Besuch. Eine Hoffnungsgeschichte zum Vorlesen

Viele Senioren leben allein und freuen sich über Besuch, Gespräche und ein wenig Hilfe. Eine Hoffnungsgeschichte für Senioren

Besuch

Josef schüttete gerade die Kartoffeln ab, als es an der Haustür klingelte. Er stellte den Topf auf der Spüle ab und schlurfte durch den Flur zur Tür. Wer das wohl sein könnte? Bestimmt irgendjemand, der etwas verkaufen wollte. Oder vielleicht Betrüger? Man musste ja heutzutage aufpassen. Josef bekam eigentlich nie Besuch und die, die ihn kannten, kamen durch den Garten und dann zur Küchentür herein. Sollte er überhaupt die Tür öffnen? Aber schon klingelte es wieder und der alte Mann legte vorsichtshalber die Kette vor die Tür, bevor er sie einen Spaltbreit öffnete.



„Ja?“, fragte er. Draußen stand eine junge Frau und lächelte ihn an: „Herr Schmidt, ich bin Benisha und die Gemeindeschwester. Ich würde sie gerne mal besuchen und schauen wie es ihnen geht.“
„Wer sind Sie? Ich kaufe nichts.“, antwortete Josef und wollte die Tür schon wieder schließen. „Herr Schmidt, ich komme von der Kirche. Der Pastor Meier schickt mich.“, rief die junge Frau schnell. Josef öffnete die Tür wieder. „Sagten Sie Pastor Meier?“
„Ja, ich habe auch einen Ausweis dabei.“ Die junge Frau hielt ihm eine Karte hin, aber Josef konnte das, was da drauf stand, ohne seine Lesebrille gar nicht erkennen.

„Na, dann kommen Sie mal rein, wenn Sie vom Pastor sind.“, Josef öffnete die Tür weit und ließ die junge Frau eintreten. Sie sah ja ganz hübsch aus und wirkte auch nett. „Ich koche gerade. Ich muss mal nach den Kohlrabi schauen und die Frikadellen umdrehen, die verbrennen mir ja sonst.“ Josef schlurfte in die Küche und kümmerte sich um das Mittagessen auf dem Herd. „Möchten Sie etwas trinken?“, fragte er die junge Dame. „Ich könnte uns einen Kaffee kochen.“
„Das wäre sehr schön.“, antwortete die Gemeindeschwester, „Ich bin heute Vormittag schon so lange unterwegs und habe soviel geredet – über eine Tasse Kaffee würde ich mich sehr freuen.“ Josef stellte die Kaffeemaschine an und nachdem sie lautstark die letzten Tropfen Kaffee in die Glaskanne ausgespuckt hatte, schenkte er zwei Tassen ein und setzte sich zu der jungen Frau.
„Herr Schmidt, ich bin jetzt die Gemeindeschwester hier und ich wollte mal schauen, wie es Ihnen geht und ob Sie Hilfe brauchen.“

„Och, ich komme schon zurecht. Seit meine Frau letztes Jahr gestorben ist, bin ich halt auf mich alleine gestellt. Das Kochen klappt ganz gut, denn ich hab früher gerne zugeschaut, wenn meine Frau gekocht hat und ich hab ja auch noch ihr altes Kochbuch, da steht ja alles drin.“
„Das ist ja toll, dass Sie das können. Es duftet auch sehr gut bei Ihnen. Gehen Sie denn noch selber einkaufen?“, fragte Benisha. „Ja, ich gehe zum Bäcker und auf den Markt. Dann nehme ich meinen Rollator mit, da kann ich alles vorne einpacken.“, antwortete Josef. „Zweimal in der Woche kommt eine Dame und putzt und bügelt. Die Wäsche wasche ich selber. Aber staubsaugen und den Boden wischen, das schaffe ich nicht mehr. Leider hat die Frau Bauer aber immer keine Zeit, um mal in Ruhe einen Kaffee zu trinken. Die hat noch andere Putzstellen und eine große Familie.“

„Wer hilft Ihnen denn bei der Gartenarbeit? Das ist doch auch sehr anstrengend.“, fragte die Gemeindeschwester. „Ja, das haben Sie recht. Es ist sehr mühsam, aber mit dem elektrischen Rasenmäher geht es.“
„Herr Schmidt, was halten Sie davon, wenn ich Ihnen mal zwei Jungen aus unserer Gemeinde schicke, die Ihnen bei der Gartenarbeit helfen? Unsere Konfirmandengruppe hat sich vorgenommen, einmal in der Woche zu den Senioren zu gehen, die Hilfe brauchen. Die beiden Jungs machen das gerne und Geld wollen die auch nicht dafür haben.“
„Ja,“ antwortete Josef zögernd, „das könnte man ja mal ausprobieren.“
„Wenn Sie nichts dagegen haben, würde ich Sie gerne regelmäßig besuchen. Ich könnte am Freitagnachmittag noch einmal kommen und dann bringe ich Luca und Tom einfach mit, damit Sie die beiden kennenlernen können.“
„Einverstanden, das können wir machen.“ Josef war gespannt, auf was er sich da eingelassen hatte.

Am Freitagnachmittag kam die Gemeindeschwester mit den beiden Jungs. Sie brachte auch Kuchen mit. Josef erklärte den beiden, was sie im Garten tun sollten und trank dann mit Benisha Kaffee. Sie unterhielten sich gut miteinander. Josef erzählte von früher und Benisha von ihrer Heimat Indien. Die Gemeindeschwester versprach, Josef regelmäßig zu besuchen und auch Leon und Tom hatten ihre Arbeit gut gemacht. Sie hatten den Rasen gemäht und Unkraut gezupft. Sie hatten sogar die Blumen stehengelassen. Als Josef das Kaffeegeschirr später abwusch, lächelte er. Er freute sich schon auf den nächsten Besuch der Gemeindeschwester. Manchmal ist es doch gut, die Haustür zu öffnen.

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Monika

© by Monika Kaiser. Buchhändlerin, Betreuungskraft, Autorin bei Mal-alt-werden.de

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