Krimigeschichten für Senioren. Kalte Schnauze

In unserer heutigen Krimigeschichte für Senioren geht es um ein fast perfektes Versteck. Wir wünschen viel Freude beim Vorlesen und Zuhören!

Krimigeschichten für Senioren. Kalte Schnauze

Anton war am letzten Wochenende mit seinen Eltern und seiner Schwester Anna bei den Großeltern. Antons Opa hatte Geburtstag. Sein 70. sollte gefeiert werden. Da sie weit weg von Oma und Opa wohnten, reisten sie für ein ganzes Wochenende an.
Anton liebt Wochenenden bei Oma und Opa. Sie haben immer viel Zeit zum Spielen, es gibt leckeres Essen und vor allem haben sie ihren Hund Benno. Benno ist ein Schäferhund. Schon ein bisschen in die Jahre gekommen, aber unglaublich kinderlieb und eine Seele von Hund. Anton hatte sich beim ersten Treffen sofort in den kleinen Kerl verliebt und sie wurden Freunde fürs Leben.
Und so war für Anton schon vor dem letzten Wochenende klar, dass er viel Zeit mit Benno verbringen würde. So kam es auch. Den Freitagnachmittag verbrachten die beiden nur draußen im Garten an der frischen Luft. Anton war todunglücklich, als sie zum Abendessen ins Haus mussten. Oma tröstete ihn mit einer extra langen Gute-Nacht-Geschichte. Und irgendwann, nach vielen, vielen Leseseiten, war er dann auch endlich eingeschlafen…



Das Frühstück am Samstag verlief ruhig. Alle saßen zusammen am Tisch. Anton und Anna erzählten, was es Neues in der Schule gab, Oma und Opa von ihrem bevorstehenden Sommerurlaub in den Alpen und Mama und Papa ganz viele Dinge, die Anton überaus langweilig fand. Verträumt kraulte er Benno hinter den Ohren und wartete relativ geduldig darauf, dass das Frühstück sein Ende nahm und er endlich mit Benno rausgehen konnte.
Als der große Moment endlich da war konnten die Erwachsenen gar nicht so schnell gucken, wie die beiden im Garten verschwunden waren. Anton genoss die Zeit im Freien. Benno ebenso. Anton warf Stöckchen, schoss Bälle und rannte mit Benno um die Wette. Zwischenzeitlich kraulte er seinen treuen Freund am Hals und tätschelte ihm den Rücken.

In der Küche begannen derweil die Vorbereitungen für den 70. Geburtstag am nächsten Tag. Die ganze Familie war eingeladen. Und da gehörten eine Menge an Onkel und Tanten, Cousinen und Cousins zu. Das wusste Anton. Er hörte Geschirr klappern, den Schneebesen in der Schüssel hin und her schlagen und Oma zwischendurch schimpfen. Es wurde hektisch. Auch das kannte er. Doch dass Oma so laut und so oft hintereinander fluchte, das war ihm neu. Er schickte Benno in seine Hütte und ging zum Küchenfenster. Oma suchte irgendetwas bestimmtes und schien es nicht zu finden. “Wo ist das denn?”, hörte er sie ungeduldig fragen. “Was denn?”, fragte Mama zurück. Nicht so ungeduldig wie Oma, allerdings meinte Anton, in ihrer Stimme auch schon herauszuhören, dass sie ein kleines bisschen genervt gewesen war.
“Na das Rezept”, entgegnete Oma bestimmt. Anton sah, dass Mama sie fragend ansah. Oma reagierte allerdings nicht. “Welches Rezept?”, fragte Mama bestimmt. Oma durchsuchte jede einzelne Schublade. Den Schrank mit den Rezeptbüchern hatte sie schon dreimal auf den Kopf gestellt. “Das von der kalten Schnauze. Das wollte ich für morgen machen. Das isst Mutti doch auch so gerne! Ich habe alle Zutaten da. Ich kann mich aber nicht daran erinnern, wie viel Kokosfett und Kakao ich genau brauche.” Sie machte eine Pause. “Und wenn ich das nicht genau nach ihrem Rezept mache, merkt sie das.”
Anton sah, dass Mama sie verwundert anschaute. “Wessen Rezept?”
“Na Muttis!”, Oma durchsuchte die Schränke. Sie wurde immer eiliger. Anton wusste, dass mit Mutti seine Uroma gemeint war. Mutti war die Mama seines Opas.
“Sie hat die Kalte Schnauze doch immer für deinen Vater gemacht. Er isst die doch auch so gerne. Und ich habe irgendwann das streng gehütetet Familienrezept von ihr geschenkt bekommen.” Oma schaute Mama an. “Und jetzt finde ich es nirgendwo…” Ihr Augen durchsuchten den Raum. Sie eilte ins Esszimmer, aus dem es nach einigen Sekunden schallte: “Oder meinst du, dass Einbrecher es gestohlen haben?”
Anton beobachtete, dass seine Mutter ihre linke Augenbraue hob. Er überlegte. Wo könnte das Rezept hingekommen sein? Wenn Oma alles durchsucht hatte? War da wirklich ein Einbrecher zugange gewesen?
Er sah, wie Mama die Küche verließ und seiner Oma beim Suchen behilflich sein wollte. “Wo kann es denn nur sein?”, hörte er seine Oma in einer Mischung aus Verzweiflung und Ärger fragen. “Wenn ich das nicht nach ihrem Rezept mache, dann kann ich es ganz sein lassen. Dann wird es deinem Vater nicht schmecken und sie wird merken, dass ich ein fremdes Rezept benutzt habe.”
Anton überlegte. Dass seinem Opa die Kalte Schnauze nicht schmecken würde, wollte er auf jeden Fall verhindern. Schließlich war es ja Opas Geburtstag. Sein 70. Wo könnte so ein Rezept denn noch sein, sofern es niemand gestohlen hat?
Er suchte im Gartenhaus, in seiner Spielzeugkiste neben dem Sandkasten und hinter dem Kompostbehälter. Benno war wieder aus seiner Hundehütte gekommen und folgte ihm auf Schritt und Tritt. Er schnüffelte auf dem Boden herum. “Ja, genau!”, Anton war begeistert, “hilf mir gerne mit! Sonst bekommt Opa morgen keine Kalte Schnauze. Die mag er doch so gerne…” Anton suchte in Gedanken versunken weiter. Wenn Mama und Oma draußen suchten, übernahm er das Außengelände. So machten Detektive das… Und er hatte ja sogar noch einen Spürhund dabei.
Er krabbelte auf dem Rasen herum. Am Sandkasten vorbei. An der Hundehütte vorbei. Am Kompost… Moment! Anton drehte wieder um. Was lag denn da in der Hundehütte? Anton ging ein wenig näher heran und schaute hinein. Lag da nicht ein Zettel drin? Plötzlich sah er einen Schatten über sich. Benno kam angelaufen. Anton erschrak. Er drehte sich langsam um. Da waren Opas Schuhe. Erleichtert sah er ihn an.
“Opa! Gut, dass du kommst!”, Anton stand die Freude ins Gesicht geschrieben. “Ich habe es gefunden! Oma hat das Rezept gesucht. Weil du es ja so gerne isst…”, er stutzte. “Oh, darfst du das eigentlich wissen? Nicht, dass das eine Überraschung…”
Opa sah ihn liebevoll an. “Nein, mein Junge…”, er setzte sich zu ihm auf den Boden. “Ich wusste davon”
Opa begann zu flüstern. “Ich habe das Rezept in Bennos Hundehütte versteckt.” “Du?!”, Anton sah ihn entsetzt an. Opa deutete ihm vorsichtig, leiser zu sein. Er flüsterte weiter: “Ja… Ich mag diese Kalte Schnauze einfach nicht. Immer haben sie sie mir gemacht. Immer musste ich die Kalte Schnauze essen. Dabei schmeckt sie mir gar nicht.” Er schaute sich vorsichtig um. Dann sah er Anton wieder an. ” Und morgen ist doch mein 70. Geburtstag. Da möchte ich ganz viel essen, was mir schmeckt! Und auf keinen Fall Kalte Schnauze. Ich würde es aber nicht übers Herz bringen, das deiner Oma so zu sagen…” Anton sah ihn lange an. Dann nickte er verständnisvoll. “Aber warum denn in Bennos Hundehütte? Das findet doch jeder?” Opa lächelte: “Nein, Oma würde hier nie reinschauen. Sie mag die Hundehütte nicht. Das ist der einzige Ort, an dem sie nie suchen würde. Ich habe ja nicht gewusst, dass du ein so aufgeweckter Detektiv bist…”

Anton sah nachdenklich aus. Dann grinste er. ” Benno,” rief er ihn liebevoll. ” Leg dich in deine Hütte!” Er schaute Opa an und lächelte: “Dann sieht sie den Zettel auf keinen Fall!” Opa musste lachen. Liebevoll wuschelte er seinem Enkel durch die blonden Haare…

Annika

© by Annika Schneider. Staatlich examinierte Ergotherapeutin, Chefredakteurin von Mal-alt-werden.de. Bücher von Annika Schneider finden Sie hier.

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