Ein neuer Horizont…

Demenz UND geistige Behinderung

 

vonrueden



 

 

Hallo Frau von Rüden, stellen Sie sich doch bitte kurz vor.

Ich heiße Nicole von Rüden, bin Diplom-Heilpädagogin und Projektkoordinatorin im Projekt „Demenz UND geistige Behinderung“. Das dreijährige Praxisprojekt wird von der Fachstelle Demenz des Caritasverbandes Gelsenkirchen mit Förderung der Aktion Mensch durchgeführt. Zu unseren Projektpartnern zählen vier regionale Einrichtungen der Behindertenhilfe.

 

 

Im März 2012 haben Sie das Projekt „Demenz UND geistige Behinderung“ ins Leben gerufen. Wie war der Weg dorthin?

Die Einrichtungen der Behindertenhilfe des Caritasverbandes Gelsenkirchen sahen sich immer häufiger mit der Tatsache konfrontiert, dass zunehmend auch Menschen mit einer geistigen Behinderung von Demenz betroffen sind. Hieraus ergab sich ein Bedarf an speziellem Wissen und an adäquaten Angeboten und Möglichkeiten der Begleitung der Betroffenen. Da die Einrichtungen der Altenhilfe bereits über eine langjährige Erfahrung auf diesem Gebiet verfügen, entstand der Gedanke, sich das „Know-how“ auf praktische Weise zunutze zu machen. Spannend in diesem Zusammenhang ist auch die Frage, was die Altenhilfe möglicherweise von der Behindertenhilfe „lernen“ kann.

 

 

Worum geht es in diesem Projekt?

Das Projekt ist darauf ausgelegt, neue Angebotsformen und Angebotsstrukturen für ältere Menschen mit geistiger Behinderung und Demenz oder anderen kognitiven Einschränkungen praxisbezogen zu entwickeln und zu erproben. Hierbei ist uns besonders wichtig, die Betroffenen selbst, also Menschen mit einer geistigen Behinderung, in die Entstehungsprozesse mit einzubeziehen.
Innerhalb der Projektlaufzeit geht es auch darum, eine tragende Kooperation zwischen den beteiligten Einrichtungen der Behindertenhilfe und den Einrichtungen der Altenhilfe des Caritasverbandes Gelsenkirchen herzustellen sowie regionale und überregionale Netzwerke zu schaffen. Unser Hauptziel ist das Schaffen bzw. der Erhalt des Wohlbefindens und der Lebensqualität der Betroffenen.

 

 

Wie wichtig ist das Verständnis für Demenz bei Menschen mit Behinderung?

Sehr wichtig. Oftmals fehlt das Bewusstsein, dass neben einer geistigen Behinderung auch andere Alterserkrankungen, wie z.B. die Alzheimerdemenz bei Menschen mit Handicap auftreten können. Der Krankheitsverlauf gestaltet sich hier wie bei Menschen ohne geistige Behinderung, jedoch sind einzelne Symptome möglicherweise stärker ausgeprägt. Erschwerend kommt für die Betroffenen hinzu, dass wir in Deutschland noch nicht über viele Erfahrungswerte auf diesem Gebiet verfügen. Dies äußert sich z.B. auch in noch nicht vorhandenen gängigen deutschsprachigen Diagnoseinstrumenten.

 

 

Welche besonderen Anforderungen bestehen für die Betreuer und Angehörigen in diesem Bereich?

Besonders wichtig für die Betreuer und die Angehörigen ist das Wissen um das Krankheitsbild „Demenz“. Mit zunehmendem Krankheitsverlauf müssen u.a. die Kommunikation und das Wohnumfeld an den Erkrankten und seine Bedürfnisse angepasst werden. Nach Eintritt der Erkrankung rückt auch der „Fördergedanke“ in Bezug auf Menschen mit geistiger Behinderung zunehmend in den Hintergrund. An seine Stelle treten nun das Bemühen um individuell sinnvolle Beschäftigungsmöglichkeiten, die dem Betroffenen zu mehr Wohlbefinden und Lebensqualität verhelfen. Im späteren Stadium der Demenz wird sich oftmals eine 1:1 Betreuung als notwendig erweisen.

 

 

Wie ist bisher die Resonanz auf Ihr Projekt?

Unser Projekt hat bisher dankenswerterweise eine sehr große Resonanz erfahren. Seit Beginn im März 2012 haben wir nunmehr vier Newsletter veröffentlicht, die im gesamten Bundesgebiet Interessenten haben. Zu nunmehr fünf Ideenkonferenzen zu fachspezifischen Themen durften wir hochkarätige Referenten und zahlreiches Fachpublikum begrüßen. Darüber hinaus wurden und werden die ProjektmitarbeiterInnen u.a. auch zu Kongressen und Fachtagungen eingeladen, um über das Projekt bzw. die Projekterkenntnisse zu berichten.
Besondere Freude bereitete den TeilnehmerInnen mit Handicap der Besuch von Ulla Schmidt (Vorsitzende der Bundesvereinigung Lebenshilfe), die sich vor Ort über das Projekt informierte und dabei auch die Gelegenheit hatte, in einige Angebote ganz praktisch „hineinzuschnuppern“.

 

 

Können Sie vielleicht eine kleine Anekdote oder Geschichte erzählen, die verdeutlicht, was Sie mit Ihrem Projekt erreichen?

Bisher haben wir auf alle erprobten Angebote, von den ProjektkollegInnen und von den TeilnehmerInnen, durchweg positive Rückmeldungen erhalten.
Besonders beeindruckt hat mich die Reaktion einer Teilnehmerin des Angebotes „Geschichtenerfinden“ (TimeSlips). Zum Abschluss der Angebotseinheit haben wir ein Nachtreffen veranstaltet, bei dem auch die selber erfundenen Geschichten in Form eines Geschichtenheftes an die TeilnehmerInnen ausgegeben wurden. Natürlich wurde das Heft gemeinsam angeschaut und nochmals eine Geschichte vorgetragen.
Die Begeisterung der Beteiligten fand ihren Ausdruck dann in dem Kommentar einer Teilnehmerin, die aus voller Seele sagte: „Wir sind Künstler!“. Dem konnten alle natürlich nur zustimmen.

 

 

Was wünschen Sie sich von der Zukunft?

Ich wünsche mir, dass sich die Angebote, Kooperationen und Netzwerke, die im Projekt entstanden sind und noch entstehen, weiter verstetigen und auch nach Auslaufen des Projektes im Februar 2015 erhalten bleiben.
Für die Menschen mit Behinderung, die an unserem Projekt teilnehmen, wünsche ich mir, dass sie die neuen sozialen Kontakte, die durch ihre Teilnahme an den Angeboten entstanden sind, weiter „pflegen“ können, damit ihnen diese Freundschaften dauerhaft erhalten bleiben.

Wir als Projektteam wünschen uns, dass unsere Erfahrungen und Erkenntnisse vielen Einrichtungen der Behindertenhilfe, und vielleicht auch der Altenhilfe, von Nutzen bei ihrer täglichen Arbeit sein werden.

 

 

Herzlichen Dank, Frau von Rüden!!!

 

 

 

 

Zur Internetseite: www.caritas-gelsenkirchen.de/senioren/fachstelledemenz/demenzundgeistigebehinderung/demenz-und-geistige-behinderung?searchterm=Demenz

Annika

© by Annika Schneider. Staatlich examinierte Ergotherapeutin, Chefredakteurin von Mal-alt-werden.de. Bücher von Annika Schneider finden Sie hier.

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