Freundinnen. Eine Hoffnungsgeschichte

Freunde halten zusammen und gehen durch dick und dünn. Schön, wenn man solch eine Freundin hat. Eine Geschichte zum Vorlesen für Senioren.



Freundinnen

„Mensch, wo bleibt denn Gitte nur?“, Ute schaut zum hundertsten Mal auf die Uhr. Sie war mit ihrer Freundin um halb vier zum Kaffee verabredet. Jetzt war es halb fünf. Hoffentlich war nichts passiert! Sie rief bei Gitte zu Hause an, aber dort ging niemand ans Telefon. Dann versuchte sie es bei Gittes Tochter, aber da sprang auch nur der Anrufbeantworter an. Gerade als Ute dachte, jetzt zieh ich mir die Schuhe an und suche sie, klingelte es an der Tür. Ute öffnete und eine fröhliche Gitte kam herein. „Ja, wo kommst du denn jetzt her? Es ist doch schon halb fünf!“, fragte Ute erstaunt. „Hallo Ute, ich bin noch ein Stück durch den Park gegangen und dann hab ich die Zeit ganz vergessen.“, Gitte schaute ganz bedröppelt. „Aber jetzt bin ich ja da. Lass uns Kuchen essen.“

Am Abend dachte Ute noch einmal über Gittes Verhalten nach und es fiel ihr ein, dass Gitte in letzter Zeit oft vergesslich war, aber das Vergesslichsein immer überspielte. Mal hatte sie ihren Haustürschlüssel zu Hause liegen gelassen, ein anderes Mal kam sie in Pantoffeln. Wenn Ute bei Gitte zu Besuch war, fand sie sprichwörtlich den Kamm in der Butter – nichts war an seinem Platz. Gitte nahm schweren Herzens das Telefon und rief noch einmal bei Gittes Tochter an. Diesmal wurde am anderen Ende der Hörer abgenommen und Ute berichtete von Gittes Verhalten. Sonja, die Tochter, erzählte wiederum, dass ihr das bei der Mutter auch schon aufgefallen sei und das sie Ende der Woche einen Termin beim Neurologen hätten.

Wie sich herausstellte, litt Gitte an einer schnell fortschreitenden Demenz. Diese heimtückische Krankheit würde immer schneller Gittes Erinnerungen rauben. Da Gitte nicht mehr alleine leben sollte, beschloss die Tochter, dass Gitte in ein Pflegeheim solle. Das war ein Schock für Ute.
Gitte und Ute waren seit Kindheitstagen Freundinnen gewesen. Sie hatten zusammen gespielt und für die Schule gelernt. Sie hatten gleichzeitig eine Lehre begonnen und zwei junge Burschen kennen gelernt, die sie dann geheiratet hatten. Auch ihre Kinder hatten sie fast zur selben Zeit bekommen und konnten sich immer mit Babykleidung und guten Ratschlägen helfen. Sie waren ihr Leben lang durch dick und dünn gegangen, haben zusammen gelacht und geweint und waren immer füreinander da. Und jetzt sollte Gitte in ein Pflegeheim?

Ein paar Wochen später besuchte Ute Gitte im Pflegeheim. Zuerst erkannte Gitte Ute gar nicht, sie dachte ihre Mutter würde sie besuchen. Doch dann erinnerte sie sich an ihre Freundin. Sie schauten gemeinsam alte Fotoalben an und lachten über die gemeinsamen Erinnerungen. Als Ute nach Hause gehen musste, fragte Gitte: „Kommst du mich bald wieder besuchen, Ute?“. „Ja, ich komme dich jeden Tag besuchen, Gitte, solange wir noch unsere Erinnerungen haben. Aber auch danach werde ich immer bei dir sein, denn du bist meine beste Freundin.“

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Monika

© by Monika Kaiser. Buchhändlerin, Betreuungskraft, Autorin bei Mal-alt-werden.de

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