Kreative Bastelideen quer durch das ganze Jahr…

Im Gespräch mit Susanne Vogt über Bastelangebote mit Senioren

Hallo Frau Vogt, stellen Sie sich doch bitte kurz vor.
Mein Name ist Susanne Vogt. Ich bin 40 Jahre jung und lebe in der Schweiz. Beruflich bin ich nicht in der Seniorenarbeit oder Altenpflege tätig, ich bin Lehrerin. Aber in meiner Freizeit bin ich gerne kreativ, für und mit Jung und Alt.

Bastelarbeiten begeistern Jung und Alt. Ob jemand gerne bastelt, hat nichts mit dem Alter zu tun. Anleitungen und Ideen gibt es in Hülle und Fülle. In der Seniorenarbeit sollte man trotzdem einige Dinge beachten und auf mögliche Einschränkungen der Teilnehmenden Rücksicht nehmen.
Was ist das Besondere an Bastelangeboten für Senioren? Worauf sollte man unbedingt achten?

Man neigt gewiss dazu, sich bei älteren Menschen auf die Einschränkungen zu fokussieren. Doch für mich ist es viel wichtiger, die Fähigkeiten herauszustellen. Sicherlich spielen eingeschränkte Motorik oder Sehfähigkeit oder auch Demenz eine nicht unwesentliche Rolle bei der Planung. Deshalb gilt es gerade beim Basteln mit älteren Menschen, ganz genau hinzusehen und zu erspüren, welche Bedürfnisse, Vorlieben oder auch Wünsche sie haben. Basteln sollte ja Lust sein, nicht Frust. Wie Sie sagen: es gibt Angebote zuhauf. Aber nicht alle berücksichtigen diese in meinen Augen wichtigen Aspekte.
Umso mehr bin ich dem Team vom Verlag an der Ruhr und allen, die an meinem Senioren-Bastelbuch beteiligt waren, dankbar fürs Mitdenken, Kritisch-Sein, Nachfragen, Beraten und dafür, dass sie das Buch zu einem sehr durchdachten Ganzen gemacht haben.



Wie sollten Bastelangebote in der Seniorenarbeit generell aufgebaut sein?
Ganz wichtig ist, dass niemand zum Basteln genötigt wird. Meine Angebote sollten Aufforderungscharakter haben. Senioren-Bastelangebote sollten als „Angebot“ formuliert sein, nicht als zu erfüllende „Musterlösung“. Die Ideen sollten zwar den Betreuern eine Hilfestellung geben und auch Schritt für Schritt beschreiben, wie auch weniger bastelaffine Menschen Senioren zu schönen Ergebnissen anleiten können. Die Bastelangebote wollen aber nicht einschränkend sein. Sie sollten Freiräume lassen und eigene Ideen ermöglichen und Anstoß sein, abgewandelt zu werden. Im Tun entstehen oft neue Ideen oder Möglichkeiten für Abwandlungen. Kurz gesagt, sollte das Bastel-Erlebnis im Vordergrund stehen, nicht nur das Ergebnis. Und ganz nebenbei sollte das Basteln auch den Betreuern eine Freude machen.

Wie findet man das richtige Thema für seine Bastelangebote?
Im Lauf des Jahres ergeben sich viele Themen ja ganz von selbst: Blumen, Sonnenschein, Schmetterlinge oder Vögel im Frühling. Schneeflocken, Engel und Weihnachtskrippen im Winter. Aus meiner Sicht ist es wichtig, auch hier die Beteiligten mit einzubeziehen und genau abzuschätzen, woran diese wohl Freude hätten. Schaut man dann die Bastelangebote mit wachen Augen und einem offenen Herzen an, so findet man sicher das Richtige.

Welche Materialien sind für das kreative Gestalten mit Senioren besonders gut geeignet? Womit sollte man im Seniorenbereich vielleicht eher nicht, oder nur in speziellen Angeboten arbeiten?
Besonders gut geeignet sind Materialien, die SINN-volle Erlebnisse ermöglichen. Dinge, die riechen (Orangen im Winter). Weiche Dinge mit einer angenehmen Haptik (z. B. Wolle). Farbige Dinge. Einfache Dinge, die Anlass für Gespräche sind. Man vergisst immer wieder, dass auch Alltagsgegenstände sehr wichtige Bastelmaterialien sind. Das Titelfoto zu meinem Senioren-Bastelbuch habe ich gemacht. Darauf ist eine 97-Jährige Seniorin mit ihrem weniger als halb so alten Betreuer, der auch ihr Enkel sein könnte. Ist es nicht eine Freude, zu sehen, wie viel Spaß schon eine einfache leere WC-Rolle beim Basteln machen kann?

Wie sollten Bastelangebote für Menschen mit motorischen Einschränkungen gestaltet sein?
Motorische Einschränkungen können sehr vielfältig sein. In Bastelangeboten muss auf mögliche Schwierigkeiten hingewiesen werden. Dadurch sollte den Betreuenden bewusst werden, wann sie gegebenenfalls helfend eingreifen müssen.

Was sollte man bei Bastelangeboten speziell für Menschen mit Demenz beachten?
Auch bei Menschen mit Demenz gibt es ganz große Unterschiede (z. B. Stadium und Ausprägung der Krankheit). In meinem Senioren-Bastelbuch habe ich darauf hingewiesen, wenn eine Bastelidee für Menschen mit Demenz höchstwahrscheinlich nicht geeignet ist. Bei den anderen Bastelideen sind wieder aufmerksame Betreuer gefragt, die ihre Senioren genau kennen und selbst abwägen, welche Basteleien von welchen Teilnehmern bewältigt werden können.

Sie haben im letzten Jahr selbst ein Bastelbuch speziell für Bastelangebote mit Senioren veröffentlicht. „Das große Bastelbuch für Senioren“ ist im Verlag an der Ruhr erschienen. Was hat Sie dazu bewegt, dieses Buch zu schreiben? Und an wen richtet sich das Buch?
Ja, „Das große Bastelbuch für Senioren“, erschien im November 2017 beim Verlag an der Ruhr. Zum Verfassen dieses Buches haben mich ganz verschiedene Dinge bewegt: Besuche bei Verwandten in Seniorenheimen, das Gestalten von Seniorennachmittagen, das Basteln mit Senioren in meiner Freizeit und nicht zuletzt meine Arbeit mit Kindern in der Schule. Ich bin der Meinung, dass die Freude am aktiven Tun kein Alter kennt. Was man erlebt, wenn man erkennt, dass man selbst zu etwas (Kreativem) fähig ist, wenn aus vielen kleinen „Puzzleteilchen“ bei einer Gemeinschaftsarbeit ein farbenfrohes und wunderbares Kunstwerk entsteht, ist unbezahlbar. Das Lächeln, das diese Erkenntnis erzeugt, ebenso. Mit meinem Buch möchte ich einen kleinen Beitrag dazu leisten, Farbe in den Alltag von (älteren) Menschen zu bringen. Das Buch richtet sich also an alle Menschen, die sich darauf einlassen …

Würden Sie uns eine Idee für das Basteln mit Senioren verraten, die man im Alltag mit gemischten Gruppen gut umsetzen kann?
Gar nicht so einfach, das in Form eines Textes und mit möglichst wenigen Bildern zu machen! Aber ich versuche es. Ich formuliere die Idee für eine Gruppe.
Meine heutige Bastelidee ist ganz einfach und hier in Form einer Gruppenarbeit beschrieben. Man braucht dafür nur etwas Zeitung/Seiten einer Zeitschrift, etwas transparentes Klebeband und pro Person ein Rundholz (oder einen stumpfen Bleistift). Jeder Teilnehmer legt das Blatt vor sich auf den Tisch, legt das Rundholz auf das Papier und beginnt, das Holz einzurollen wie eine Zigarre. Auf diese Weise entstehen viele Papierrollen, die mit etwas Klebestreifen fixiert werden. Nach Herzenslust rollen schnellere Personen mehrere solcher Rollen, anderen können die Betreuer währenddessen helfen. Diese Rollen drückt dann jeder Teilnehmer mit der flachen Hand zu einem Papierstreifen. Die Aufgabe des Betreuers ist es nun, die Papierstreifen zu einem ganz langen Band zusammenzukleben. Dieses Band wird dann zu einer Schnecke gerollt und am Ende gut fixiert. Durch das Eindrücken der Schneckenmitte entsteht ein kleines Körbchen, das die Gruppe als Dekoration oder auch als kleine Schale verwenden kann.

Würden Sie uns eine kleine Geschichte oder Anekdote über das Basteln mit den Senioren erzählen, die verdeutlicht, was Sie mit Ihrer Arbeit erreichen können?
In meinem Bastelbuch findet man eine Bastelidee, für die altbekannte Pompons aus Wolle hergestellt werden. Im „großen Bastelbuch für Senioren“ entsteht daraus ein Engel, als Alternative Idee ist eine Eistüte mit einer „Pompon-Eiskugel“ gezeigt.
Eine Bekannte arbeitet in einem Aktivierungsteam in einem Altersheim und hat diese Idee mit ihren Senioren umgesetzt. Weil die Teilnehmer so viel Freude daran hatten, wurden sie selbst kreativ. Es entstand ein weißes Schäfchen mit schwarzen Beinen und schwarzem Kopf. Das kam dann wieder zu mir und bereitet mir viel Freude. So etwas beweist mir, dass man mit ganz einfachen Basteleien so viel Positives erreichen kann, und dass es gerade die kleinen und einfachen Dinge sind, die so viel Großes bewirken. Davon bin ich überzeugt.

Was wünschen Sie sich von der Zukunft?
Das ist eine große Frage! Ich wünsche mir Gesundheit und täglich offene Augen und ein offenes Herz für die kleinen und großen Wunder. Ich wünsche mir, dass ich Freuden sehe und die Fähigkeit des Staunens nicht verliere. Und ich wünsche mir, dass ich anderen eine aufmerksame Begleiterin bin und in Würde und selbstbestimmt altern kann.

Herzlichen Dank, Frau Vogt!!!
Vielen Dank Ihnen!

Zur Buchvorstellung: “Das große Bastelbuch für Senioren”
Zur Verlagsseite: Verlag an der Ruhr

Annika

© by Annika Schneider. Staatlich examinierte Ergotherapeutin, Chefredakteurin von Mal-alt-werden.de. Bücher von Annika Schneider finden Sie hier.

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