Tiergestützte Logopädie
Paulchen hilft Silke Schneider-Lingstädt bei der Arbeit
Hallo Frau Schneider-Lingstädt stellen Sie sich doch bitte kurz vor.
Mein Name ist Silke Schneider-Lingstädt und ich habe im Jahr 1992 meine Ausbildung zur staatlich anerkannten Logopädin begonnen, seit November 1997 bin ich in eigener Praxis tätig. Meine Mitarbeiterinnen und ich behandeln alle logopädischen Störungsbilder.
Tiergestützte Therapie. Was ist das eigentlich?
Unter tiergestützter Therapie verstehen wir alle Maßnahmen, bei denen durch den gezielten Einsatz eines Tieres- bei mir durch unser Paulchen – positive Auswirkungen auf das Erleben und Verhalten von Menschen erzielt werden sollen. Die Tiere können den Beginn einer Therapie erleichtern, da sie eine Brücke zur sozialen Interaktion schlagen und sozusagen als „Katalysator“ fungieren. Gerade Hunde erzeugen eine von Wärme, Empathie und Akzeptanz geprägte Therapiesituation, da sie Patienten unabhängig von Aussehen, Alter, Status, Religion und Kultur annehmen und vorurteilslos Offenheit und Ehrlichkeit anbieten.
Schon im 8. Jahrhundert begann man in Belgien, Tiere für die Versorgung von sozial- und ökonomisch benachteiligten Menschen einzusetzen. Die erste Integration von Tieren in die Therapie fand 1867 in Bethel statt, Erste Studien gab es 1969 von Boris M. Levinson, der die positiven Effekte von Hunden in den schnellen Start der Therapie beschreibt und somit eine Vielzahl von wissenschaftlichen Untersuchungen auslöste.
Inzwischen ist erwiesen, dass Patienten in der tiergestützten Therapie eine signifikant höhere Anzahl an verbalen und non-verbalen Äußerungen zeigen. Ich habe bei vielen Menschen mit Demenz erlebt, dass Paulchen den Wunsch nach Fürsorge und Pflege auslöst. Das Gefühl gebraucht zu werden, wichtig zu sein und eine sinnvolle Aufgabe zu haben (Füttern, Versorgen, Streicheln), verbessert die Wachheit, ermuntert zu verschiedenen Aktivitäten (Als Beispiel: Ein Patient wirft eine kleine Tasche, in der auf Zetteln geschriebene Aufgaben sind. Der Hund bringt diese zum Menschen mit Demenz zurück, bekommt dafür eine Belohnung (Leckerchen oder Streicheleinheit) und gemeinsam mit mir wird die Aufgabe gelöst) und stärkt das Selbstwertgefühl. Da Hunde „Meister“ im Bereich der nonverbalen Kommunikation über Blicke, Stimmlage, Gestik und Mimik sind, können sie auch mit Betroffenen kommunizieren, deren Sprachfähigkeit deutlich eingeschränkt ist!
Wie ist es dazu gekommen, dass Sie tiergestützte Logopädie anbieten?
Im Fernsehen bin ich auf die Möglichkeiten der tiergestützten Therapie aufmerksam geworden. Da ich früher schon Hunde hatte-die allerdings rassebedingt ungeeignet gewesen wären- habe ich mich informiert, über welche Fähigkeiten und Anforderungen ein entsprechender Hund verfügen muss. So bin ich auf die Rasse „Havaneser“ gestoßen, natürlich gibt es auch andere geeignete Hunde. Mir hat besonders gefallen, dass unser Paulchen keine Haare verliert und daher auch der Umgang mit Allergikern möglich ist!
Welche Aufgaben übernimmt Paulchen in der Therapie?
Paulchen sorgt, wo immer wir auftauchen, für Heiterkeit und Freude. Er ist sozusagen der „Brückenbauer“ zwischen mir und meinen Patienten. Selbst wenn ich nicht erkannt werde, erinnern sich die meisten demenziell erkrankten Menschen an den Hund. Er wird freudig begrüßt:“ Guck mal, da ist er ja wieder!“ und schon habe ich die Möglichkeit, auch Patienten zu erreichen, die oft versunken in ihrer eigenen Welt zu leben scheinen. Paulchen kann verschiedene Tricks, z. B. würfelt er mit einem großen Schaumstoffwürfel, er bringt verschiedene Gegenstände, kann Gegenstände in einen Korb oder Koffer aufräumen und gemeinsam aufgebaute Parcours durchlaufen.
Haben Sie und Paulchen eine spezielle Ausbildung für den Einsatz in der Logopädie?
Die sogenannte tiergestützte Therapie (animal assisted therapy) kann nur von anerkanntem Fachpersonal mit Zusatzqualifikation durchgeführt werden. Wir haben uns über Monate bei der Steinfurter Akademie für Tiergestützte Therapie (SATTT) ausbilden lassen. Nach der Abschlussprüfung für Mensch und Hund haben wir ein Zertifikat erhalten und dürfen uns „zertifiziertes Therapiebegleithundeteam“ nennen.
Können Sie vielleicht eine kleine Anekdote oder Geschichte erzählen, die verdeutlicht, was mit der tiergestützten Therapie erreicht werden kann?
Es rührt mich immer sehr, wie sensibel und feinfühlig Paulchen sich während der Therapie zeigt. Ich betreue seit knapp einem Jahr eine 80 jährige Dame, die häufig sehr traurig ist und während des Gespräches oder beim Singen anfängt zu weinen, da z.B. der Text eines Liedes sie an vergangene, bessere Zeiten erinnert. Sofort legt Paulchen sich auf ihre Füße oder klettern an ihr hoch, um sie zu trösten. Die Dame fängt prompt an zu lachen, streichelt ihn ausgiebig und wir können weiter singen.
Was wünschen Sie sich von der Zukunft?
Ich wünsche mir, dass die Gesellschaft sich auf Menschen mit Demenz einstellt und lernt, dass wir nicht die Betroffenen ändern können, sondern nur uns selbst!
Herzlichen Dank, Frau Schneider-Lingstädt !!!
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