Besuch auf vier Pfoten…

Der Hundebesuchsdienst für Menschen mit Demenz

aennetuerke

Hallo Frau Türke, stellen Sie sich doch bitte kurz vor.



Mein Name ist Änne Türke. Ich bin 39 Jahre alt und lebe in Köln. Ich bin Diplom Sozialarbeiterin und Altenpflegerin und arbeite seit 2006 im Demenz-Servicezentrum Region Köln und das südliche Rheinland bei den Alexianern in Köln. In diesem Rahmen ist auch der Hunde-Besuchsdienst „4 Pfoten für Sie“ 2009 von mir aufgebaut worden.

 

 

Sie leiten das Projekt „4 Pfoten für Sie“. Worum geht es in diesem Projekt und wen möchten Sie damit erreichen?

Der ehrenamtliche Hunde-Besuchsdienst richtet sich in erster Linie an Menschen mit Demenz und ihre Familien, die zu Hause leben oder in einer Einrichtung. Jedoch muss uns niemand erst eine Diagnose vorlegen, um den Besuch mit Hunden zu erhalten. Wir betreuen auch ältere Menschen mit Depressionen oder psychisch Kranke. Wer immer vom Besuch mit Hund in seiner Lebenssituation profitiert, sollte diese Hilfe niedrigschwellig erhalten. Wichtig ist uns dabei eine individuelle Vermittlung von Mensch und Hund zu einem betroffenen Menschen. Die Besuche finden immer im Rahmen einer Einzelbetreuung statt, die Kontinuität und Beziehung untereinander ermöglicht. Die Freude an der Begegnung mit Hunden steht im Vordergrund.
Was können diese Hunde bewirken, was wir in unserer Arbeit mit an Demenz erkrankten Menschen nicht erreichen können?

Viele Menschen haben im Laufe ihres Lebens positive Erfahrungen mit Tieren gemacht. Sie vermitteln uns Wärme, spenden Trost und geben Anlass zur Freude. Bei Menschen mit Demenz können tiergestützte Aktivitäten die Kontaktaufnahme erleichtern, emotionales Wohlbefinden steigern, Wahrnehmung und Bewegung anregen. Zudem wird mit fortschreitender Erkrankung die verbale Verständigung immer schwerer. Die Betroffenen müssen mitunter lange nach Worten suchen oder die Worte verlieren ihre Bedeutung. Vor allem Hunde gehen frei von Vorurteilen auf jeden Menschen zu. Ihre nonverbale Ausdrucksweise kommt der eher emotional geprägten Kommunikation von Menschen mit Demenz sehr entgegen, die Tiere reagieren auf Ansprache, Mimik und Gestik, sie lassen sich gerne streicheln und vermitteln in ihrer ganzen Art ein bedingungsloses und unangestrengtes Gefühl von Nähe.
Aufgrund der Erkrankung und der damit verbundenen Betreuung können Menschen mit Demenz und ihre Familien häufig keine eigenen Haustiere mehr halten. Die zunehmende soziale Isolation und motorische Einschränkungen erschweren die Begegnung mit Tieren. „4 Pfoten für Sie“ schließt hier eine Lücke. Als ehrenamtlicher Hunde-Besuchsdienst ermöglicht „4 Pfoten für Sie“ Menschen mit Demenz (wieder) den Kontakt zu Hunden und bietet Angehörigen eine stundenweise Entlastung.

 

 

Wie könnte ein solcher Hunde-Besuch zum Beispiel aussehen?

In der Regel kommt das ehrenamtliche Mensch-Hund-Besuchsteam einmal in der Woche zum verabredeten Besuch. Die Besuche orientieren sich an den Bedürfnissen des Menschen mit Demenz, aber auch denen der Hunde. Die meisten Menschen wünschen sich nach draußen zu gehen. Spaziergänge mit dem Hund machen Spaß, sie steigern die Motivation und Bewegung ist auch noch dabei. Aber auch in der Wohnung oder im Bett können tiergestützte Aktivitäten eine tolle Abwechslung im Alltag sein. Der Hund muss auch nicht immer eine aktive Rolle haben. Manchmal schafft seine Anwesenheit eine beruhigende Atmosphäre und die zwei Menschen sind intensiv miteinander in Kontakt.

 

 

Wie ist die Resonanz von Angehörigen auf Ihr Angebot?

Sehr gut. Das Auffallende ist, dass der Besuch durch die Hunde erstmal nicht so sehr als Hilfs- oder Entlastungsangebot wahrgenommen wird, welches dann sogar noch über die zusätzlichen Betreuungsleistungen der Pflegekasse rückerstattet werden kann. Das macht den Zugang sehr niedrigschwellig. Angehörige überlegen, was für eine Freude sie ihren Angehörigen mit Demenz noch machen können und wenn jemand eine hohe Affinität zu Tieren hat, liegt dieser besondere Besuchsdienst nahe. Erst im zweiten Schritt wird das Angebot auch als Entlastung wahrgenommen. Darüber hinaus freuen sich die Angehörigen oft genauso sehr über den vierbeinigen Besuch.
Können Sie vielleicht eine kleine Anekdote oder Geschichte erzählen, die verdeutlicht, was Sie mit Hilfe von „4 Pfoten für Sie“ erreichen können?

Ich war vor kurzem bei einem Erstbesuch mit meiner eigenen Hündin. Ich wusste vorher nur, dass es um eine Frau mit beginnender Demenz ging, die zusammen mit ihrem gehbehinderten Ehemann zu Hause lebt. Ihr Sohn hat den Termin vereinbart und sagte mir, dass seine Mutter eine große Hundefreundin ist. Die Freude auf den Besuch war dann augenscheinlich. Ich wurde von einer sehr agilen Dame aufgeregt an der Tür erwartet – wobei, eigentlich wurde wohl eher mein Hund erwartet. Während ich mit dem Sohn und dem Ehemann sprach, hatte sie nur Augen für den Hund. Sie knuddelte, spielte und sprach mit dem Hund, der sich ganz in ihrer Aufmerksamkeit sonnte. Zwischendurch erzählte sie aber auch immer wieder von eigenen Tieren, die sie an den unterschiedlichsten Wohnorten hatte. Man sah ihr an, dass Tiere bisher immer in ihr Leben gehörten. Ihr Sohn sagte mir dann, dass sie aufgrund der Gehbehinderung ihres Mannes und ihrer eigene Orientierungsstörung fast nur noch auf den Aufenthalt in der Wohnung reduziert ist, selber aber motorisch keinerlei Einschränkungen hat, sehr agil und zugewandt ist. Jemand von außen, der sie regelmäßig mit nach draußen nimmt, kann hier somit eine große Hilfestellung für alle Beteiligten sein.
Was wünschen Sie sich von der Zukunft?

Das sich Konzepte in der Altenhilfe und der Betreuung von Menschen mit Demenz wieder mehr an Normalität und der Begegnung im Moment orientieren. Vom Umgang und der Kommunikation mit Tieren können wir an dieser Stelle eine Menge lernen. Wen ich mal alt und auf Hilfe angewiesen bin, wünsche ich mir, dass jemand so neugierig ist herauszufinden, was mir emotional Freude macht. Die Begegnung mit Tieren zählt dann für mich sicher auch dazu.
Herzlichen Dank, Frau Türke!!!

 

 

 

Zur Internetseite: www.4-pfoten-fuer-sie.de

 

Annika

© by Annika Schneider. Staatlich examinierte Ergotherapeutin, Chefredakteurin von Mal-alt-werden.de. Bücher von Annika Schneider finden Sie hier.

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