„Landhaus Fernblick“ und „Landhaus am Fehmarnsund“ – Urlaub für Menschen mit Demenz und deren Angehörige

Ein Interview mit Oda Findorff-Otto

OdaFindorffOtto

Hallo Frau Findorff-Otto, stellen Sie sich doch bitte kurz vor.

Ich bin Jahrgang 1957, verheiratet und Mutter von drei erwachsenen Töchtern. Nach unterschiedlichen beruflichen Stationen, der Pflege und Begleitung der eigenen und der Schwiegereltern sowie einer an Demenz erkrankten Nachbarin absolvierte ich 2012 die Ausbildung zur Betreuungsassistentin nach §87b SBG XI. Seitdem arbeite ich in der Tagesbetreuung – zunächst im Landhaus Fernblick in Winterberg und seit Mitte vergangenen Jahres im Landhaus am Fehmarnsund an der Ostsee.



 

 

Das „Landhaus Fernblick“ in Winterberg/Sauerland und das „Landhaus am Fehmarnsund“ in Großenbrode/Ostsee sind Kur- bzw. Erholungseinrichtungen für Menschen mit Demenz und deren Angehörige. Was macht die Einrichtungen für diese Menschen so besonders?

Bei beiden Häusern handelt es sich um seniorengerechte, barrierefreie Hotelanlagen der gehobenen Klasse mit Vollpension, eigenem Schwimmbad, Sauna und Wellnessbereich. Der pflegende Angehörige ist eingeladen, auszuspannen, Freizeit zu genießen und Erholungsangebote wahrzunehmen, während er den erkrankten Partner ganz in seiner Nähe weiß, ohne ihn jedoch während dieser Zeit versorgen zu müssen. Die Mahlzeiten werden gemeinsam eingenommen und die Unterbringung erfolgt ganz individuell abgestimmt, auf Wunsch in sog. Tandemzimmern. Ein ambulanter Pflegedienst übernimmt, wenn gewünscht, die Pflege wie in der häuslichen Umgebung. Das Personal von der Rezeption über das Housekeeping bis zum Restaurant-Service bietet in jeder Situation achtsame Unterstützung.

 

 

Sie bieten zudem ein Vorsorgeangebot für Angehörige von Menschen mit Demenz an.  Was beinhaltet dieses Konzept und warum ist dieser Bereich so wichtig?

Das Vorsorgekonzept beinhaltet für pflegende Angehörige unterschiedlichsten Erschöpfungsgrades Maßnahmen zur seelischen Unterstützung und körperlichen Stabilisierung sowie einer zeitweiligen Entlastung von der Pflegesituation. So sind zum Beispiel auf der psychosozialen Ebene die besonderen Konfliktsituationen und schwierigen Beziehungen zwischen Pflegenden und Pflegebedürftigen Thema regelmäßiger Angehörigengespräche. Es werden entlastende Verhaltensweisen und Strategien für die Selbstfürsorge vermittelt. Gerne wird der Aufenthalt in Großenbrode zudem als eine „ambulante Vorsorgeleistung“ (offene Badekur) gebucht. Als sehr hilfreich haben sich zudem die Begegnung und der zwanglose Austausch von Gleichbetroffenen während der gemeinsamen Aufenthalte erwiesen.

 

Wie und mit welchen Angeboten werden die Menschen mit Demenz in dieser Zeit betreut?

Für das Angebot der Tagesbetreuung für Gäste mit Demenz stehen eigens dafür eingerichtete und behindertengerechte Räumlichkeiten zur Verfügung. Am Vormittag und am Nachmittag hat die Tagesbetreuung für jeweils 3 ½ Stunden geöffnet Der strukturierte Tagesablauf mit Spiel, Musik, Bewegung und biographisch-orientierten Gesprächsrunden trägt dazu bei, dass demente Gäste bestens versorgt werden. Ein Snoezelraum bietet durch Sinnesanregungen weitere Möglichkeiten zu therapeutischen Interventionen. Je nach Schwere des Krankheitsverlaufs werden die Gäste in Kleingruppen individuell und ressourcenorientiert betreut. Großzügige Gartenanlagen laden zu Aktivitäten im Freien ein, mit einem Kleinbus werden Ausflüge unternommen und regelmäßig finden Aktivierungen durch tiergestützte Begegnungen statt.

 

 

Ich bin ein(e) Angehörige(r) eines an Demenz erkrankten Menschen. Wie kann ich zu Ihnen Kontakt aufnehmen um an dem Vorsorgekonzept teilzunehmen?
Und werden die Kosten von meiner Krankenkasse übernommen?

Eine umfängliche, individuelle Beratung, auch zur Kostenübernahme durch die Krankenkassen, ist jederzeit unverbindlich telefonisch, per Post oder email über den Kontakt zum „Landhaus Fernblick“ oder zum „Landhaus am Fehmarnsund“ gegeben. Die Kosten der Tagesbetreuung können über die §§ 39 und 45 SBG XI abgerechnet werden.

 

 

Können Sie uns vielleicht eine schöne Geschichte oder Anekdote erzählen, die Sie bei Ihrer Arbeit erlebt haben?

Einmal betreuten wir einen an Demenz erkrankten Herrn, der regelmäßig zu einer bestimmten Uhrzeit sein in einem Glas Wasser aufgelöstes Medikament einnehmen musste. An diesem Tag bemühten sich alle im Team abwechselnd, den Gast mit Engelszungen zur Einnahme zu überreden. Doch alle Tricks halfen nichts. Er weigerte sich, das Glas auch nur in die Hand zu nehmen. Irgendwann kam unser „Bufdi“ mit einem Tablett an seinen Platz und meinte nur: „Herr W., trinken Sie bitte eben aus. Das Glas muss noch mit in die Spülmaschine!“ Er hatte noch nicht ausgesprochen und schon war’s geleert!

 

Was wünschen Sie sich von der Zukunft?

Eigentlich ist es gar nicht viel oder doch?
Für diejenigen, die sich bewusst werden, an Demenz erkrankt zu sein, dass sie sich öffnen dürfen und Ansprechpartner finden, die sie ernst nehmen und von Anfang an begleiten. Dass sie nicht so viel Energie aufbringen müssen, die „Fassade“ zu wahren.
Für die Angehörigen, die erkennen, dass mit einem Familienmitglied „etwas nicht stimmt“. Erkundigen Sie sich möglichst umgehend nach Hilfen und Selbsthilfegruppen, spannen Sie ein Netzwerk von Familienmitgliedern, Freunden und Nachbarn, damit Sie nicht in eine soziale Isolation geraten. Sie brauchen sich nicht zu „schämen“, Demenz ist längst kein Tabu-Thema mehr, ebenso wenig wie Krebs! Und bitte: Sprechen Sie niemals „über“ den Erkrankten „hinweg“ in seinem Beisein!
Für die Gesellschaft: Demenzerkrankte sind beeinträchtigte Personen wie andere „Behinderte“, nur mit sehr unterschiedlichem Profil. Es sind Menschen wie Sie und ich, jeden kann es irgendwann treffen. Wie möchten Sie, wie man Ihnen dann begegnet? Nehmen Sie dieses zu Ihrer Leitlinie!
Ein Tipp: Der Demente hat immer Recht! (Widerspruch ist ohnehin zwecklos.) Und übrigens: Vieles lässt sich mit Humor und Leichtigkeit besser bewältigen!

 

 

Herzlichen Dank, Frau Findorff-Otto!

 

Zur Internetseite: www.aw-kur.de

Annika

© by Annika Schneider. Staatlich examinierte Ergotherapeutin, Chefredakteurin von Mal-alt-werden.de. Bücher von Annika Schneider finden Sie hier.

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