Älter werden in Balance…
Im Gespräch mit Prof. Dr. Ingo Froböse über das neue AlltagsTrainingsProgramm (ATP) der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA)
Foto: Sebastian Bahr
Hallo Herr Prof. Froböse, stellen Sie sich doch bitte kurz vor.
Hallo, mein Name ist Ingo Froböse und ich bin Universitätsprofessor an der Deutschen Sporthochschule Köln. Ich leite dort das Institut für Bewegungstherapie und bewegungsorientierte Prävention und Rehabilitation sowie das Zentrum für Gesundheit durch Sport und Bewegung. Als ehemaliger Sprinter komme ich zwar aus dem Spitzensport, bin seit meiner aktiven Zeit aber zum leidenschaftlichen Hobbyläufer geworden.
Im Rahmen des Programms „Älter werden in Balance“ der BZgA wurde das neue AlltagsTrainingsProgramm (ATP) für Frauen und Männer ab 60 Jahren entwickelt. Worum geht es im ATP?
Das ATP hat das Ziel besonders älteren Menschen wieder die Lust an der Bewegung näher zu bringen. Vorwiegend alltagsähnliche Herausforderungen und Aktivitäten, wie Heben, Tragen, Stützen oder Aufstehen, sind Teil des Programms. Dabei kann jede Übung mit dem eigenen Alltag verknüpft werden, auf klobige oder teure Geräte im klassischen Sinn verzichten wir beim ATP bewusst. Das langfristige Ziel ist es die Bewegung in den Alltag zu integrieren und damit die Begeisterung an körperlichen Aktivität (wieder) zu wecken. Dies geschieht einerseits über die Bewegungsschulung und andererseits über eine gezielte Wissensvermittlung während der Kurse. Damit lernen Sie die täglichen Aufgaben des Alltags mit Leichtigkeit zu meistern und lassen sich keine Trainingsangelegenheit mehr entgehen.
Seit Anfang dieses Jahres kann das ATP bundesweit in den Sportvereinen als wöchentlicher Gruppenkurs angeboten werden. Wie sind die Kurse aufgebaut, bzw. gestaltet?
Es handelt sich um ein 12 stündiges Kursangebot in Sportvereinen in ganz Deutschland. Bis jetzt wurden etwa 250 Übungsleiter für die Durchführung des ATP geschult, welche zeitnah Kurse in ganz Deutschland anbieten.
In jeder Kurseinheit werden andere alltagsnahe Themen behandelt und die sind in ein Warm-up, einen Hauptteil und ein Cool-Down gegliedert. Damit trainieren Sie Ihre Kraft, Ausdauer oder Beweglichkeit je nach Stundeninhalt. Zudem wird jeweils eine Alltagsaufgabe besprochen, ein Mobilisationsritual durchgeführt und Gesundheitswissen vermittelt. Somit werden Sie nicht nur körperlich gefordert sondern erhalten auch noch nützliche Gesundheitsinformationen für Ihren Alltag.
Wir sind von der Idee für das ATP und deren Umsetzung begeistert! Erklären Sie unseren Lesern doch bitte noch einmal, warum es so wichtig ist, (ab einem bestimmten Alter) an diesem Programm teil zu nehmen.
Im Laufe des Lebens nimmt die körperliche Leistungsfähigkeit ab, das ist von unserer Biologie so vorgesehen. Wie groß die Leistungseinbußen sind ist genetisch individuell, aber vor allem durch unsere Aktivität im Alltag bestimmt also durchaus beeinflussbar. Denn wer sich keine Zeit für Bewegung nimmt, wird sich irgendwann viel Zeit für seine Krankheiten nehmen müssen. Ein „zu alt“ gibt es nicht, berücksichtigen wir, dass unsere Muskeln durch stetige Prozesse der Zellerneuerung maximal 15 Jahre alt sind und damit immer in der Pubertät. Und wie man das kennt, sind Jugendliche meist emotional und brauchen viel Aufmerksamkeit. Deshalb braucht diese auch unsere Muskulatur, vor allem mit zunehmendem Alter, tägliche Pflege. Dabei ist es egal ob Sie Treppensteigen, einen ausgiebigen Spaziergang machen oder eine Gymnastikeinheit absolvieren. Denn nur was genutzt wird entwickelt sich, was ungenutzt bleibt verkümmert. Aber um sich altersgerecht zu belasten und zu wissen, wo die eigenen Grenzen sind, ist es essenziell unter fachmännischer Aufsicht angeleitet zu werden. Bei dieser aktiven Altersvorsorge kann jeder mitmachen. Denn nur durch einen aktiven Lebensstil bleiben Sie lange Selbstständig und tun ganz nebenbei noch etwas für Ihre Gesundheit.
Kann ich die Übungen des ATP auch machen wenn ich das Kursangebot über die Sportvereine nicht wahrnehme? Wenn ja, wo kann ich sie finden?
Im Prinzip kann jeder zeit- und ortsunabhängig die Übungen durchführen. Dazu wird aber ein hohes Maß an Selbstbeherrschung/-kontrolle vorausgesetzt, welche Sie in den ATP-Kursen erlernen. Deshalb ist es empfehlenswert, besonders wenn Sie länger kein Sport getrieben haben oder Anfänger sind, vorab den zwölf stündigen ATP Kurs im Verein zu absolvieren. Dort werden wichtige individuelle Übungsanleitungen gegeben und es erfolgt eine grundlegende Wissensvermittlung. Darüber hinaus erhalten alle Teilnehmenden Unterlagen und konkrete Alltagsaufgaben ausgehändigt, welche Sie auch nach Beendigung des Kurses für einen aktiven Lebensstil begeistern. Um sich selbständig über das ATP zu informieren und einige Anregungen zu bekommen empfiehlt es sich die Homepage der BZgA (www.aelter-werden-in-balance.de) zu besuchen. Dort finden Sie hilfreiche Tipps und Empfehlungen für einen aktiven und gesunden Lebensstil.
Wer kann grundsätzlich am ATP teilnehmen? Was muss bei der Durchführung der Übungen beachtet werden und wo gibt es Einschränkungen?
Das ATP richtet sich vorwiegend an inaktive Personen ab dem 60. Lebensjahr. Möchten Sie Ihr Herz-Kreislauf-System trainieren, den Bewegungsapparat beanspruchen sowie das Gehirn in Schwung bringen, sind Sie hier genau richtig. Dabei brauchen Sie keine Angst vor zu großen körperlichen Belastungen zu haben, denn die geschulten Übungsleiter gehen auf Ihren individuelle Leistungszustand ein und fördern Sie gezielt.
Voraussetzung der Teilnahme ist, dass die Sie ohne äußere Unterstützung (z.B. Hilfsmittel beim Gehen) ihren Alltagsaktivitäten nachgehen können. Zudem müssen die physiologischen und psychologischen Bedingungen erfüllt sein ein 60-minütiges „Außentraining“, welches ein 30-minütiges zügiges Gehen beinhaltet, bewältigen zu können. Ratsam ist es vorab den mit der Anmeldungsbestätigung verschickten „Gesundheits-Check SPORT PRO GESUNDHEIT“ zur Reflexion des eigenen Gesundheitszustandes durchzuführen. In begründeten Fällen kann von den Teilnehmenden eine ärztliche Bescheinigung verlangt werden und bei gesundheitlicher Gefährdung in seltenen Fällen ein Ausschluss aus dem Kurs erfolgen. Wenn jedoch, wie häufiger der Fall, keine Bedenken zur ATP-Kursteilnahme bestehen, wird der qualifizierte Übungsleiter auf eine korrekte Übungsausführung achten und die Trainingsinhalte individuell auf Sie anpassen. Somit können sich auch Personen, welche schon körperliche Einschränkungen haben, an dem Kurs teilnehmen.
Können Sie uns vielleicht eine kleine Anekdote oder Geschichte erzählen, die verdeutlicht, was Sie mit dem ATP erreichen können?
Hier fallen mir die Ergebnisse der Pilotphase ein. Wir konnten feststellen, dass das ATP dem Großteil der Teilnehmenden geholfen hat (über 90 Prozent) den Alltag nachhaltig aktiver zu gestalten. Des Weiteren gaben über 82 Prozent der Teilnehmenden drei Monate nach Beendigung des ATP Kurses an, dass sie noch Alltagsübungen kennen die gut tun. Am besten gefallen hat der Mehrheit der Teilnehmenden die Aktivität in der Gruppe bzw. der Gemeinschaft. Somit begeistern die Teilnehmer die Bewegung in und mit der Gruppe sowie die nachhaltige Aufklärung für mehr Aktivität im Alltag.
Was wünschen Sie sich von der Zukunft?
Zunächst wünschen wir uns für die Zukunft, dass sich das ATP fest im Vereinssport verankert und von den Menschen weiterhin gut angenommen wird. Wenn sich dadurch mehr Menschen für Bewegung begeistern lassen, wäre das nicht nur ein großer Erfolg für uns sondern für jeden einzelnen auf individueller Ebene. Da sich bis jetzt ein verstärktes Interesse des ATP abzeichnet, planen wir künftig das ATP Konzept zu erweitern. Auch für die folgenden Schritte der ATP Entwicklung erhoffen wir uns ähnliche positive Resonanzen.
Herzlichen Dank, Herr Prof. Froböse!!!
Zur Internetseite: www.aelter-werden-in-balance.de