik zu singen.

Es passiert immer öfter, das wir keine Saalveranstaltung machen sondern mit Drehorgel, Akkordeon und Robin durch das Haus gehen, in den Teeküchen Musik machen oder einfach nur die Bewohner in ihren Zimmern besuchen. Also auch dieser Bereich ist im Wandel.

 

Stoßen Sie bei Ihrer Arbeit mit Senioren auch manchmal an Grenzen?

 

An unsere Grenzen stoßen wir, wenn die Mitarbeiter in den Einrichtungen nicht kooperieren Wir kommen ja als völlig Fremde. Die Mitarbeiter sind ja die unmittelbaren Bezugspersonen und wenn diese sich nicht auf uns einlassen, warum sollten es die Bewohner tun. Das passiert aber zu Glück äußerst selten. Ansonsten, wenn wir uns bemühen, uns in die Welt Heimbewohner hineinzuversetzen, d.h. auch im Sommer Weihnachtslieder singen, in den Arm nehmen, trösten… ist alles in Ordnung. Am Schönsten ist es, wenn die Besucher zum Abschluss kommen und sagen „Das war ein schöner Nachmittag“ „Ich habe für ein paar Stunden meine Schmerzen vergessen“

„Kommen Sie doch bald wieder!“

 

 

Was wünschen Sie sich von der Zukunft?

 

Was ich mir für die Zukunft wünsche, sind noch ganz viele solcher Nachmittage, dass noch mehr unserer Therapiepuppen den Weg in die Einrichtungen finden, und da auch ordentliche Arbeit

leisten, dass ich noch mehr Anekdoten und Geschichten von den Senioren zu hören bekomme. Diese Menschen verfügen über einen reichen Vorrat an Erfahrungen und Erlebnissen die nicht verlorengehen sollten, dieses reiche kulturelle Erbe sollte nicht brachliegen und verlorengehen.

Das Ganze ist ja nicht einseitig. Wir geben nicht nur, wir bekommen auch viele glückliche

Momente zurück. Ich wünsche mir für die Zukunft noch mehr solcher Momente.

 

 

 

Herzlichen Dank, Herr und Frau Heyden!!!


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Natali

© by Natali Mallek. Dipl. Sozialpädagogin/ Sozialarbeiterin, Gedächtnistraininerin, Master of Arts "Alternde Gesellschaften", Gründerin von Mal-alt-werden.de. Bücher von Natali Mallek finden Sie hier. Fortbildungen mit Natali Mallek finden Sie hier.

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