Hinschauen und Mitfühlen..!

Die Initiative ‚Angehörigen Stammtisch Franken‘

 

lotharoehlen



 

 

Hallo Herr Oehlen, stellen Sie sich doch bitte kurz vor.

Ich bin pensionierter Beamter und 63 Jahre alt. Seit 31 Jahren mit meinem Lebenspartner zusammen, der examenierter Alten- und Krankenpfleger, sowie Mentor in der Krankenpflege ist, schon da habe ich über Missstände in den Kliniken und Pflegeheimen erfahren, konnte damals allerdings nicht viel damit anfangen. Seit nun 13 Jahren sind wir auch, endlich, offiziell “verpartnert”. Unsere Tiere, sind unser Hobby, Hunde, Vögel, Wachteln, Fische und Wasserschildkröten, tummeln sich in unserem japanisch angelegten Garten. Durch das Schicksal meiner Eltern, die dann leider in ein Altenheim mussten, bin ich durch die vielen Probleme mit dem Thema “Altenpflege” erst einmal persönlich konfrontiert worden. Mit entsetzen musste ich nun als Betroffener feststellen, dass hier in unserem Land gar nichts in Ordnung ist und der alte Mensch in Deutschland keine Lobby hat.

 

 

Sie sind Mitbegründer der Initiative ‚Angehörigen Stammtisch Franken‘.
Was sind Ihre Aufgaben und welche Ziele verfolgen Sie?

Damit es anderen Betroffenen, die in die gleiche Situation kommen, in der ich dann plötzlich war, nicht auch so geht, wollen wir helfen. Helfen dahingegend sich doch einmal auch über die Zukunft der Eltern, aber auch der eigenen zu machen. Der Gedanke in ein Altenheim zu müssen wird vor allem von unseren alten Mitbürgern total verdrängt. Wir wollen helfen die richtige Entscheidung für die Art der Pflege zu finden. Das richtige Heim zu finden. Hilfe bei Organisationen, alle Möglichkeiten der Unterstützung zu finden. Aber auch auf die noch sehr gravierenden Missstände in unserem Land aufmerksam zu machen. Unterstützung auch für das Pflegepersonal, viele möchten gern so pflegen, wie sie es gelernt haben, werden aber von der PDL und auch von den Heimleitungen ausgebremst. Dies wollen wir auch dadurch ändern, die Bevölkerung und vor allem die Politik auf diese Missstände aufmerksam zu machen.

 

 

In welchem Moment und warum haben Sie beschlossen, diese Initiative zu gründen?

Auf dem noch in Nürnberg stattfindenen Pflegestammtisch ist der Gedanke zur Initiative geboren worden. Auf dieser Veranstaltung hat Herr Claus Fussek über die Pflegesituation gesprochen. Angehörige, und auch ich kamen hier zu Wort. Gemeinsam mit Angehörigen wurde noch an diesem Abend der Gedanke geboren eine Initiative für Angehörige und Betreuer alter Menschen in den Pflegeheimen zu gründen.

 

 

Die am häufigsten genannten Kritikpunkte der Altenpflegesituation in Deutschland sind der Mangel an Zeit, zu wenig Pflegepersonal und ein zu hoher Stellenwert der Dokumentation. Wie beurteilen Sie diese Kritik?

Es ist schlimm, denn dem MDK ist nicht wichtig, dass z.B. der Dekubitus beim alten Menschen – gesehen und möglichst schnell beseitigt wird, sondern nur das er in der Dokumentaiton steht. Ob in diesem Pflegeheim glückliche Bewohner gepflegt werden, ist hier egal, wichtig ist es gibt einen schönen Garten usw. Diese unsinnige Bewertung verfälscht das Pflegebild und miserabel geführte Heime erhalten hier noch eine Beurteilung von 1,4 obwohl sie eine 6,0 bekommen müssten. Warum ist das so, der Pflegeschlüssel ist total falsch festgelegt, diese Minutenpflege dient weder dem Bewohner noch den Pflegekräften, die oft genug am Ende ihrer Leistungskraft sind.
Um einen Menschen zu versorgen stehen wenige Minuten zur Verfügung, jedoch jede Zeit um diese Dokumentation zu fälschen. Es ist traurig, wenn dadurch “schlampiger” gearbeitet wird und auch des öffteren falsche Medikamente gestellt werden. Der noch wache und fitte Bewohner wird diesen Medikamentenirrtum noch merken, aber die Mehrheit, bereits dement oder stark pflegebedürftiger Bewohner, werden einfach die falschen Medikamente schlucken. Dies und vieles mehr könnte durch ein besseres Zeitmanagement für das Pflegepersonal meist vermieden werden.

 

 

Wie können selbst Betroffene, deren Angehörige, betroffene Pflegekräfte oder andere Mitarbeiter Kontakt zu Ihnen aufnehmen?

Wir sind über unsere Homepage, http://initiative-angehoerigen-stammtisch.de zu erreichen. Ob über Kontakt, unsere stattfindenden Stammtische, über das Gästebuch oder auch im Impressum über unsere Telefonnummern. Wir sind bereits von vielen über diesem Weg kontaktiert worden und konnten auch helfen.

 

 

Was können wir, und zwar jeder einzelne von uns, tun um die Pflegesituation in Deutschland zu verbessern?

Hinsehen – nicht wegsehen. Petitionen unterstützen, die auch hier in unserer Homepage zu finden sind. Ehrenamtlich tätig werden, Zivilcourage zeigen, Mängel aufdecken und öffentlich machen. Pflegepersonal unterstützen, wie zum Beispiel “Pflege am Boden” die deutschlandweit aktiv auf die Pflegesituation aufmerksam machen. Mitmachen, Stammtische besuchen, Politiker anschreiben die dann auch auf Grund der vielen Anschreiben auch reagieren müssen. Positive Erfahrungen mit Einrichtungen teilen.

 

 

Können Sie vielleicht eine kleine Geschichte erzählen, die verdeutlicht, was Sie mit Ihrer Arbeit erreichen können?

Ein junger Mann kam nach einem Unfall im Rollstuhl ins Alten- Pflegeheim. Mit seinen 35 Jahren war er total verzweifelt. Niemand wollte ihm helfen, dann kam es noch zu einem Kostenstreit wegen der Unterbringung. Alles zog sich sehr lange hin und der gesundheitliche Zustand verschlechterte sich zusehens. Durch Einsatz mit Hilfe der regionalen Politiker, die dafür sorgten, dass sich auch die Ministerin in der Sache angenommen hat, wurde dem jungen Mann geholfen. Er wurde mit jungen Behinderten in einer Wohneinrichtung untergebracht, konnte dann sogar in einer Behindertenwerkstatt mitarbeiten. Durch diesen Umgang und dadurch wieder Lebenswillen gewonnen zu haben, hat sich der gesundheitliche Zustand wunderbar gebessert und ein Stück Lebensqualität zurückgewonnen werden.
Angehörige haben sich bedankt, dank auf Grund unserer Homepage für die Mutter das richtige Heim gefunden zu haben. Hier konnte trotz Aufnahme in ein Pflegeheim ein alter Mensch in eine würdevolle und zufriedene Pflege untergebracht zu werden.

 

 

Was wünschen Sie sich von der Zukunft?

Niemals aufgeben. Jeder muss sich einfach einmal Gedanken machen “was wäre wenn”. Sehr schnell kann es passieren, dass man selbst vor der Tür eines Pflegeheimes steht. Es dürfen nicht erst da, die Gedanken für das “Weitere” gefasst werden, sondern schon viel früher – nämlich jetzt.
Unterstützen Sie alle Organisationen und Initiativen die sich für eine “menschenwürdige” Pflege im Alter einsetzten. Die Politiker, auch mal wach rütteln, wir brauchen, qualifiziertes Fachpersonal.
Von wegen ABM im Altenheim. ES GEHT HIER UM MENSCHEN!

 

 

Herzlichen Dank, Herr Oehlen!!!

 

 

 

Zur Internetseite: www.angehoerigen-stammtisch-franken.de

 

Annika

© by Annika Schneider. Staatlich examinierte Ergotherapeutin, Chefredakteurin von Mal-alt-werden.de. Bücher von Annika Schneider finden Sie hier.

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2 Antworten

  1. Nora sagt:

    Der intensive , so dringend notwendige Einsatz von Herrn Oehlen verdient
    große Anerkennung und es sollten noch mehr Bürger geben, die sich für Verbesserungen von Pflegebedürftigen engagieren. Da sich die Politik unfair aus der Verantwortung geschlichen hat, haben die Verbände fast freie Hand und der Mensch ist zur Ware geworden. In den Heimen wird unverantwort-licher Weise an Personal gespart, so dass man sich nicht wundern muss, dass die Wehrlosesten unseren reichen Gesellschaft – nämlich die Pflege-
    bedürftigen – die Leidtragenden sind. Auf ihrem Rücken – und dem des wenigen, total überlasteten Pflegepersonal werden Renditen für die Investoren etc erwirtschaftet .Die Politik sollte wieder ihrer Aufgabe nachkommen, dieses zu ändern….aber nicht durch das vorgesehene Pflegestärkungsgesetz, das die aktuelle, schlechte Pflege für mehrere Jahre festzementieren will, sondern durch wirkliche Verbesserungen und ganz neue, einschneidende Veränderungen in der Pflege. Es ist eine Schande für unser Land, dass Deutschland bei einer europäischen Pflegestudie unter den Schlusslichtern ist. – Die Bevölkerung,sowie die Politik sollte langsam aufwachen. Wer als Bürger bei diesem Thema passiv bleibt ,darf sich auch später nicht beklagen. Deshalb ist es gut, dass es Menschen wie Herr Oehlen gibt, die auch informieren und wachrütteln.
    Ich hoffe, dass viele Menschen seinem Vorbild nacheifern oder sich ihm oder anderen Pflegeinitiativen anschließen. Wir bekommen nur Verbesserungen, wenn wir etwas dafür tun ! Und : Es geht um Menschen, vielleicht morgen schon um uns selbst !

  2. CLaudi sagt:

    Der Anwalt einer betroffenen Pflegkraft hat sich an den Europäischen Gerichtshof gewandt. Das Gericht hat in seinem Urteil nun der betroffnen Pflegekraft Recht gegeben und zumindest für sie eine Abfindung von 90.000 € gesorgt.

    Altenpflegerin erhält 90.000 Euro – Tagesspiegel
    http://www.tagesspiegel.de/weltspiegel/erfolg…altenpflegerin…-/6672302.html
    25.05.2012 – Brigitte Heinisch, Altenpflegerin in einer Berliner Einrichtung, war gefeuert worden, …

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