Vor sechzig Jahren: Sturmflut in Hamburg
Am 16. Februar 1962 erlebte Hamburg eine schreckliche Sturmflut, bei der viele Menschen starben. Eine Geschichte für Senioren zum Erinnern.
Sturmflut in Hamburg
„Mensch, Paul, das regnet ja wieder ununterbrochen heute! Und dieser scheußliche Wind dabei. Das ist ja fast schon ein Sturm!“, Doris ließ die Jalousien an den Fenstern herunter und schloss das schäbige Wetter aus. Der Wind rüttelte zornig an den Rollläden.
„Das erinnert mich an die Sturmflut in Hamburg vor sechzig Jahren. Mein Onkel Hein und Tante Beate hatten einen Laden in Hamburg, der völlig überschwemmt wurde. Mein Vater, meine Brüder und ich sind damals nach dem Unglück nach Hamburg hochgefahren, um ihnen beim Aufbau zu helfen. Ich weiß noch, dass meine Cousinen im Gegenzug zu uns nach Hause kamen, um sich von dem Schrecken zu erholen.“, Paul legte die Zeitung zur Seite und zündete seine Pfeife an. Doris schaltete die Leselampe an und nahm ihr Strickzeug auf.
„Ja, damals die Sturmflut, die war schlimm. Der Wetterdienst hatte zwar die Nordseeküste vor einer Sturmflut gewarnt, aber dass das Wasser bis nach Hamburg kommen würde, damit hat niemand gerechnet.“ „Und deswegen wurden die Leute auch nicht gewarnt. Erst als das Wasser schon hochstand und die ersten Deiche brachen, versuchte die Feuerwehr und die Polizei die Bevölkerung zu wecken und aus ihren Betten zu holen.“
„Wie du schon sagst, Paul, die schliefen nämlich alle. Das Wasser kam mitten in der Nacht von Freitag auf Samstag – war das nicht der 16. Februar? – und der Sturm war so laut, dass die Leute die Sirenen und Warnrufe schlichtweg nicht hörten.“
„Onkel Hein erzählte, dass die sogar Böllerschüsse abgefeuert hätten. Das nannten sie dann „Hochwasser Schießen“. Überall in Hamburg fiel der Strom aus, weil die Kraftwerke überflutet wurden. Es gab kein Licht, kein Radio und kein Telefon.“ „Und das Wasser stieg unaufhörlich und die Deiche brachen. Die Menschen haben versucht sich auf die Dächer ihrer Häuser zu retten. Aber ihre Haustiere oder das Vieh im Stall konnten sie natürlich nicht mitnehmen.“ „Nein, die Tiere verendeten elendiglich.“, Paul klopfte seine Pfeife aus. „Auch Reni, die Schäferhündin von meinen Verwandten, ertrank in den Fluten. Als das Wasser kam, bellte sie wie verrückt und weckte so die Familie auf. Die flüchtete auch auf das Dach und nahmen auch den Hund mit. Der konnte sich aber nicht halten und rutschte vom Dach runter in die Fluten. Dort ertrank er dann.“
„Ach, Paul, wie traurig!“, seufzte Doris. „Ja, das war es. Aber bedenk mal, dass über 300 Menschen ihr Leben in dieser Nacht verloren und viele auch ihre Existenzgrundlage.“
„Hat sich der spätere Bundeskanzler Helmut Schmidt nicht sehr engagiert?“, fragte Doris.
„Ja, das hat er. Er war damals Polizeisenator und hat sich einfach über Regeln und Gesetze hinweggesetzt. Zum Beispiel bat er viele militärische Oberbefehlsinhaber in Europa um Hilfe. Da kamen dann Nato-Streitkräfte mit Hubschraubern und retteten die Menschen von den Dächern. Der Schmidt hat damals viel geleistet und die Krise gut gehändelt. Sonst wären noch viel mehr Menschen gestorben.“
„Konnten deine Verwandten denn später den Laden wieder öffnen?“, fragte Doris.
„Ja, die haben den Laden nach etlichen Renovierungsarbeiten wieder aufgemacht. Und einen kleinen Schäferhund haben sie sich auch wiedergeholt.“