Der Badetag. Eine Alltagsgeschichte zum Vorlesen und Erinnern

Bestimmt erinnern sich die Senioren auch noch daran, dass früher immer samstags Badetag war. Und oft badeten alle Familienmitglieder hintereinander im gleichen Badewasser! Im Sommer wurde es dann noch zum Schluss an die Blumen im Garten gegossen. Zum Vorlesen und Erinnern haben wir heute eine Geschichte zum Badetag für die Senioren geschrieben.

Der Badetag

Ich erinnere mich noch gut daran, dass samstags bei uns immer Badetag war. Aber ich glaube, das war damals in allen Familien so üblich. Denn sonntags wurden dann die guten Kleider angezogen. Unsere Sonntagskleidung. Damit gingen wir vormittags in die Kirche und nachmittags zum Sonntagsspaziergang mit der ganzen Familie. Und falls Besuch kam, waren wir schon direkt hübsch angezogen.



Auf das Baden habe ich mich immer sehr gefreut. Ich war die Jüngste von drei Schwestern und durfte als erste baden. Als wir noch keine Ölheizung hatten, stand im Badezimmer noch der runde, hohe Holzofen. Bevor ich also im Winter in die Wanne konnte, musste zuerst Feuer im Ofen gemacht werden, damit es im Badezimmer warm wurde. Damit fing der Badetag an und die Spannung stieg. Denn nicht immer brannte das Holz im Ofen sofort. Manchmal musste mein Papa pusten und pusten bis Papier und Anmachholz endlich brannten.

Warmwasser gab es damals natürlich auch noch nicht. Das Wasser machte meine Mama in einem großen Topf auf dem Herd in der Küche heiß. Wenn ich in meinen Erinnerungen krame, hatten wir aber keine Zinkwanne mehr, sondern eine ganz moderne Keramikwanne und ein gefliestes Bad.

Endlich füllte Mama das heiße Wasser in die Wanne und im Bad war es schön muckelig warm. Nun kam noch ein Schuss herrlich duftender Badeschaum ins Wasser. Ich hatte mich im Kinderzimmer ausgezogen und den flauschigen Bademantel mit Kapuze und Pantoffeln an. Nun sauste ich durch den kalten Flur in das warme Badezimmer und in das heiße, duftende Wasser. Was war das herrlich!

Ich hatte tatsächlich eine gelbe Badeente und meistens einen rosa Waschlappen mit zu meinem Badevergnügen. In der Seifenablage lag neben der Seife auch eine Nagelbürste. Mehr brauchte ich nicht um selig eine ungestörte Stunde im wohlig warmen Wasser zu verbringen.
Doch … nach einiger Zeit war das Wasser leider nicht mehr wohlig warm, sondern eher unangenehm kalt. Das war dann auch der Zeitpunkt, an dem meine Mama erschien und mich aus dem Wasser scheuchte. Aber erst wurde ich noch einmal von Kopf bis Fuß gewaschen – auch hinter den Ohren! Und zu allem Übel mussten die Haare gewaschen werden. Und da ich lange Haare hatte, ich trug Zöpfe, war das jedes Mal ein aufwändiger Akt. Ich hielt mir den Waschlappen vor die Augen und Mama seifte erst die Haare ein und spülte sie dann mit dem Badewasser ab. Aber bis alle Seifenreste raus waren, musste sie lange spülen. Und immer bekam ich Seifenwasser in die Augen. Das brannte!

Dann hob mich Mama aus der Wanne, stellte mich aufs Klo und rubbelte mich von oben bis unten ab – und auch zwischen den Zehen!
Mit einem Turban auf dem Kopf und eingehüllt in Nachthemd und warmen Bademantel ging es dann ins Wohnzimmer.
Ich kuschelte mich in den Sessel und durfte fernsehen. Dabei aß ich ein Brötchen mit Schinkenwurst. Jeden Samstagabend. Denn samstags war auch Einkaufstag und da gab es immer frische Brötchen und frischen Aufschnitt. Und abends im Sessel fernsehen und dabei essen durfte ich auch nur samstags.

Nach dem Essen wurden die Haare gefönt. Unser Fön war laut, aber es kam kaum mehr als warme Luft heraus.
Das passte mir gut, denn ich durfte ja nur mit trockenen Haaren ins Bett und je länger das Trocknen dauerte, desto länger durfte ich auch fernsehen.
Wenn dann doch endlich die Haare trocken waren, flechtete meine Mama mir noch zwei Zöpfe und dann wurde ich auch schon von meinen älteren Schwestern aus dem Sessel vertrieben. Oder von Papa, der die Tagesschau gucken wollte.

Alle vier Wochen war dann das Highlight des samstäglichen Badetags. Das Bett war frisch bezogen und die Bettwäsche war weich und duftete. Mit meinem geliebten Plüschpony hüpfte ich ins Bett und schlief wie eine Prinzessin.

Monika

© by Monika Kaiser. Buchhändlerin, Betreuungskraft, Autorin bei Mal-alt-werden.de

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