Gartentherapie und Demenz

Mit Pflanzen aktivieren und begleiten.

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Hallo Herr Niepel, stellen Sie sich doch bitte kurz vor.

Ich bin Gärtner!
Und als solcher hat mich mein Zivildienst vor gut 30 Jahren auf die Idee gebracht, dieses zu nutzen, um Menschen wie auch immer,damit etwas Gutes zu tun . Ich wollte seinerzeit im Grunde schon Gartentherapeut werden, auch wenn es das damals noch nicht gab. Nun bin ich`s ,- leite die Abteilung Garten / Gartentherapie an der HELIOS Klinik Holthausen, betreibe ein Planungs- und Beratungsbüro für therapeutische Gärten und versuche hier und da die Gartentherapie weiter voranzubringen, beispielsweise als Präsident der IGGT.



 

Gartentherapie. Was ist das eigentlich?

Gartentherapie ist ein Prozess , bei dem garten – und pflanzenorientierte Aktivitäten und Erlebnisse dazu genutzt werden um die Gesundheit und die Lebensqualität von Menschen zu erhalten oder zu fördern.

 

Was ist die IGGT und welche Aufgaben und Ziele hat sie?

Die IGGT ( Internationale Gesellschaft GartenTherapie ) ist der Dachverband zur Verbindung von Garten und Therapie, sei es zu therapeutischen Gärten oder zur Gartentherapie. In ihr sind alle wichtigen Handlungsträger, wie beispielsweise grüne oder therapeutische Berufsverbände, aber auch die Anbieter der entsprechenden Fort- und Weiterbildungen zusammengeschlossen. Momenatn sind es die entsprechenden Organisationen aus der Schweiz , Österreich und Deutschland. Ziel ist es natürlich dieses Gebiet weiter zu fördern, dabei aber auch immer eine Qualitätssicherung zu gewährleisten, was beispielsweise die Weiterbildungen, die Konzepte, die Verwendung von Pflanzen oder auch diejenigen betrifft, die dieses durchführen. So wird es ab diesem Jahr die Möglichkeit geben, sich nach dem Erfüllen bestimmter Voraussetzungen als Gartentherapeut nach IGGT registrieren zu lassen.

 

Welche Rolle spielen Gärten für Menschen mit Demenz?

Sicher können sie eine große Rolle spielen. Gärten sind von ihrer Idee her ja auf den Menschen ausgerichtete Lebensumgebungen. Orte also, in denen Natur passend für die Ernährung, aber auch die Entspannung des Menschen sortiert ist. Hier werden Situationen kreiert, die uns Genuß bieten , die als sozialer Treffpunkt wirken , in denen wir gleichzeitig selber schöpferisch tätig sind , wie auch der Schöpfung begegnen und die so Sinn stiftend sind, und die nicht zuletzt ein Gefühl von Sicherheit und Kontrolle bieten. All dieses sind auch und gerade Punkte, die für Menschen mit dementiellen Erkrankungen von hoher Bedeutung für den Faktor Lebensqualität sind.

 

Wie kann Gartentherapie in der Betreuung von Menschen mit Demenz eingesetzt werden?

Indem man sich , wie auch sonst , auf die Fähigkeiten und Lebenswelten der Klienten einlässt. Es muss eben nicht immer gepflanzt und geackert werden. Gerade bei Menschen mit Demenz geht es langsamer zu,- können auch einfach nur einzelne Pflanzen als Symbol zur Assoziation oder Erinnerung , wie auch über ihre sensorischen Eigenschaften präsentiert werden . Ein jeder Mensch hat im Laufe seines Lebens unzählige Verbindungen zu Natur, zu Gärten und zu Pflanzen aufgebaut,- diese nutzen wir. Wie dieses passend für den individuellen Klienten durchgeführt werden sollte, das ist die Kunst der Gartentherapie.

 

Gibt es ein Buch/ Artikel o.ä. zu dem Thema, das Sie den Lesern von Mal-alt-werden.de empfehlen können?

Sehr gut, wenn es um das Gärtnern allgemein für ältere Menschen geht , ist sicher “Entspanntes Gärtnern für Senioren ” von Cassidy*. Wer mit Klienten einfach einmal das Gärtnern probieren möchte, dem kann ich das “Praxisbuch Gartentherapie”*
empfehlen, welches ich gemeinsam mit dem Schweizer Gartentherapeuten Thomas Pfister geschrieben habe. Neben vielen Tipps enthält es ca. 70 fertige gartentherapeutische Programme, vom Weihnachtsgesteck bis zum Plfanzenmemory.

 

Gibt es Aus- und Fortbildungsmöglichkeiten in dem Bereich Gartentherapie für Menschen mit Demenz?

Ja, es gibt bereits seit einigen Jahren die Weiterbildung “Gärten helfen Leben “, angeboten vom Diözesancaritasverband Köln und unterstützt vom KDA. Diese berufsbegleitende Weiterbildung ist ganz speziell auf die Gartentherapie für Menschen mit Demenz zugeschnitten . Aber auch die weiteren Weiterbildungsmaßnahmen zur Gartentherapie , wie beispielsweise der Studiengang Green Care in Österreich oder auch die Weiterbildungsmaßnahmen in der Schweiz behandeln natürlich diese Thematik.

 

Können Sie vielleicht eine kleine Anekdote oder Geschichte erzählen, die verdeutlicht, was mit Gartentherapie in der Arbeit mit Menschen mit Demenz erreicht werden kann?

Ja, wenn auch keine lustige. Ich arbeite ja in der neurologischen und neurochirurgischen Rehabilitation, wo nun einmal auch Menschen mit Schlaganfall als Patienten behandelt werden, die zuvor in stationären Einrichtungen der Altenhilfe lebten. Für eine dieser Patientinnen, nennen wir sie Frau Müller, hatten meine Kollegin und ich es als Einstieg geplant, mit ihr an einem schönen Tag einfach erst mal nur in den Garten für einen kleinen Spaziergang zu fahren. Als wir ihr das erzählten , brach sie fast in Tränen aus und berichtete, sie sei seit einem Jahr nicht mehr draußen gewesen.
Leider ist dieses keine Ausnahme. Jeder , der für sich hin und wieder das Recht rausnimmt, in die Natur zu flüchten – und das sind nicht wenige – wird zustimmen, dass auch Frau Müller dieses Recht besitzt. Gartentherapie kann eine Methode sein, um dieses Recht zu gewährleisten.

 

Was wünschen Sie sich von der Zukunft?

Dass zunächst bei der Diskussion um Gartentherapie vielleicht eben einmal nicht immer gleich eine Methodendiskussion, eine finanzielle oder organisatorische Frage in den Raum gestellt wird, sondern jene Frage, was können wir (z. B. für diese Frau Müller ) tun, um das ganz basale Bedürfnis nach Naturzugang zu befriedigen ?
Und als zweiten Schritt wünsche ich mir, dass auf dieser Basis und Zielsetzung die unterschiedlichsten gartentherapeutischen Maßnahmen erarbeitet werden, von der Frühmobilisierung über 10 Minuten Aktivierungen im Garten , bis hin zu Gartenclubs oder ritualisierten Spaziergängen.
Und als letztes , das für diese Maßnahmen die dafür geeigneten und auch notwendigen „Therapieorte“, sprich mehr Gärten in der Altenhilfe entstehen, die dann auch genutzt werden.

 

Herzlichen Dank, Herr Niepel!!!

 

zur Internetseite der IGGT

 

Natali

© by Natali Mallek. Dipl. Sozialpädagogin/ Sozialarbeiterin, Gedächtnistraininerin, Master of Arts "Alternde Gesellschaften", Gründerin von Mal-alt-werden.de. Bücher von Natali Mallek finden Sie hier. Fortbildungen mit Natali Mallek finden Sie hier.

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